Essen. Es gibt tatsächlich keinen triftigen Grund, den Verkehr auf den Autobahnen weiter auszubremsen. Bereits jetzt gibt es genügend Reglements, Unfallschwerpunkte liegen woanders, und die positiven Wirkungen eines generellen Tempolimits auf die Umwelt sind gering.

Es klingt auf den ersten Blick so schlüssig, so einfach - und eigentlich machen es ja alle in Europa. Da kann es doch nicht falsch sein, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen zu fordern. Aber wie immer, wenn es etwas einfach erscheint, lohnt der Blick auf die Zahlen - um den Populismus hinter der Forderung zu entlarven: Generell sind die Schnelltrassen seit Jahren statistisch betrachtet die sichersten Strecken: Der Anteil an tödlichen Unfällen auf Autobahnen liegt bei sechs Prozent der Gesamtheit der Verkehrstoten - zudem ist die Zahl im vergangenen Jahr erneut um 30 Prozent gesunken - auch ohne Tempolimit. Der Riskoschwerpunkt liegt mit 60 % der anteiligen Verkehrstoten eindeutig auf den Landstraßen. Wenn man also an der Unfallstatistik signifikant etwas verändern möchte, liegt da der Handlungsbedarf - etwa durch verstärkte Geschwindigkeitskontrollen.

A propos Geschwindigkeit: Dass auf den Autobahnen hemmungslos gerast wird, davon kann ebenfalls keine Rede sein - wie jeder Autofahrer, der gerne zügig vorankommt, aus leidvoller Erfahrung weiß: Bereits jetzt gelten auf mehr als der Hälfte des rund 13.000 Kilometer langen Autobahnnetzes permanente oder zeitlich begrenzte Tempolimits (Baustellen!). Hinzu kommt, dass etwa 60 % der gefahrenen Kilometern auf deutschen Autobahnen auf Strecken stattfindet, die mit einem Aufkommen von über 40.000 Fahrzeugen/24 Stunden bereits jetzt überlastet sind. Will heißen: Selbst wenn beispielsweise die A40 im Ruhrgebiet von allen Tempolimits befreit würde, käme man dort weiterhin nicht schneller vorwärts als das bereits jetzt der Fall ist. Und so verhält es sich beinahe in alle größeren Ballungsgebieten. Die Durchschnittgeschwindigkeit auf den Autobahnen stagniert daher seit Jahren.

Tempolimit hilft nicht gegen Staus ...

Das liegt natürlich auch daran, dass vielerorts einfach gar nichts mehr geht - und man im Stau steht. Einer, der dem Stau seit Jahren akademisch und mathematisch zu Leibe rückt, ist Professor Michael Schreckenberg von der Uni Duisburg-Essen, und er sagt: Ein generelles Tempolimit von 120 oder 130 Stundenkilometern werde das Stauaufkommen nicht verringern. Einfacher Grund: Um Staus - etwa vor Baustellen oder bei hoher Verkehrsbelastung - zu verhindern, müsste das Tempo auf 60 oder 80 km/h verringert werden. Ein generelles Tempolimit sei da völlig wirkungslos. Eine flexible Verkehrsregelung dagegen, die das aktuelle Verkehrsaufkommen berücksichtigt, wäre an dieser Stelle sinnhafter. Freie Fahrt, wenn möglich, deutlich reduziertes Tempo, wenn's eng wird.

.... und der Umwelt auch nicht

Kommen wir zum letzten Punkt - den Umweltfolgen der vorgeblichen Raserei: Häufig wird das Argument bemüht, dass ein Tempolimit zu einer Verringerung des CO2-Aufkommens und der Lärmbelastung führe. Stimmt beides: Die Treibhausgase würden nach Berechnungen des Umweltbundesamtes erst bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h tatsächlich nennenswert sinken, die Lärmbelastung würde um ein halbes Dezibel zurückgehen. Wow. Was nämlich am meisten Krach macht, sind Lkw (die sowieso nur 80 fahren dürfen) und die Abrollgeräusche der Reifen auf dem Asphalt. Und die werden nicht wesentlich leiser bei langsamerer Fahrweise.

Alles in allem gibt es kein vernünftiges Argument für das Tempolimit - außer vielleicht die übliche rot-grüne Lust, die Bürger zu gängeln. Autobahnen sind dazu da, möglichst rasch von A nach B zu gelangen. Wo dies möglich ist, sollte man das nicht aus fadenscheinigen Gründen verhindern. Außerdem steigt die Unfallgefahr, wenn Autofahrer rammdösig werden, weil sie mit 120 oder 130 über leere Autobahnen kriechen müssen. Und übrigens: Auch in den anderen europäischen Ländern, so in Italien und Spanien, denkt man aufgrund der deutschen Erfahrungen über eine Lockerung des geltenden Tempolimits nach.