Leipzig. Die designierte Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht könnte die zweite Frau an der Spitze eines Bundeslandes werden. 1981 trat sie der Blockpartei CDU bei, um die DDR zu verändern. Ein Porträt zeigt den Weg der Theologin zur Thüringer "Landesmutter".
In den 19 Jahren ihrer politischen Karriere in Thüringen hat Christine Lieberknecht schon fast alles erreicht. Die CDU-Politikerin war Landtagspräsidentin, Fraktionschefin und Ministerin in mehreren Ressorts. Nun könnte die 51-jährige Theologin ihren Karriere krönen: In wenigen Tagen soll Christine Lieberknecht zur neuen Ministerpräsidentin in Thüringen gewählt werden. Sie wäre damit nach Heide Simonis erst die zweite Frau, die an der Spitze eines Bundeslandes steht.
Lieberknecht wurde in den vergangenen Jahren schon mehrfach als mögliche Ministerpräsidentin gehandelt, auch nach dem schweren Skiunfall des noch amtierenden Regierungschefs Dieter Althaus (CDU) am Jahresanfang. Doch ihr Traumjob ist das nicht. «Ich habe das Ministerpräsidentenamt nie gewollt», verriet sie vor kurzem in einem Zeitungsinterview. Sie habe sich «in die Pflicht nehmen lassen», sagte Lieberknecht, die sich noch nie gern ins Rampenlicht gedrängt hat.
Viel Erfahrung und ausgeglichenes Gemüt
Ihre persönlichen Befindlichkeiten stellte Lieberknecht zurück, als ihre Partei nach dem Wahldebakel bei der Landtagswahl Ende August ins Chaos abzurutschen drohte. Nachdem Dieter Althaus, der am 3. September seinen Rücktritt als Ministerpräsident erklärt hatte, kurz darauf ankündigte, seine Amtsgeschäfte vorerst weiterzuführen, rumorte es gewaltig in der CDU. Die damals amtierende CDU-Landesvorsitzende Birgit Diezel machte deshalb schnell Nägel mit Köpfen und schlug Lieberknecht offiziell für das Spitzenamt vor.
Mit Lieberknecht kehrte wieder Ruhe in die Partei ein. Die 51-Jährige wird wegen ihrer fachlichen Kompetenz, ihres ausgleichenden Wesens und ihrer langjährigen politischen Erfahrung nicht nur in den eigenen Reihen geschätzt. Zu SPD-Landeschef Christoph Matschie, mit dem sie gemeinsam den Koalitionsvertrag aushandelte, hat sie einen guten Draht. Beide seien sie beharrlich und geduldig, sagte Lieberknecht einmal, die wie Matschie evangelische Theologie studiert und viele Jahre als Gemeindepastorin gearbeitet hat.
Schon in der DDR politisch aktiv
Die gebürtige Weimarerin hat sich darüber hinaus auch schon zu DDR-Zeiten politisch engagiert. 1981 trat sie der Blockpartei CDU bei, um die DDR zu verändern, wie sie betont. Kurz vor der Wende 1989 gehörte Lieberknecht zu den Autoren des «Briefs aus Weimar», von dem wesentliche Forderungen und Impulse zur Erneuerung der DDR-CDU und der Ruf nach gesellschaftlichen Reformen ausgingen.
Nach der Wende setzte die zweifache Mutter ihre politische Karriere fort. Lieberknecht wurde bereits 1990 Kultusministerin im Kabinett der ersten Thüringer Nachwenderegierung unter CDU-Ministerpräsident Josef Duchac. Kurz darauf rückte sie gemeinsam mit Angela Merkel in das Präsidium der Bundes-CDU ein. Sie gehörte aber auch zu jenen CDU-Politikern, die durch ihren Kabinettsaustritt den Sturz Duchacs auslösten, nachdem gegen diesen Stasi-Vorwürfe erhoben wurden.
Unter drei Ministerpräsidenten gearbeitet
Unter seinem Nachfolger Bernhard Vogel (CDU) blieb Lieberknecht weiter im Kabinett als Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten. Als die CDU 1999 die absolute Mehrheit holte, wurde Lieberknecht zur Präsidentin des Thüringer Landtags gewählt; 2004 wurde sie Fraktionschefin. Im Mai 2008 wechselte sie als Sozialministerin erneut ins Kabinett, diesmal unter Althaus.
Lieberknecht, die damit unter drei Ministerpräsidenten gearbeitet hat, weiß, was auf sie zukommt. Es sei ein «anstrengendes Amt mit vielen Pflichten, die nicht so sehr meinem Wesen entsprechen, Repräsentation zum Beispiel», sagte Lieberknecht, die schon mehrfache Oma ist und gern mehr Zeit für ihre Familie hätte. «Die Freiheit wird nicht größer.»
Noch aber muss die geplante schwarz-rote Koalition eine wichtige Hürde nehmen. Zwar ist der Koalitionsvertrag fertig, am Sonntag müssen die Landesparteitage von CDU und SPD ihm aber noch zustimmen. Vor allem Matschie wird sich dann mit seinen parteiinternen Kritikern auseinandersetzen müssen, die ein Bündnis mit Linken und Grünen favorisiert hatten. (afp)