Berlin. Der Bundestag beschließt am Donnerstag einstimmig einen Rechtsterror-Ausschuss. Das Gremium soll Hintergründe der Zwickauer Terrorzelle und ein mögliches Versagen der Sicherheitsbehörden aufklären.

In seltener Eintracht haben die Fraktionen im Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Rechtsterrorismus beschlossen. Die Abgeordneten votierten am Donnerstag einstimmig für einen zuvor gemeinsam formulierten Antrag. Es ist der 39. Untersuchungsausschuss in der Geschichte des Bundestages. Auch in Thüringen beschloss der Landtag die Einsetzung eines solchen Ausschusses zu diesem Thema.

Das parlamentarische Gremium soll die Hintergründe der sogenannten Zwickauer Terrorzelle sowie mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden aufklären. Dem Terroristentrio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt werden zahlreiche Morde an Ausländern bundesweit zur Last gelegt. Mehr als ein Jahrzehnt lang konnten sie ihre Straftaten unerkannt verüben. Die beiden Männer sind tot, Zschäpe sitzt seit geraumer Zeit in Untersuchungshaft.

Auch eine Bund-Länder-Expertenkommission soll eingesetzt werden. Ein Sonderermittler wird die Arbeit des Bundestagsausschusses unterstützen, dem 11 Abgeordnete angehören werden. Die Union stellt vier Mitglieder, die SPD drei, die FDP 2, Grüne und Linke jeweils ein Mitglied. Die beiden kleinen Oppositionsparteien scheiterten mit dem Vorhaben, den Proporz zu ändern, um mehr Einfluss im Ausschuss ausüben zu können.

Altmaier kritisiert Linke scharf

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier, würdigte in der Plenardebatte, dass sich alle Faktionen auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hätten. Man solle sich nun nicht "zerstreiten über einzelne prozeduale Fragen", sagte Altmaier. Für seine Fraktion kündigte er eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" an.

Altmaier warf allerdings der Linkspartei vor, sie habe sich in ihrer 20-jährigen Zugehörigkeit zum Bundestag nicht von "antisemitischen, antieuropäischen und antiamerikanischen Tendenzen" distanziert. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass Bundestagsabgeordnete der Linken vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, bezeichnete es als einen "deprimierenden Befund", dass die Sicherheitsbehörden die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle nicht verhindern konnten - "obwohl es möglich gewesen wäre". Er kritisierte, es habe "eine ganze Kette" von Fehlern und Nachlässigkeiten gegeben. Dies habe es den Terroristen leicht gemacht, die Verbrechen zu begehen. Oppermann forderte, der Ausschuss müsse Vorschläge unterbreiten, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen könnten.

FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff bekräftigte, die Bürger hätten einen Anspruch auf Aufklärung. Man müsse nun Fragen stellen wie: "Wer wusste was? Wer hat für den Dilettantismus der Sicherheitsbehörden die Verantwortung? Wie können wir den braunen Sumpf trocken legen?"

Wachsende Gewaltbereitschaft der Rechten

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sagte, der Bundestag schulde den Opfern und deren Angehörigen eine "vorbehaltlose Aufklärung".

Wie die Linken kritisierten auch die Grünen den Proporz des Ausschusses. So fragte Volker Beck, der Parlamentarische Geschäftsführer, in die Reihen der Abgeordneten von Union, SPD und FDP hinein: "Warum fürchtet jemand das gemeinsame Beweisantragsrecht zweier kleiner Fraktionen?" Grüne und Linkspartei können nach dem nun beschlossenen Schlüssel keine Beweisanträge aus eigener Kraft einbringen. Dennoch stimmten die Grünen im Bundestag für die Einsetzung des Gremiums.

Mit Blick auf die Ereignisse der Zwickauer Terrorzelle und vermeintliche Ermittlungspannen kritisierte auch Beck die deutschen Sicherheitsbehörden scharf. "Das ist eine Tragödie, die nicht wieder gut zu machen ist." Das Vertrauen in den Rechtsstaat sei "bei Teilen unserer Bevölkerung nachhaltig erschüttert worden".

Der designierte Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy, betonte, wie alarmierend die Lage mit Blick auf das rechte Spektrum sei: Zum einen sei bei den Rechtsextremen eine Verjüngung der Akteure festzustellen, zum anderen wachse die Gewaltbereitschaft der Neonazis. Das Bundeskriminalamt suche derzeit per Haftbefehl 159 deutsche Rechtsextremisten. Edathy erinnerte daran, dass schon 2003 eine süddeutsche Neonazi-Kameradschaft Terroranschläge geplant hatte. "Die Beteiligen sind verurteilt worden wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung", sagte Edathy. "Es ist also nicht so, dass es keine Vorläufer gegeben hat." (dapd)