Frankfurt/Main. Die Wahlen 2011 brachten den ersten grünen Ministerpräsidenten und eine Reihe veränderter Koalitionen. Die politische Landkarte in Deutschland hat sich deutlich verändert.
Der erste Ministerpräsident der Grünen, drei neue Regierungschefs und vier veränderte Koalitionen: Das Wahljahr 2011 hat die politische Landkarte in Deutschland deutlich verändert. Sieben Landtagswahlen standen auf dem Kalender: in Hamburg, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Im Vergleich dazu können die Parteistrategen im kommenden Jahr aufatmen. 2012 wird nur am 6. Mai im nördlichsten Bundesland Schleswig-Holstein ein neues Landesparlament bestimmt.
Das Wahljahr 2011 beginnt am 20. Februar mit der vorgezogenen Neuwahl der Hamburger Bürgerschaft. Grund war das Platzen der schwarz-grünen Koalition im Rathaus der Hansestadt nur wenige Monate nach dem Rücktritt des CDU-Bürgermeisters Ole von Beust. Sein Parteifreund und Nachfolger Christoph Ahlhaus verliert die Landtagswahl mit Pauken und Trompeten. Der frühere Arbeitsminister Olaf Scholz holt mit 48,4 Prozent für die SPD die absolute Mehrheit der Sitze. Sowohl die CDU als auch ihr ehemaliger Juniorpartner Grüne werden in die Opposition verbannt.
Mit ihrer neuen Spitzenkandidatin Katja Suding schneidet die FDP in Hamburg noch gut ab und kehrt bei einem Stimmenanteil von 6,7 Prozent nach mehrjähriger Abwesenheit ins Landesparlament zurück. Bei allen folgenden Landtagswahlen des Jahres erleiden die Liberalen dagegen schmerzliche Niederlagen und fliegen aus dem Landtag oder der Regierung.
Historische Veränderung in Baden-Württemberg
An der Fünf-Prozent-Hürde scheitert die FDP auch in Sachsen-Anhalt, wo bei der Wahl am 20. März die große Koalition aus CDU und SPD bestätigt wird und sich auf die Fortsetzung der gemeinsamen Regierungsarbeit verständigt. Gleichwohl gibt es einen Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten, weil der CDU-Politiker Wolfgang Böhmer mit nunmehr 75 Jahren nicht mehr antrat. Sein Nachfolger wird mit dem bisherigen Wirtschaftsminister Reiner Haseloff wiederum ein CDU-Politiker.
Die grundlegendste politische Veränderung gibt es zweifellos in Baden-Württemberg, wo nach dem erbitterten Streit um den Bahnhof "Stuttgart 21" bei der Landtagswahl am 27. März CDU und FDP den Gang in die Opposition antreten müssen. Stattdessen wird im "Ländle" die erste grün-rote Koalition in einem deutschen Bundesland gebildet. Ministerpräsident wird als bundesweit erster Regierungschef dieser Partei der Grüne Winfried Kretschmann. Der verliert zwar Ende November die Volksabstimmung über den angestrebten Stopp des Projekts "Stuttgart 21", doch tut dies dem Fortbestand der Regierungskoalition mit der SPD keinen Abbruch, die in dieser Frage anderer Meinung ist.
Im Schatten dieser historischen Veränderung steht die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am selben Tag. Der dienstälteste Ministerpräsident Kurt Beck verliert dabei zwar seine absolute SPD-Mehrheit im Mainzer Landesparlament. Er bildet aber eine Koalition mit den Grünen und kann weiter regieren.
Wiedereinzug der NPD im Schweriner Landtag
Gar keine politische Veränderung gibt es am 22. Mai bei der Bürgerschaftswahl in Bremen, wo die rot-grüne Koalition unter dem sozialdemokratischen Bürgermeister Jans Böhrnsen ihre Mehrheit verteidigen und auch den neuen Senat bilden kann. Ein Novum gibt es dennoch: Erstmals landen die Grünen bei einer Landtagswahl vor der CDU.
Ähnlich bleibt auch in Mecklenburg-Vorpommern die große Koalition unter Führung des SPD-Ministerpräsidenten Erwin Sellering im Amt. Obwohl rechnerisch auch eine rot-rote Koalition mit der Linkspartei möglich wäre, entscheiden er und seine Partei sich nach der Landtagswahl am 4. September für die Fortsetzung der Regierung mit der CDU. Wenig Freude bei den anderen Parteien löst indes der Wiedereinzug der rechtsextremistischen NPD mit 6,0 Prozent in den Schweriner Landtag aus. Dagegen scheitert die FDP auch im Nordosten an der Sperrklausel, während die Grünen mit 8,4 Prozent hereinkommen und damit erstmals in allen 16 Landesparlamenten vertreten sind.
Den Abschluss des Wahlreigens bildet am 18. September die Abstimmung über das neue Berliner Abgeordnetenhaus. Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast verfehlt klar das erklärte Ziel, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit abzulösen, dessen SPD trotz Verlusten wieder stärkste Partei wird. Während die FDP mit 1,8 Prozent ein katastrophales Ergebnis einfährt, schaffen die Piraten mit 8,9 Prozent deutlich den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Für eine Fortsetzung der rot-roten Koalition mit SPD und Linkspartei reicht es nach der Wahl aber nicht mehr, und die Verhandlungen über Rot-Grün scheitern an drei Kilometer Autobahn. Stattdessen holt Wowereit die CDU als neuen Koalitionspartner ins Boot. (dapd)
Alle Texte und Bilder zum Jahresrückblick finden Sie in unserem Spezial.