Essen. Meist strömen die Menschen hierher, um Ü30-Partys, Oldie-Nächte oder Konzerte zu besuchen. Derzeit aber ist die Essener Grugahalle Schauplatz der größten Gläubigerversammlung der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Es geht um etwa 20 Milliarden Euro.

Heute strömten die Gläubiger der Dachgesellschaft des insolventen Essener Handelskonzerns Arcandor in die Halle. Am Dienstag versammeln sich dort die Gläubiger der Warenhaus-Tochter Karstadt, am Mittwoch die des Versandhändlers Quelle.

Banken, Vermieter, Lieferanten

Das Traditionsunternehmen schuldet unter anderem der Bundesagentur für Arbeit und Banken Geld. Gläubiger sind aber auch Pensionskassen, Vermieter oder Lieferanten.

Bis diese Geld sehen, kann viel Zeit vergehen. „Ein Abschluss eines solchen Verfahrens kann bis zu zehn Jahre dauern“, sagt der Sprecher des zuständigen Essener Amtsgerichts, Gerd Richter. Zudem ist offen, wie viel Schulden die insolvente Arcandor überhaupt noch zurückzahlen kann.

Bis zu 50 000 Gläubiger

Das Amtsgericht, das die Versammlungen ausrichtet und leitet, erwartet insgesamt 42 000 bis 50 000 Gläubiger. Es könnten noch mehr werden. Jeder, dem Arcandor noch Geld schulde, könne sich anmelden, auch wenn die Frist schon abgelaufen sei, sagt Richter. Die Insolvenz der Essener Warenhauskette Hertie sei schon ein großes Verfahren gewesen. „Aber Arcandor stellt alles in den Schatten.“

Bisher gingen etwa 150 000 Forderungen ein. Sie belaufen sich auf die schwindelerregende Summe von etwa 20 Milliarden Euro – 15 Milliarden bei der Dachgesellschaft (Holding), 2,6 Milliarden für Karstadt, 1,7 Milliarden bei Quelle.

Da allerdings sind die Forderungen der restlichen etwa 40 Tochterfirmen noch nicht eingerechnet. Deren Gläubigerversammlungen fallen wesentlich kleiner aus. Daher dürfte laut Richter die Kantine der Arcandor AG für diese Gläubigertreffen ausreichen. Bis Ende des Jahres, so hofft das Gericht, sollen alle Versammlungen über die Bühne gegangen sein.

Viel Arbeit fürs Amtsgericht

Das Essener Amtsgericht jedenfalls hat alle Hände voll zu tun. Eine Richterin und zwei Richter arbeiten ausschließlich am Fall Arcandor, teils bis tief in die Nacht, wie der Sprecher sagt. Und das seit Juni – damals beantragte die zahlungsunfähige Arcandor beim Essener Gericht die Insolvenz. Ein Richter stehe zudem „Gewehr bei Fuß“, falls die Richter Hilfe bräuchten.

Auch drei Rechtspfleger, also Justizbeamte, kümmern sich nur um die Arcandor-Pleite. Sie führen auch durch die Gläubigerversammlungen. Falls es Rechtsstreitigkeiten gibt, haben die Richter zu entscheiden.

Räume voller Akten

Außerdem verwalten mehrere Gerichtsmitarbieter die anfallenden Aktenberge. Zwei Räume im Gericht stehen voller Arcandor-Papiere, ein Teil der Akten liegt beim Insolvenzverwalter. Wie viele Seiten umfassen diese Forderungen, Anträge, Bescheide oder Gutachten? „Weit in die zehntausende“, schätzt Richter.

Kein Wunder also, dass das riesige Arcandor-Insolvenzverfahren viele Mitarbeiter des Amtsgerichts auf Trab hält. Bleiben andere Fälle also liegen? Der Sprecher: „Wir bemühen uns, dass es zu keinen Verzögerungen bei anderen Insolvenzverfahren kommt.“