Erfurt. Die Wahl wurde zum klassischen Fehlstart: Christine Lieberknecht ist erst im dritten Anlauf zur Ministerpräsidentin von Thüringen gewählt worden. Vier Stimmen aus der Koalition fehlten ihr im ersten und zweiten Wahlgang. Die SPD sagt: An uns lag es nicht.

Erst im dritten Anlauf ist die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht vom Landtag in Thüringen zur neuen Ministerpräsidentin gewählt worden. Die 51-Jährige verpasste in den ersten beiden Wahlgängen am Freitag die absolute Mehrheit und wurde erst in der folgenden Runde gewählt, in der dann die einfache Mehrheit reichte. In den ersten beiden Durchgängen fehlten Lieberknecht vier Stimmen aus den Reihen der Koalitionäre CDU und SPD.

Bodo Ramelow trat zur Kampfabstimmung gegen Lieberknecht an. Foto: ap
Bodo Ramelow trat zur Kampfabstimmung gegen Lieberknecht an. Foto: ap © AP | AP





In den ersten beiden Wahlgängen hatte Lieberknecht die jeweils erforderliche absolute Mehrheit von 45 Stimmen um jeweils eine Stimme verfehlt. Der Landtag in Erfurt hat 88 Sitze. In beiden Durchgängen hatten Lieberknecht insgesamt vier Abgeordnete aus den Reihen von CDU und SPD, die in Thüringen eine große Koalition gebildet haben, die Gefolgschaft verweigert.

Im dritten Wahlgang, zu dem der Linkspolitiker Bodo Ramelow überraschend als Gegenkandidat angetreten war, reichte Lieberknecht die einfache Mehrheit. Sie erhielt dann aber 55 der 87 abgegebenen Stimmen und damit mindestens sieben Stimmen aus den Oppositionsfraktionen. Ramelow kam auf 27 Stimmen, das war eine Stimme außerhalb der eigenen Fraktion, da ein Linkspartei-Abgeordneter bei der Landtagssitzung fehlte.

Matschie: Die Fraktion stand

SPD-Fraktionschef Christoph Matschie zeigte sich überzeugt, dass die Abweichler bei der Wahl von Lieberknecht nicht aus seiner Partei kamen. Er sei «hundert Prozent sicher», dass die SPD-Fraktion hinter der Entscheidung des Landesparteitages für eine schwarz-rote Koalition gestanden habe.




Innerhalb der SPD ist die Koalition mit der CDU allerdings umstritten. Die Entscheidung für Schwarz-Rot war in Teilen der Partei auf heftigen Widerstand gestoßen. Sondierungen zwischen SPD, Linkspartei und Grünen über eine mögliche Regierungsbildung waren unter anderem an der Frage des Ministerpräsidenten gescheitert. Am vergangenen Wochenende hatte ein SPD-Parteitag der Koalition mit der CDU mit Zweidrittel-Mehrheit zugestimmt.

Ramelow sprach hinsichtlich der drei notwendigen Wahlgänge von einem «klassischen Fehlstart». «Da stolpert zusammen, was nicht zusammen gehört», sagte der designierte Fraktionschef der Linken in der ARD. Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund erklärte, die erste Bestandsprobe sei schiefgegangen.

Opposition frohlockt

Nach der Wahl legte Lieberknecht ihren Amtseid ab. Die neue rot-schwarze Regierung wird aber erst kommenden Mittwoch stehen, wenn die neuen Minister ernannt werden. Lieberknecht betonte in ihrer Antrittsrede, die neue Regierung werde für ein starkes Thüringen einstehen, das «innovativ, nachhaltig und weltoffen» sei.

Dabei setze sie ausdrücklich auf eine breite Einbindung des Parlaments. Lieberknecht appellierte an die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD sowie an die Opposition, mitzuhelfen, «dass die nächsten fünf Jahre erfolgreich werden». «Ich bleibe auf ihren Einsatz und ihre Unterstützung angewiesen», sagte sie.

Lieberknecht ist die erste Unionspolitikerin in der Geschichte der Bundesrepublik, die ein Bundesland regiert. Nach Schleswig-Holsteins früherer Regierungschefin Heide Simonis (SPD) ist sie überhaupt erst die zweite Frau an der Spitze eines Bundeslandes.

Lieberknecht war von der CDU für das Ministerpräsidentenamt nominiert worden, nachdem der bisherige Regierungschef Dieter Althaus (CDU) nach der Landtagswahl Ende August als Konsequenz aus den starken Einbußen der CDU seinen Rücktritt erklärt hatte. Lieberknecht, die auch CDU-Landesvorsitzende ist, gehörte bereits 1990 als Kultusministerin der ersten Thüringer Nachwenderegierung an, später war sie Landtagspräsidentin und Vorsitzende der CDU-Fraktion. Zuletzt gehörte sie seit Mai 2008 als Sozialministerin der Thüringer Landesregierung an. (afp)