Essen. Mit dem Vorschlag eines “Veggie-Days“ in Kantinen haben die Grünen für Gesprächsstoff gesorgt. Doch das ist nicht die einzige ungewöhnliche Forderung für den Fall eines Wahlsieges. Auch die FDP zeigt Mut zu Randthemen. Und wie sieht's bei SPD und CDU aus? Ein Blick in die Parteiprogramme.
Ein fleischfreier Tag in den Kantinen? „Abstrus“ nennt die CDU den Grünen-Vorschlag nach der Auszeit für unsere Currywurst. Aber die Grünen kennen sich ja mit den empörten Reaktionen auf spektakuläre Forderungen gut aus. Sie sind Meister im Provozieren der Volksseele. Spätestens seit 1998…
Rückblende: Noch zwei Jahre bis zum Millennium. Weltuntergang? Computer-Versagen? Von wegen. In Magdeburg treffen sich die Grünen zum Bundesparteitag – und bringen die Nerven der Republik mit einer ganz anderen Nummer zum Flattern. Die Benzinsteuer soll so steigen, dass der Liter fünf Mark kostet, fordern sie.
Grünen-Forderungen im Wahlprogramm haben Aufreger-Potenzial
Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer hat sich erinnert, dass der prompt folgende Absturz in den Umfragen – ein Minus von zehn Prozentpunkten – nur deshalb nicht zum Scheitern bei der Bundestagswahl führte, weil die Grünen den Beschluss wieder reumütig kassiert haben. Zu viel ist eben zu viel.
Doch wenn das grüne Lager solche zerstörerischen Polit-Bomben auch nicht mehr zünden mag: Mutig ist die Truppe um Trittin und Göring-Eckhart immer noch. Im Vergleich zu den reichlich öde ausfallenden Wahlprogrammen von Union und Sozialdemokraten haben ihre Forderungen Aufreger-Potenzial. Zumindest in bestimmten Kreisen. Ein kurzer Blick in das Papier:
Streikrecht für Pfarrer und mehr Urwald für Deutschland
Pfarrer sollen streiken dürfen, Kirchengemeinden einen Betriebsrat bilden. Denn Mitarbeiter der Kirchen sollen „die gleichen Rechte erhalten wie andere Arbeitnehmer auch“.
Deutschland braucht, „perspektivisch“ zumindest, wieder „Urwald“. Zehn Prozent der Wälder im öffentlichen Besitz sollen von der Forstwirtschaft in Ruhe gelassen werden.
Keine Subventionen für Flughäfen mehr
Schützenvereine! In Deckung! Die Grünen wollen das Verbot „großkalibriger Faustfeuerwaffen als Sportwaffen“ durchsetzen.
Und diese Forderung bringt das Aus für den Flugbetrieb in Dortmund und Weeze, würde sie realisiert: Denn die Subventionierung von Airports aus öffentlichen Kassen soll es nicht mehr geben, verlangt die Öko-Partei.
Freie Wahl für Städte bei Tempo-30-Zonen
Städte sollen in eigener Regie festlegen dürfen, wo sie Tempo-30-Zonen einrichten oder auch „shared space“ – Straßen, in denen Autos, Räder und Fußgänger sich gleichberechtigt bewegen. Lastenfahrräder sollen staatliche Förderung bekommen.
Und den Bundestag wollen sie aufmischen. Mit der Forderung nach einer Frauenquote für Abgeordnete und mit einem neuen Wahlrecht: 16-jährige sollen das nationale Parlament mit wählen dürfen. Überhaupt soll Volk mehr mitreden: „Basta-Politik war gestern“, steht im Programm - in amüsanter Erinnerung an die gemeinsame rot-grüne Regierungszeit unter Gerhard Schröder.
FDP will GEZ abschaffen und Zahl der Öffentlich-Rechtlichen reduzieren
Vielleicht sind es eben die kleineren Parteien, die sich gerne mal ein bisschen Mut leisten. Ja, auch die FDP. Mit der Erwartung, 2016 bei den Staatshaushalten eine „schwarze Null“ zu erzielen und neben der Schuldenbremse auch eine „Steuerbremse“ einzubauen, liegt sie zwar im Mainstream des bürgerlichen Lagers.
Aber die Liberalen wollen auch mit der Forderung punkten, die TV-Gebühren abzuschaffen und sie durch einen „personenbezogenen“ Beitrag zu ersetzen. Auf jeden Fall soll der niedriger als heute ausfallen, die GEZ soll einpacken und die Zahl der öffentlich-rechtlichen Sender reduziert werden.
Homosexuelle sollen Blut spenden dürfen
Schwule sollen Blut spenden dürfen, fordert man bei Blaugelb, und es dürfe künftig keine Unterhalts- und Erbansprüche gegen anonyme Samenspender geben und in Wohngebieten eine „klare Regelung des Jugendlärms“ – was immer das ist.
Die Linken machen – nun ja, ein linkes Programm. Mit mehr Geld für Arbeitslose, mit großem Bildungsteil und einem „Recht auf Feierabend“. Und natürlich den Forderungen nach der „Abwicklung der Investmentbanken“ und der Verstaatlichung der Großbanken. Mit solchen Sätzen stehen sie in der Parteienlandschaft immerhin ziemlich alleine da.
Bei SPD und CDU findet sich wenig Mutiges im Parteiprogramm
Wie mutig sind dagegen die großen Volksparteien? Die Bilanz fällt verhalten aus. Auf je 120 Seiten schreiben CDU und SPD auf, was sie planen, wenn sie (wieder) regieren. Es sind viel Für und Wider, ein paar Unterscheidungen (in der Steuerpolitik, wo die Sozialdemokraten Erhöhungen wollen), beim Mindestlohn und bei der Mietpreisbremse, was alles SPD-pur ist.
„Kein Tempolimit“ und „keinen bevormundenden Staat“, verlangt die Union, sieht aber durchaus die Notwendigkeit, internationale Großkonzerne zu besteuern, wenn diese sich davor drücken (wohl gemeint: Google, Facebook) und eine Pflicht für Selbstständige einzuführen, für das Alter finanziell vorzusorgen.
Die Grünen müssen sich anstrengen , wenn sie in möglichen Koalitionsverhandlungen den Urwald durchsetzen wollen.