Essen/Berlin. Für ihre Anti-Merkel-Plakataktion erntet die SPD Kritik. Die Idee, sich auf großen Werbeflächen über die Kanzlerin zu mokieren, könnte schwer nach hinten losgehen, sagen Werbe-Experten. Eine Politikerin, die in der Handtasche kramt, sei nicht pfiffig, sondern langweilig.
Merkel-Fotos auf SPD-Plakaten – origineller Wahlkampfgag oder Schnapsidee? Experten aus Werbung und Marketing sind sich über die neue, auf die Kanzlerin abzielende Plakat-Kampagne der Sozialdemokraten jedenfalls einig: Der Schuss geht nach hinten los.
„Nehmen Sie nur das Plakat, auf dem die Bundeskanzlerin in ihrer roten Handtasche kramt, darunter der Slogan ,Privatsphäre – Neuland für Merkel?’. Das kapiert doch kein Mensch, was die SPD damit ausdrücken will, der Kontext wird überhaupt nicht klar“, kritisiert Stefan Wachtel von der Frankfurter Agentur ExpertExecutive, der Top-Manager berät und auf Auftritte vorbereitet. Außerdem: „Frauen kramen in ihren Handtaschen – das ist ein Stereotyp und hat fast das Niveau eines Herrenwitzes“, so Wachtel.
Dabei hält Wachtel den Ansatz der SPD, nämlich „auf Angriff umzuschalten“, für gar nicht so schlecht: „Das muss man machen, wenn man gewinnen will.“ Aber dann müsse der Witz auch sitzen, mit einem pfiffigen Plakat, das sich auf den ersten Blick erkläre. Die Plakate, die die Wahlkampfmacher der SPD jetzt ausgesucht hätten, seien dagegen „nur langweilig“. Wachtel: „Ich will nicht hoffen, dass die SPD dafür auch noch viel Geld bezahlt hat.“
Angriff ja, dumme Angriffe nein
Davon ist allerdings auszugehen. Insgesamt nehmen die Sozialdemokraten 23 Millionen Euro für ihren Wahlkampf in die Hand. Helfen wird es trotzdem wenig, findet auch Frank Dopheide, Chef der Düsseldorfer Agentur „Deutsche Markenarbeit“. Auch Dopheide ist der Meinung, die SPD sei gut beraten, jetzt auf Angriff zu schalten, „weil sie sonst die Kanzlerin nicht zu fassen kriegt“. Doch Angela Merkel zu plakatieren, um für die eigene politische Position zu werben? „Eine ziemlich dumme Idee“, findet der ehemalige Kreativdirektor der international tätigen Werbeagentur Grey.
Dopheide versteht nicht, warum die SPD nicht ausschließlich auf Steinbrücks Stärken – seine Wirtschafts- und Finanzkompetenz – setzt. In der Großen Koalition 2005 bis 2009 habe der SPD-Kanzlerkandidat als Finanzminister bewiesen, dass er davon eine Menge verstehe – und auf der Höhe der Finanzkrise 2008 darüber hinaus viel Sympathien sammeln können.
Wahlkampf mit der SPD
„Ein Plakat ist ein grausames Medium“
Die aktuelle Plakatkampagne sei „um die Ecke gedacht“ und funktioniere deshalb nicht. „Ein Plakat ist ein grausames Medium“, sagt Dopheide. Der Betrachter verbringe gerade einmal 1,8 Sekunden mit der Botschaft – zu wenig Zeit für komplexe Zusammenhänge. Und die gebe es bei der Merkel-Kampagne der SPD zuhauf.
Auch auf das Kompetenzteam der Kanzlerin einzuhauen und dabei auf die in die Kritik geratenen CDU-Minister Thomas de Maizière (Verteidigung) und Ronald Pofalla (Kanzleramt) zu zeigen, sei eher unglücklich. Immerhin sei Steinbrück auch für sein eigenes Schattenkabinett schon mehrfach kritisiert worden.
SPD weiterhin bei 22 Prozent
Die SPD müsse aufpassen, dass die Plakate der Kampagne nicht die einzigen sind, die neben den CDU-Werbeslogan plakatiert werden. Weil es sonst ganze Straßenzüge gebe, in denen nur Merkel zu sehen sei, sagt Dopheide.
Mit den Attacken gegen die Kanzlerin will die SPD das Ruder im Wahlkampf noch einmal rumreißen. Das wird schwer. Laut einer aktuellen Umfrage des Magazins „Stern“ und des Senders RTL kommt die Union auf 41 Prozent der Stimmen, die SPD muss sich mit 22 Prozent begnügen.