Essen. An Fußballexperten besteht in Deutschland ja nur wahrlich kein Mangel. Trotz dieser geballten Expertise halten sich seit ewigen Zeiten Legenden und Mythen, die nicht aus den Köpfen herauszukriegen sind. Oder hätten Sie gewusst, dass es gar keinen Heimvorteil gibt? Zehn populäre Fußball-Irrtümer.

1) Der Fünfmeterraum ist exakt fünf Meter breit.

Nein, das stimmt so nicht. Der Raum, in dem der Torwart besonderen Schutz vor Angriffen gegnerischer Stürmer genießt, misst exakt 5,50 Meter. Der krumme Wert ist Resultat der Herkunft der Ballsportart. Im Mutterland des Fußballs (auch diese Frage ist kompliziert, siehe Irrtum 5) misst man in Yards. Und 5,50 Meter sind relativ genau sechs Yards.

Übrigens: Auch der gerne "16er" genannte Strafraum ist nicht 16 Meter breit. Er misst im Original 18 Yards, was auf deutsche Maßeinheiten übertragen rund 16,5 Meter sind.

2) Bei einem Elfmeter sollte der Gefoulte lieber nicht selbst antreten.

Auch wenn es an Blasphemie grenzt - hier lag der Kaiser falsch: "Es ist Gesetz im Fußball, dass der Gefoulte nicht schießt", kritisierte Franz Beckenbauer Arjen Robben nach dessen misslungenem Elfmeter-Versuch im Spiel gegen Borussia Dortmund. Allein: Die Statistik widerlegt die von Kaiser Franz zitierte Gesetzmäßigkeit.

Der Informatiker Oliver Kuß von der Universität Halle-Wittenberg hat von 1993 bis 2005 Bundesliga-Elfmeter beobachtet. Nach Analyse von 835 Strafstößen, getreten von 229 Schützen, steht sein Urteil fest: Tritt der gefoulte Spieler selbst an, trifft er in 72,6 Prozent der Fälle. Tritt ein anderer Spieler an, landet der Ball mit einer Wahrscheinlichkeit von 74,6 Prozent im Tor. Ein zu statistisch zu vernachlässigender Unterschied, so Kuß.

Vor dem eigenen Publikum siegt es sich leichter? Falsch! 

3) Vor eigenem Publikum ist die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen größer.

Die Legende vom "Heimvorteil" ist so verbreitet, dass in vielen Wettbewerben auswärts erzielte Tore höher gewichtet werden. Doch: Einen statistischen Beweis dafür, dass die eigenen Fans im Rücken eine Mannschaft zu besseren Leistungen befähigen, gibt es nicht.

Im Gegenteil: In ihrer Diplomarbeit an der TU Dortmund hat die Statistikerin Eva Heinrichs herausgefunden, dass die Rolle der Fans als "zwölfter Mann" immer unbedeutender wird: Bis zur Saison 87/88 gewann die Heimmannschaft 55,8 Prozent ihrer Spiele, danach sank der Wert auf 47,8 Prozent. In der Bundesliga-Saison 06/07 verließ die Heimmannschaft sogar nur noch in 43,8 Prozent der Spiele als Sieger den Platz.

4) Kopfbälle machen dumm.

Auch wenn so manches Interview mit Bundesliga-Spielern diesen Eindruck nahe legt - eine Studie, die medizinische Schäden durch ausgeprägtes Kopfball-Spiel zweifelsfrei nachweist, gibt es bislang nicht. Die Medizinerin Petra Jansen hat Probanden an der Universität Regensburg tausende Kopfbälle machen lassen und danach deren Hirntätigkeit untersucht. Ihr Ergebnis: Kopfball-Training schränkt die Hirnarbeit nicht ein.

Allerdings: US-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Gehirnzellen sich durch "wiederholtes Kopfballspiel" zurückbilden können. "Wiederholt" bedeutet in diesem Fall 1000 bis 1500 Kopfbälle im Jahr, heruntergerechnet also etwa vier Kopfbälle am Tag - eine Quote, die kaum ein Amateur und auch nur wenige Profis erreichen dürften.

Wenn Football home comes, dann wohl not nach England 

5) Fußball ist in England erfunden worden.

"Football's coming home", singen englische Fans bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Wenn sie schon keine Titel gewinnen, so scheinen sie sich wenigstens damit rühmen zu wollen, die Massensportart erfunden zu haben. Doch selbst das ist wissenschaftlich umstritten.

Denn unlängst reklamierten schottische Wissenschaftler plötzlich für sich, die am weitesten zurückreichenden Belege für ein "organisiertes" Fußballspiel gefunden zu haben. Dokumente belegen, dass König James IV. zwei Schilling für einen Sack voller "fut ballis" ausgegeben habe. Die Quittung ist datiert auf den April 1497.

6) Durch die Drei-Punkte-Regel fallen mehr Tore.

Sie sollte für mehr Offensivspektakel sorgen, für mehr mehr Tore und mehr Angriffe: die Drei-Punkte-Regel. Eingeführt zur Saison 1995/96 schickte die Punktereform zwar Bundesliga-Dino Kaiserslautern in die Zweitklassigkeit - bei Beibehaltung der alten Zählweise wären die Roten Teufel nicht abgestiegen - eine positive Auswirkung auf die Zahl der Tore ergab sich aber nicht.

Die Wirtschaftsexperten Alexander Dilger und Hannah Geyer haben die zehn letzten Spielzeiten vor Einführung der Drei-Punkte-Regel mit den ersten zehn Spielzeiten verglichen, in denen die Regel zur Anwendung kam. Ihr Ergebnis: In den 3134 Spielen mit Zwei-Punkte-Regel fielen durchschnittlich 2,93 Tore. In den 3060 analysierten Spielen nach der Regeländerung fielen durchschnittlich nur noch 2,87 Tore.

Fußball-Irrtümer für Weitwerfer und Schnappatmer 

7) Ein ins Tor geworfener Einwurf ist ein regulärer Treffer.

Eine Variante für diejenigen, die es eher in den Armen als in den Füßen haben: Beim Einwurf wird der Ball vorbei an Freund und Feind, an Stürmer und Torwart, direkt ins gegnerische Tor geworfen, ohne dass noch ein anderer das Spielgerät berührt. Ein regulärer Treffer? Mitnichten!

Das Fußball-Regelwerk schreibt eindeutig vor, dass ein auf diesem Weg erzieltes Tor nicht zu zählen hat. Der Schiedsrichter hat in diesem Fall auf Abstoß durch den Torwart zu entscheiden.

8) Ein Spiel dauert 90 Minuten.

Nein, hier geht es nicht um die zwei, drei oder vier Minuten Nachspielzeit, das wäre ja auch kleinlich. Was Wissenschaftler der Universität Augsburg herausgefunden haben, verschiebt das Zeitgefüge im Fußball sehr viel deutlicher. Martin Lames, Claudia Augste und Marcel Baur haben sich die Spiele der WM 2006 in Deutschland angesehen und beobachtet, wie lang der Ball tatsächlich rollt. Es sind - halten Sie sich fest! - nur 55 Minuten.

Der größte Zeitfresser unter den Spielunterbrechungen sind übrigens nicht Verletzungspausen oder Spielerwechsel, sondern Freistöße: Knapp 14 Minuten Spielzeit gehen dafür drauf. Insgesamt wird ein Fußballspiel im Schnitt 117 Mal unterbrochen - 1,3 Mal pro Minute.

Der Ball ist rund? Nein, er ist ein Ikosaeder! 

9) Aus einem Abstoß kann ein Eigentor resultieren.

Wer nach kuriosen Fußballvideos sucht, der stößt schnell auf wahre Perlen der Kickkunst: Der Torwart schießt den Ball beim Abstoß über die eigene Mannschaft, über die gegnerische Mannschaft - und über den viel zu weit vor seinem Gehäuse stehenden gegnerischen Keeper. Der eilt zwar noch flugs zurück, doch der Ball senkt sich unhaltbar ins Netz. Ein regulärer Treffer? Ja, auf jeden Fall.

Anders verhält es sich, wenn der Torwart beim Abstoß über seine Füße stolpert und der Ball ins eigene Tor rollt. Ein Tor aus einem Abstoß kann nur "zugunsten der ausführenden Mannschaft" entstehen, heißt es in den Fußballregeln. Rollt der Ball ins eigene Netz, muss der Abstoß wiederholt werden.

10) Der Ball ist rund.

Dass das Spiel nicht 90 Minuten dauert, haben wir ja schon geklärt. Doch auch der zweite Teil der legendären Sepp-Herberger-Aussage hält einer genaueren Prüfung kaum Stand. Denn "rund" ist das klassische Spielgerät im streng mathematischen Sinne nicht.

Es handelt sich vielmehr um ein Gebilde, das aus 20 Sechsecken und 12 Fünfecken zusammengesetzt ist. Mathematiker sprechen von einem "abgeflachten Ikosaeder." Moderne Fußbälle bestehen aus dreidimensional gebogenen Bausteinen und sind zwar nicht rund, aber auf jeden Fall runder als ihre Vorgänger.