Erfurt. Die Wahl der Ministerpräsidentin in Thüringen zeigt die Zerrissenheit der Parteien der großen Koalition, vor allem wohl der SPD. Auch Linken-Chef Ramelow beging einen taktischen Fehler, als er sich im dritten Gang zur Wahl stellte - und nur eine Stimme mehr bekam als die Linken Sitze haben.
Das war alles, aber kein Start nach Maß für die große Koalition in Thüringen. Dabei ist es nebensächlich, wer für die zunächst fehlenden Stimmen bei der Wahl von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht verantwortlich war. Enttäuschte gibt es in beiden Parteien in ausreichender Zahl.
Bei der SPD wären viele lieber mit der Linkspartei zusammen gegangen, erst recht nach den Debatten in Folge der verlorenen Bundestagswahl. Schon aus strategischen Gründen schien deshalb vieles auf eine rot-rote Koalition zuzulaufen. Doch die SPD überraschte. Der Landesvorstand unter Landeschef Christoph Matschie entschied sich für die CDU, auch weil sich zwischen Matschie und Linken-Chef Bodo Ramelow einfach kein Vertrauen entwickelte. Einige SPD-Landtagsabgeordnete mögen darüber so erbost gewesen sein, dass ihnen eine Beschädigung Matschies gleichgültig war.
Höheres Maß an Einheitlichkeit
Bei der CDU gibt es aber ebenfalls genügend Verdruss. Wie schon im Saarland haben die Christdemokraten auch in Thüringen für den Erhalt der Macht einen hohen Preis bezahlt, vor allem in der Schulpolitik. Das Tor für ein höheres Maß an Einheitlichkeit wurde auf Drängen der SPD weit aufgestoßen. Gut möglich, dass mancher in der CDU seinen Ärger über die nun drohende inhaltliche Beliebigkeit per Stimmzettel Ausdruck verlieh. Und: Mancher, der in der Ära Althaus mächtig war, musste unter Lieberknecht ins Glied zurücktreten. In dieser zwangsaufgelösten Seilschaft könnte sich daher mancher befinden, der nun sein Mütchen gekühlt hat.
In zwei Abstimmungen fiel Lieberknecht durch. Die dritte Abstimmung zeigte dann aber eindrucksvoll: Wenn es hart auf hart kommt, steht die SPD. Die Zukunft des Landes soll offenbar nicht aufs Spiel gesetzt werden. Linken-Chef Bodo Ramelow, der im dritten Wahlgang eine Gegenkandidatur wagte, erhielt nur eine Stimme mehr als die Linken Sitze im Thüringer Landtag haben. Das rückt die Maßstäbe wieder gerade, und demaskiert Ramelow nebenbei als ziemlich lausigen Taktiker. Erstens verschaffte er Lieberknecht im dritten Wahlgang ein gutes Ergebnis und trieb auch noch Abgeordnete von FDP und/oder Grünen an ihre Seite. Und zweitens hat er es nun schriftlich, dass ihn derzeit über seine eigene Partei hinaus fast niemand an der Spitze des Landes sehen will.
Schwacher Trost
Für Lieberknecht ist das allerdings erst mal ein schwacher Trost. Die erste Ministerpräsidentin, die die CDU überhaupt jemals stellte, die zweite in der Republik nach Heide Simonis (SPD) ist beschädigt. Ob ihre eigentlich recht komfortable Mehrheit von immerhin vier Stimmen bei strittigen Sachfragen beisammenbleibt, ist nach diesem holprigen Beginn nicht sicher. Christine Lieberknecht wird kämpfen und immer wieder auch harte Konzessionen machen müssen.