München/Dortmund. Im NSU-Prozess wollen Nebenkläger Verbindungen der Rechtsterroristen zur Neonazi-Szene in Dortmund und Kassel prüfen. Es bestünden Anhaltspunkte, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahr 2006 auf einem Konzert der rechten Band “Oidoxie“ gewesen seien, behauptet Nebenklage-Anwalt Thomas Bliwier in einem Beweisantrag, den er am Montag vor dem Oberlandesgericht München stellte.

Der Brief von Beate Zschäpe an einen Bielefelder Häftling könnte ein juristisches Nachspiel haben. Zu Beginn des 14. Verhandlungstages des NSU-Prozesses in München beantragte ein Nebenklage-Vertreter, den Adressaten des Briefes vorzuladen. Es handele sich bei Robin S. um ein früheres, gewaltbereites Mitglied der Dortmunder Neonazi-Szene mit mutmaßlichen Kontakten zum NSU, sagte Thomas Bliwier.

Der Anwalt beantragte zudem, frühere Neonazi-Freunde von Robin S. als Zeugen zu laden, darunter Sebastian S. aus Dortmund und Benjamin G. aus Kassel. Die drei Genannten sollen sich Mitte März 2006 in Kassel bei einem rechtsextremistischen Konzert mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos getroffen haben – also unmittelbar vor den Morden an Mehmet Kubasik in Dortmund am 4. April und Halit Yozgat in Kassel am 6. April 2006.

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Für Bliwier, der die Familie von Yozgat vertritt, ist besonders brisant, dass Sebastian S. und Benjamin G. als Informanten dem Verfassungsschutz zuarbeiteten. V-Mann-Führer von Benjamin G. war wiederum der hessische Geheimdienst-Beamte Andreas T. – der exakt zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat als Gast in dessen Internet-Café saß.

Verbindungen zwischen Neonazi-Szenen in Dortmund und Kassel

„Beate Zschäpe hat mit ihrem Brief an Robin S. diesen Prozess unfreiwillig voran gebracht“, sagte Bliwier unserer Zeitung. Nun ergebe sich eine noch klarere Verbindung zwischen der rechtsextremistische Szene in Kassel und Dortmund sowie den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU).

„Dank der neuen Erkenntnisse glaube ich endgültig nicht mehr an Zufälle“, sagte der Anwalt. Zschäpe habe seiner Ansicht nach aus dem Gefängnis ganz gezielt mit Robin S. Kontakt gehalten.

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Bild Ruhrnachrichten
Von Martin von Braunschweig und Peter Bandermann

Robin S. war im Jahr 2007 zu acht Jahren Haft verurteilt worden, nachdem er bei einem Raubüberfall aus einen Supermarkt einen Tunesier mit mehreren Pistolenschüssen schwer verletzt hatte. Als Anstifter der Tat bezeichnete er während des damaligen Prozesses Sebastian S. – den V-Mann des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Verfassungsschutz.

Was hätte der Verfassungschutz wissen müssen?

Auch die möglichen Verbindungen zwischen dem NSU und dem Verfassungsschutz behandelte Bliwiers Antrag, den früheren Thüringer NPD-Funktionär Tino Brandt als Zeugen zu laden. Der Angeklagte Carsten S. hatte zuvor im Prozess ausgesagt, im Jahr 1999 und 2000 seinen Bekannten Brandt – der damals der wichtigste V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes war – über seine Kontakte zu Böhnhardt und Mundlos informiert zu haben. „Es geht uns um die Frage, was die Dienste hätten wissen müssen oder zumindest können – oder ob sie sogar wohlwollend weggeguckt haben“, sagte Bliwier.

Der rechte Terror der NSUNach den Anträgen wurde die Verhandlung mit den ersten Zeugenvernehmungen fortgesetzt. Allerdings waren nicht wie ursprünglich geplant jene Polizisten geladen, die Zschäpe verhaftet im November 2011 hatten. Stattdessen wurden Beamte vernommen, die mit dem zweiten bisher bekannten NSU-Mord im Juni 2001 befasst waren. Damals war Abdurrahim Özüdogru erschossen in seiner Änderungsschneiderei in Nürnberg aufgefunden worden.