München. . Beim NSU-Prozess in München ist mittlerweile der 16. Verhandlungstag absolviert. Im Blick steht vor allem die Angeklagte Beate Zschäpe. Zuletzt mussten mehrere Zeugen eine Begegnung mit ihr im Jahr 2011 rekonstruieren. Zschäpe selbst offenbart durch kleine Gesten ihren Gemütszustand.

Es gibt viele Besonderheiten im NSU-Prozess in München: die Schwere der Verbrechen, die einmalig hohe Zahl der Nebenkläger oder natürlich die politische Dimension. Doch wenn man als Maßstab das öffentliche Interesse nimmt, so ist doch die mit Abstand größte Besonderheit eine 38-jährige Frau aus Jena: Beate Zschäpe.

Spätestens mit Prozessbeginn ist die Hauptangeklagte eine Top-Prominente. Dank der vielen Fotos und der stetig wechselnden Outfits, mit denen sie in den inzwischen 16 Verhandlungstagen auftrat, hat der Boulevard die Frau endgültig vereinnahmt, beginnend mit Bild-Schlagzeile: „Der Teufel hat sich schick gemacht“.

Unter den Besuchern, die sich inzwischen fast im Stundentakt abwechseln, ist die Hauptangeklagte auch die Hauptattraktion. Zschäpe-Watching nennt dies ein Journalisten-Kollege. Kaum jemand interessiert sich für die anderen Angeklagten, sei es nun Ralf Wohlleben, der in Pullover und mit Saft-Tetrapack ausgerüstet seine Stunden absitzt oder André E., der sich mit Biker-Bart und Sonnenbrille in seinem Stuhl fläzt.

Beate Zschäpfe zwischen Schweigen und Schwatzen

Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des sogenannten Terror-Trios, bietet dagegen eine gewaltige Projektionsfläche, zumal sie äußerst ausdauernd schweigt. Selbst am vorerst letzten Prozesstag, an dessen Ende sie angeblich zu erschöpft zum Zuhören war, ließ sie ihren maladen Zustand ausschließlich durch ihre Anwälte bekunden.

Das Redebedürfnis, das die Untersuchungsgefangene Zschäpe dennoch immer wieder zu verspüren scheint, befriedigt sie im Gespräch mit ihren Anwälten. Mit ihnen schwatzt sie während der Verhandlung meist dann, wenn es direkt um sie geht. NSU

Und es geht oft um sie: In der vergangenen Prozesswoche mussten sich mehrere Zeugen, die wahrscheinlich Zschäpe im Jahr 2011 in Zwickau trafen, zu ihrem damaligen Aussehen äußern. Zwei Handwerker und ein Hausverwalter diskutierten auf Geheiß des Vorsitzenden Richters die Haare, die Figur und das Gesicht jener Frau, die ihnen im Gerichtssaal nur fünf Meter entfernt direkt gegenüber saß. Oft genug wussten weder Zeugen noch Angeklagte, wohin sie noch schauen sollen.

Ein kurzer Gruß unter Gefangenen

Dabei kommuniziert Beate Zschäpe durchaus nonverbal, mit Mimik und Gesten. Ihre Gesichtsausdruck kann binnen weniger Sekunden von gelangweilt über belustig zu irritiert wechseln. Oft mustert sie aufmerksam das Publikum oder die Anwälte der Nebenklage.

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Nur zu ihren Mitangeklagten schaut sie nie. Das heißt: fast nie. Am 16. Prozesstag funktionierte die Steckdose an der Anklagebank nicht mehr; der Laptop, auf dem Zschäpe die Prozessakten lesen kann, bekam keinen Strom. Also unterbrach der Vorsitzende Richter die Sitzung, damit das Problem behoben werden konnte.

Während ein Techniker an Zschäpes Platz herumfuhrwerkte, lehnte sich die Angeklagte an die Richterbank – und suchte plötzlich den Blick von Wohlleben, der sonst hinter ihr sitzt. Der Jenaer hob darauf die rechte Hand, die auf dem Tisch lag, kurz an. Es war ein kurzer, fast unmerklicher Gruß unter Gefangenen, der von Zschäpe aber doch bemerkt wurde. Ihr Mund verzog sich zu einem sehr deutlichen, sehr erfreuten Lächeln – das mehr mitteilte als sie je hätte sagen können.