Düsseldorf/Essen. . Wer NRW regieren will, muss an der Ruhr gewinnen. Das Ruhrgebiet mit seinen fünf Millionen Einwohnern ist entscheidend für Sieg und Niederlage bei der Landtagswahl am 13. Mai. SPD-Frontfrau Hannelore Kraft hat hier ein Heimspiel. CDU-Mann Norbert Röttgen tut sich dagegen schwer, die Menschen zu erreichen.

Das Ruhrgebiet mit seinen fünf Millionen Einwohnern entscheidet über Sieg und Niederlage bei der Landtagswahl am 13. Mai – entsprechend hart haben sich SPD und CDU im Revier bekämpft. Die Sozialdemokraten setzten dabei auf traditionelle SPD-Themen und umwarben Arbeiter Gewerkschaften. Hannelore Kraft setzte sich von der Agenda-Politik der SPD unter Gerhard Schröder ab. Ihre heutige Abschlusskundgebung mit viel Parteiprominenz hat die SPD ins Revier, nach Bochum, gelegt.

CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen verzichtete dagegen auf die „Arbeiterführer“-Strategie von Ex-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der bei der Landtagswahl 2005 bei den Arbeitern mehr Stimmen holte als die SPD. Stattdessen setzt Röttgen auf das Wahlkampfthema „Sparen“. Die Abschlusskundgebung der CDU mit Kanzlerin Merkel findet heute in Düsseldorf statt.

Wer NRW regieren will, muss an der Ruhr gewinnen. Das ist fast ein Naturgesetz. Deshalb schlüpfte Jürgen Rüttgers einst in die Rolle des „Arbeiterführers“. Deshalb bescherte die Eroberung „roter“ Rathäuser in Essen, Duisburg, Gelsenkirchen der CDU eine Zeit lang große Hoffnung. Doch der Wind hat sich gedreht.

Kraft plaudert kumpelig-locker am Biertisch

Frank Baranowski, der Chef der Ruhr-SPD, rechnet vor: „Bei der Landtagswahl vor zwei Jahren hat die SPD im Revier 8,6 Prozent besser abgeschnitten als im Landesschnitt. Das zeigt: Ohne diese Stimmen geht gar nichts.“ Der Vorteil der Sozialdemokraten: Hannelore Kraft, die Mülheimerin, hat im Revier ein Heimspiel. Und sie schaufelt einige Gräben zu, die Schröder, Clement, Steinbrück hier mit ihrer Agenda-Politik aufgerissen haben. Am 1. Mai, auf der Kundgebung im Westfalenpark, spürten es alle: SPD und Gewerkschaften schmusen wieder. Kraft sagt, was das linke Lager gern hört: „Mindestlohn, sichere Jobs, gute Bildung für alle“.

Kraft plaudert kumpelig-locker am Biertisch, Gewerkschafts-Chef Andreas Meyer-Lauber lobt die „liebe Hannelore“. „Für uns ist es wichtig, dass Wähler, die wegen der Agenda woanders hingegangen sind, zurückkehren. Die SPD hat zu ihren Themen zurückgefunden. Vor fünf oder zehn Jahren war das anders“, sagt Baranowski. Es geht um die verbliebenen Malocher, um kleine Leute, Jobber, Migranten.

Pleite-Städte fühlten sich von Schwarz-Gelb allein gelassen

Zugpferd Nummer zwei im sozialdemokratischen Kampf ums Revier ist Arbeitsminister Guntram Schneider, ein rustikaler Mann mit Arbeiter-Tonlage und Metaller-Vergangenheit. Schneider macht klassischen Straßenwahlkampf: in Dortmund-Hörde, Lütgendortmund, Barop. Mit Bratwurst, Bier und BVB-Schal. Hier, wo sie die Latte-Macchiato-Typen nicht so schätzen, kommt das an.

Auch bei der CDU weiß man, dass der Weg zur Mehrheit in NRW immer durch das Ruhrgebiet führt. Der frühere CDU-Landeschef und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hatte eine Rechenformel ermittelt, nach der seine Partei zwischen Duisburg und Unna mindestens 30 Prozent gewinnen müsse, um im gesamten Land erfolgreich sein zu können. Rüttgers betonte die christsoziale Tradition der NRW-CDU, nahm Anleihen bei Johannes Rau, wollte der SPD als „Arbeiterführer“ das Revier streitig machen.

Als Rüttgers 2007 von vielen Bürgern für den „bekanntesten Sozialdemokraten“ im Land gehalten wurde, schien ein historischer Verdrängungsprozess im Gange. Irgendwann jedoch verfingen Sozialrhetorik und Bilder wie jenes von Rüttgers mit Megafon vor dem Bochumer Opel-Werkstor nicht mehr. Die Union hatte gerade hier die kommunale Basis verloren. Viele Pleite-Städte fühlten sich von Schwarz-Gelb allein gelassen.

CDU mit mehr Revier-Kandidaten?

CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen versucht erst gar nicht, an die „Arbeiterführer“-Strategie anzuknüpfen. Kumpeln liegt dem kühlen Bundesumweltminister nicht, zudem hat er das eher sperrige Thema „Sparen“ zum Hauptanliegen gemacht. Im Revier, das ermüdet wirkt von jahrzehntelangen Kürzungsappellen, kommt solch ein Wahlkampf schnell blutleer daher. Die Umfragen verheißen Röttgen im Revier ein Debakel.

Kurios: Würde die CDU landesweit wenige Direktwahlmandate gewinnen, zögen wieder mehr Kandidaten aus dem Ruhrgebiet über die Reserveliste in den Landtag ein. Bislang konnten die beiden einzigen Wahlkreis-Gewinner aus dem Revier, Manfred Kuhmichel (Essener Süden) und Josef Hovenjürgen (Haltern) in Sitzungspausen nicht einmal Skat spielen.