Berlin. Peer Steinbrück lud zur Twitter Town Hall und beantwortete Fragen der User des Kurznachrichtendienstes. Dabei ging es viel um Bildung und Arbeit. Netzneutralität, Künstlersozialkasse oder der BVB wurden ebenfalls angesprochen. Es gab auch Kritik an den Antworten des SPD-Kanzlerkandidaten.

Eins will er vorweg klarstellen: Er twittere nicht selbst, dafür habe er ein Team, aber das halte Rücksprache mit ihm und beantworte Fragen authentisch. Peer Steinbrück, Spitzenkandidat der SPD im Bundestagswahlkampf 2013, stellte sich am Dienstagabend eine Stunde lang den Fragen der Twitter-User. Twitter Town Hall heißt die Veranstaltung, bei der die User des Kurznachrichtendienstes unter dem Hashtag #fragpeer Fragen stellen und Steinbrück sie vor Kameras, via Livestream auf der SPD-Internetseite, beantwortet.

Gefilmt wurde im Atrium des Willi-Brandt-Hauses in Berlin, vor Publikum, Schülern aus Berlin, die ebenfalls Fragen stellen konnten. Angaben der SPD zufolge ist Steinbrück der erste deutschsprachige Politiker, der sich an einer Twitter Town Hall beteiligte.

Steinbrück schien entspannt, kein Anzeichen seiner manchmal bissigen Art gegenüber Journalisten. Bei manchen Fragen wirkte er väterlich, zum Beispiel wenn er erklärte, wofür die Erst- und die Zweitstimme gut sind - Politikgrundkurs mit dem Kanzlerkandidat.

<a class="twitter-timeline" href="https://twitter.com/search?q=%23fragpeer" data-widget-id="374964108132499456">Tweets über "#fragpeer"</a>

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Vom NSA-Skandal bis hin zum BVB - Steinbrück beantwortet Fragen der Twitter-Nutzer

Zum Teil unterschieden sich die Fragen der Nutzer von denen journalistischer Interviews. Neben dem NSA-Skandal, der Pkw-Maut oder Steuerhinterziehung ging es auch um Netzneutralität, die Steinbrück rechtlich verankern will, oder die Künstlersozialversicherung (Steinbrück: "Die Frage ist, ob die nicht ausgebaut werden muss").

Über seine Lieblingsmusik und den BVB, von dem der Kanzlerkandidat Fan und bei dem er im Aufsichtsrat ist, gab Steinbrück Auskunft. Aber auch die Sorgen junger Menschen wurden in den Fragen ausgedrückt: Sehr weit vorne waren die Themen Bildung und Arbeit.

So wollte ein User wissen, ob Bildung nicht Bundessache sei sollte. Das wäre eine "halbe Revolution" sagt Steinbrück. Es werde kein "Bundesschulministerium" geben, aber er wolle auf eine stärkere Angleichung achten.

Ein Jugendlicher aus dem Publikum fragte, was Steinbrück für die Chancengleichheit in der Bildung zu tun gedenke. "Chancengleichheit fängt im Alter von drei Jahren an", erklärte ihm der Politiker. Es brauche Kita-Plätze, Sprachförderung und in der Schule mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem. Jeder junge Mensch habe eine zweite Chance verdient, erklärt Steinbrück: "So wie ich. Ich bin sogar zweimal in der Schule hängen geblieben."

Bei Twitter gab es auch Kritik an den Antworten Steinbrücks

Die User stellten Fragen nach Start-up-Unternehmen - die will Steinbrück mehr fördern. Zum Mindestlohn kam nichts wirklich Neues: "Alle sollen von ihrer Hände Arbeit leben können." Ein Satz, der schon oft im Wahlkampf gefallen ist. Pflegekräfte würden zu schlecht bezahlt und ihre Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden. Auch das ein Aspekt, den Steinbrück in den letzten Wochen oft geäußert hat.

Und so gab es auch Kritik bei den Twitter-Nutzern: "Antworten direkt bekommt man hier nicht ! Lest das Wahlprogramm ! Habt ihr die Floskeln die hier abgeworfen werden! #fragPeer" schrieb @diamantschliff. Ähnliche Kritik kam auch von Nutzer Dennis Makoschey (@de_mako).

Rund 26 Fragen schaffte Steinbrück in circa einer Stunde. Er antwortete kurz, verwies auf Internetseiten: "Wenn du mehr wissen willst, kannst du das da lesen." Für lange Wörter oder Fachausdrücke entschuldigte sich der Kandidat mehrfach.

Peer Steinbrück wollte die Fragen nicht selbst auswählen

Die Fragen wählte Moderatorin und Journalistin Nana Brink aus. Da wollte Steinbrück auch nicht eingreifen, als Brink ihn fragte, ob er sich selbst eine Frage heraussuchen wolle. Auf die Frage, ob nur Tweets von SPD-Mitgliedern beantwortet werden, antwortete ein Sprecher der Partei im Vorfeld der Veranstaltung: "Wir wissen ja gar nicht, wer da fragt." Dafür sei Twitter zu anonym, viele Nutzer würden ja nicht ihren realen Namen verwenden.

WahlkampfBarack Obama und Hillary Clinton haben bereits zum Instrument der Twitter Town Hall gegriffen. Bei einer Veranstaltung im Juni 2011 wurden über 110.000 mit dem Hashtag #askobama verschickt. An diese Zahl kam Steinbrück nicht heran. Rund 1700 Tweets mit dem Hashtag #fragpeer zählte der Onlinedienst Topsy für den gesamt Tag.

Hat diese Form der Politikerbefragung eine Zukunft in der deutschen Politik? Die Idee, direkten Kontakt zu möglichen Wählern zu suchen, ist nicht neu. Mit der Einbindung sozialer Netzwerke kann es aber vielleicht gelingen, vor allem andere Bevölkerungsgruppen, eventuell mehr junge Menschen, anzusprechen. Hier kommen Fragen auf den Tisch, die die Nutzer unmittelbar bewegen. Es wäre wünschenswert, dass die Twitter Town Hall nicht nur eine reine Wahlkampfveranstaltung bleibt.