Berlin. Gut 60 Millionen Deutsche sind aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Das ist prinzipiell ganz einfach: zwei Kreuze auf dem Wahlzettel machen, fertig. Doch warum zwei Kreuze? Und warum kann man nicht Frau Merkel wählen? Wir räumen auf mit den größten Irrtümern rund um die Wahl.
Wählen ist nicht so einfach, wie es aussieht. Wie viele Kreuze darf ich setzen? Und wo müssen Sie hin? Und welche ist wichtiger? Wir haben die zehn größten Irrtümer rund um die Bundestagswahl zusammengetragen - und klären auf, was wirklich stimmt.
1) Alle Wahlkreise sind gleich groß.
Das wäre wünschenswert, ist aber nicht so. Bei der Bundestagswahl 2009 wohnten im größten Wahlkreis (Hamburg-Mitte) 374.000 Menschen, im kleinsten Wahlkreis (Deggendorf) dagegen nur 197.300 Menschen. Trotzdem wird aus beiden Wahlkreisen jeweils ein Abgeordneter entsandt.
Deshalb beschäftigt die Größe der Wahlkreise auch immer wieder das Bundesverfassungsgericht. Zuletzt entschied es, dass bei der Wahlkreiseinteilung nicht nur wahlberechtigte Bürger, sondern auch Kinder berücksichtigt werden müssen.
Verändert sich die Einwohnerzahl entscheidend, müssen die Wahlkreise neu zugeschnitten werden. Das schreibt das Wahlrecht vor.
2) Die Erststimme ist wichtiger als die Zweitstimme.
Der Name lässt so etwas vermuten, doch der Schein trügt: Die Zusammensetzung des Bundestags ergibt sich aus den Zweitstimmen. Mit dieser entscheiden die Bürger über die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag.
Die Erststimme dient dazu, den Kandidaten aus dem eigenen Wahlkreis zu bestimmen - und zwar nach einem einfachen Prinzip: Wer die meisten Stimmen bekommt, der gewinnt das Mandat. Der unterlegene Kandidat geht leer aus, auch wenn er nur eine Stimme weniger erhält.
Warum NRW-Bürger die CSU nicht wählen können
3) Alle Parteien treten in jedem Wahlkreis an.
Nein, das stimmt nicht. 299 Wahlkreise gibt es in Deutschland. Eine Partei, die in jedem Wahlkreis antreten möchte, bräuchte also auch knapp 300 Kandidaten. Zu viele für Klein- und Kleinstparteien. Sie treten nur in den Wahlkreisen an, in denen sie sich Hoffnung machen, auch etwas gewinnen zu können.
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Manche Parteien lassen ganze Bundesländer aus. Entweder, weil ihnen das Personal fehlt oder weil es Absprachen mit anderen Parteien gibt: Die CSU etwa steht nur in Bayern auf dem Wahlzettel. Dort wiederum tritt die CDU nicht an.
4) Wer im Ausland wohnt, darf nicht wählen.
Doch. Das Wahlrecht erlaubt jedem Deutschen zu wählen, auch wenn er im Ausland wohnt. Einzige Bedingung: Er muss innerhalb der letzten 25 Jahre mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gelebt haben. Während dieser Phase muss er mindestens 14 Jahre alt gewesen sein.
Allein die Stadt Mülheim verschickt 100 Wahlzettel an Auslandsdeutsche in aller Welt, zum Beispiel nach Kanada und Burundi. Die Zuständigkeit des Wahlamtes ergibt sich aus der Stadt, in der der Wähler zuletzt gemeldet war.
Herrenrunde vor der Bundestagswahl
Wo Peer Steinbrück und Angela Merkel tatsächlich zur Wahl stehen
5) Wähler können Peer Steinbrück und Angela Merkel nicht direkt wählen.
Für die meisten Wähler stimmt das. Sie können ihr (Zweitstimmen-)Kreuzchen zwar bei SPD oder CDU machen und mit der Erststimme auch einen Politiker wählen, der sich einem der Spitzenkandidaten verbunden fühlt. Doch die Namen Merkel oder Steinbrück suchen sie auf ihren Wahlzetteln vergeblich.
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Anders ist das in den Wahlkreisen Mettmann I und Vorpommern. In Mettmann tritt der SPD-Kandidat an, in Vorpommern die Kanzlerin. Merkel dürfte wenig Probleme haben, ihren Wahlkreis zu gewinnen. Bei den letzten Wahlen lag sie mit großem Abstand vorne. Anders sieht es bei Steinbrück aus, der das letzte Duell gegen die CDU-Politikerin Michaela Noll verlor.
6) Ungültige Stimmen beeinflussen das Wahlergebnis.
Das ist ein Mythos, der immer wieder verbreitet wird. Richtig ist es aber nicht. Wer seinen Wahlzettel mit einem Blümchen verziert, trägt zum Wahlergebnis genauso viel bei, wie derjenige, der zu Hause bleibt: nichts.
Denn bei der Auszählung der Stimmzettel werden nur die abgegebenen und gültigen Stimmen gewertet. Die ungültigen Stimmzettel werden nur der Vollständigkeit halber gezählt. Bei der letzten Bundestagswahl gaben über 600.000 Menschen einen ungültigen Stimmzettel ab.
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
Wer bestimmt, wann gewählt wird?
7) Nach Auszählung aller Stimmen steht der neue Bundeskanzler fest.
Natürlich nicht. Denn um den Bundeskanzler geht es bei der Bundestagswahl nicht. Zwar lässt der Wahlausgang gegebenenfalls Rückschlüsse darauf zu, wen der neue Bundestag zum Kanzler wählen könnte. Doch verlassen sollte man sich darauf nicht. Schließlich sind auch Patt-Situationen möglich, die ungewöhnliche Koalitionen oder sogar Neuwahlen nötig machen.
Bis das offizielle Ergebnis da ist, vergehen ohnehin mehrere Tage. Deshalb sind am Tag nach der Wahl auch noch alle Ergebnistafeln mit dem Wort "vorläufig" gekennzeichnet.
8) Den Wahltermin legt die Regierung fest.
So einfach ist das nicht. Zunächst einmal gibt das Grundgesetz den Rahmen vor: Frühestens 46 Monate, spätestens 48 Monate nach Beginn der Wahlperiode muss wieder gewählt werden, heißt es in Artikel 39.
Den genauen Wahltermin legt dann der Bundespräsident fest. Er lässt sich dafür allerdings von der Regierung einen Vorschlag unterbreiten, den diese zuvor mit den Ländern und den im Bundestag vertretenen Fraktionen abstimmen soll.
Schlägerei im Parlament
Um den genauen Termin gibt es regelmäßig Streit: So wollte bei der diesjährigen Wahl die CDU eigentlich eine Woche später wählen lassen. Doch die SPD war dagegen. denn zu dem Termin hätten in einigen Ländern bereits die Herbstferien begonnen und die Sozialdemokraten fürchteten, ihre Wähler könnten im Urlaub sein. Früher ging auch nicht, denn eine Woche zuvor wird in Bayern gewählt. Eine Kombi-Wahl wäre zwar billiger, aber mit dem bayrischen Selbstverständnis nicht vereinbar.
Für wen die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt
9) Mit weniger als fünf Prozent der Stimmen kommt eine Partei nicht in den Bundestag.
Generell ist das richtig, doch es gibt zwei Ausnahmen: Gelingt es einer Partei in mindestens drei Wahlkreisen das Direktmandat zu holen, ist die Sperrminorität aufgehoben.
Zuletzt profitierte davon die Linke (damals noch PDS) bei der Bundestagswahl 1994. Sie errang nur 4,4 Prozent der Zweitstimmen und wäre somit nicht im Bundestag vertreten gewesen. Da sie aber in Berlin vier Direktmandate holte, zog sie letztendlich doch mit 30 Abgeordneten in den Bundestag ein.
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Zudem sind bestimmte nationale Minderheiten von der Fünf-Prozent-Hürde befreit. Beispielsweise die Dänen in Schleswig-Holstein oder die Sorben in Sachsen und Brandenburg. Sie müssen lediglich so viele Stimmen bekommen, wie für einen Sitz im Bundestag nötig sind. Bei Bundestagswahlen hat das bislang nie geklappt, doch im schleswig-holsteinischen Landtag ist der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) immer mit einer Handvoll Abgeordneter vertreten.
10) Jeder Bundesbürger über 18 Jahren darf wählen.
Wie immer steckt der Teufel auch hier im Detail: Denn zwar darf grundsätzlich jeder Deutsche ab Vollendung des 18. Lebensjahres wählen, aber auch hier gibt es Ausnahmen: Behinderte, für die eine Betreuung zur Besorgung aller Angelegenheiten eingerichtet ist, dürfen nicht wählen.
Irrtümer des LebensAußerdem kann nach bestimmten politischen Verbrechen wie Hochverrat, verfassungsfeindlicher Sabotage oder Abgeordnetenbestechung das Wahlrecht für zwei bis fünf Jahre entzogen werden.