Essen. . Am Mittwoch nahm die Bundespolizei in Düsseldorf Carsten S. fest, der ein Helfer des Terror-Netzwerkes Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) sein soll. Bei der Aids-Hilfe in Düsseldorf fiel man aus allen Wolken: Hier hatte S. gearbeitet, ohne weiter aufzufallen.
Die Spur der rechtsterroristischen Vereinigung NSU aus Ostdeutschland nach Nordrhein-Westfalen wird breiter. Am Mittwoch nahmen Beamte der GSG 9 in Düsseldorf Carsten S. fest. Zudem durchsuchten Beamte des Bundeskriminalamts und des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen die Wohnung des 31-Jährigen im Stadtteil Oberbilk. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt Carsten S. der Beihilfe zu sechsfachem Mord durch den rechtsterroristischen „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).
Wie die WAZ Mediengruppe berichtete, hatte Carsten S. bis mindestens zum Jahr 2000 enge Kontakte zu den drei in Sachsen abgetauchten Mitgliedern des Terror-Trios Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Carsten S. war wie die Terroristen Mitglied des „Thüringer Heimatschutzes“ in Jena.
War er die „maßgebliche Kontaktperson“?
Nach Angaben des Verfassungsschutzes war Carsten S. zusammen mit dem bereits im November inhaftierten Ralf Wohlleben „maßgebliche Kontaktperson“ der untergetauchten NSU-Mitglieder. Zeitweise galt Carsten S. als einziger Verbindungsmann des Terrortrios in die Legalität. Carsten S. soll die Terroristen mit Geld versorgt haben und nach neuen Verstecken gesucht haben. Die Terroristen schätzten die Untergrundarbeit von Carsten S.. Er galt als „gut und korrekt“. Der Verfassungsschutz notierte, Carsten S. habe mindestens einmal – im April 1999 – Spendengelder für das Terrortrio nach Sachsen transferiert.
Der WAZ Mediengruppe hatte Carsten S. mitgeteilt, er sei im Jahr 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen. „Nach 2000 hatte ich keinen Kontakt mehr zur rechten Szene.”
Enge persönliche und ideologische Verbindung
Die Bundesanwaltschaft sieht das anders. Die Ermittler stellten fest, Carsten S. habe bis mindestens 2003 Kontakte in „rechtsradikale Kreise“ unterhalten. Weiter soll er den NSU-Terroristen im Jahr 2001 oder 2002 eine Schusswaffe nebst Munition verschafft haben. Konkret soll Carsten S. eine Faustfeuerwaffe und Munition in Jena gekauft und anschließend an Ralf Wohlleben weitergegeben haben, der die Waffe über einen Kurier nach Sachsen zu den NSU-Terroristen nach Zwickau bringen ließ. Die Bundesanwaltschaft sagte: Carsten S. habe „angesichts seiner engen persönlichen und ideologischen Verbindung zu den NSU-Mitgliedern billigend in Kauf genommen, dass die Schusswaffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden könnte.“ Bislang sei allerdings noch nicht klar, ob die Waffe tatsächlich für Terroranschläge verwendet wurde.
Der WAZ Mediengruppe sagte Carsten S.: „Ich hatte keine Kenntnis von Straftaten, die von dieser Gruppe ausgingen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, da ich vor elf Jahren ein neues Leben begonnen habe.“ Carsten S. zog im Sommer 2003 aus dem Osten nach Hürth bei Köln. Im Dezember des Jahres wechselte er nach Düsseldorf. Hier studierte er an der Fachhochschule Sozialwissenschaften und wollte dort im Jahr 2004 Schwulenreferent werden.
Nach seinem Studium arbeitete Carsten C. für die AIDS-Hilfe in Düsseldorf. Dort beriet er Homosexuelle in Gesundheitsfragen und verteilte auf Partys Kondome. Eine Mitarbeiterin der AIDS-Hilfe sagte, sie sei „aus allen Wolken gefallen“, als Carsten S. verhaftet wurde. Er sei ein guter Mitarbeiter gewesen. S. ist auch auf einer NRW-Regierungswebsite für engagierte Bürger erwähnt. Unter "Bürgerschaftliches Engagement" ist ein Projekt der Düsseldorfer Aids-Hilfe an Schwulen-Treffpunkten verzeichnet. Als Kontakt ist eine E-Mail-Adresse von S. angegeben. "Die ehrenamtlichen Helfer zeichnen sich durch eine hohe kommunikative Kompetenz aus", heißt es. Herausgeber der Internetseite ist das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen.
Zusammenhang mit Anschlag in Düsseldorf wird untersucht
Die Rechtsterroristen des NSU verübten im Jahr 2004 einen Sprengstoffanschlag in Köln, bei dem zwei Dutzend Menschen verletzt wurden. Im Jahr 2006 erschossen sie einen Kioskbesitzer in Dortmund. Insgesamt töteten die Terroristen im gesamten Bundesgebiet zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin. Weiter untersuchen die Ermittler einen möglichen Zusammenhang zu einem Terroranschlag auf die S-Bahn-Station Düsseldorf-Wehrhahn, bei dem im Jahr 2000 ein ungeborenes Kind getötet und zehn Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden.
Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes brauchten die Terroristen Unterstützer in der Legalität, um ihre Morde durchführen zu können. (mit dapd)
Chronik der Fahndung nach den NSU-Terroristen