Berlin. Der beliebte sozialdemokratische Oberbürgermeister von München fordert Bayerns Ministerpräsidenten Seehofer heraus. Der CSU droht Unerhörtes: echte Konkurrenz um das höchste Amt, das bislang die CSU für sich gepachtet hat.
Unerhörtes droht der CSU: echte Konkurrenz. Die SPD hat am Freitagmittag Christian Ude offiziell als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013 gekürt. Der Oberbürgermeister von München ist so populär, dass er in Umfragen – mindestens – auf Augenhöhe mit Horst Seehofer ist. Am Samstag zieht die CSU auf einem Parteitag nach. Seehofers Wiederwahl als ihr Vorsitzender steht an. Ein „starkes Signal“ für den Ministerpräsidenten wird erwartet.
Die Landtagswahl 2013 wirft schon ihren Schatten voraus. Beim letzten Mal büßte man die absolute Mehrheit ein. Der Blick zum Nachbarn zeigt, dass es noch tiefer gehen kann: In Baden-Württemberg haben Grüne und SPD die CDU von der Macht verdrängt. Nun geht im Freistaat das Gespenst um, das Gespenst von Rot-Grün.
Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel heute vor den 1000 Delegierten der Schwesterpartei redet – der Auftritt hat Tradition –, dürfte die CDU-Chefin gute Miene zum bösen Spiel machen. Merkel wird gerade in Nürnberg nicht entgehen, wie sehr sich die CSU von ihr absetzt. Zum einen wird sich der Parteitag für eine Pkw-Maut stark machen, ein Vorhaben, das nicht auf der Agenda ihrer Koalition steht. Zum anderen sollen die CSU-Delegierten einen Antrag beschließen, der vorsieht, dass Schuldenstaaten künftig aus der Euro-Zone ausgeschlossen werden können.
Nicht auf Merkels Linie
Das ist weder Merkels Linie noch ist es juristisch klar. Darum geht es nicht. Um das Signal geht es. Anders als die CDU-Kanzlerin gab die CSU Griechenland auf. Anders als die Schwesterpartei sucht man nach der Eurokrise das Heil mitnichten darin, die EU – nun erst recht – zu vertiefen. Im Gegenteil: Merkels „scheitert der Euro, scheitert Europa“ ist Seehofer und Teilen der CSU fremd. Seehofer wie Ramsauer überbieten sich darin, rote Linien zu Merkels Krisenmanagement zu ziehen. Und die Partei schickt sich gar an, einen notorischen Euro-Nörgler nach vorne zu schieben: Peter Gauweiler.
Insider geben dem Münchener gute Chancen, sich in einer Kampfkandidatur gegen Peter Ramsauer durchzusetzen und den Verkehrsminister als CSU-Vize abzulösen. Das müsste die Kanzlerin wiederum umtreiben. Schließlich verhätscheln die Christsozialen einen Gegner ihres Krisenmanagements und strafen ein Kabinettsmitglied ab, das aller Verbalrhetorik zum Trotz zuletzt treu und brav für den Euro-Rettungsschirm EFSF stimmte.
Euro-kritischer Kurs
Gauweiler ist zwar ein bunter Hund, aber im Bundestag bloß ein Hinterbänkler. In den Medien findet er heute schon Gehör, wie groß wird die Resonanz erst für einen CSU-Vizechef sein? Er fühlt sich auf den Plan gerufen. Denn: „Die Zeiten, in denen sich Parteien leisten konnten, nicht auf Volkes Stimme zu hören, sind vorbei.“ Mit einem Euro-kritischen Kurs könnte die CSU Wahlen gewinnen. Die Devise beherzigen Seehofer wie Gauweiler. Sogar Ramsauers Zustimmung zum dauerhaften Euro-Rettungsmechanismus ESM ist nicht selbstverständlich.
Turnusgemäß sollte 2013 nicht nur im Freistaat Bayern, sondern auch im Bund gewählt werden. Aber die Parallelität der Ereignisse macht der CSU Angst. Angela Merkel und ihre Koalition sind keine Werbung mehr oder allenfalls indirekt: Es hilft, sich von ihr abzusetzen.
Schwierige Zeiten
Man müsse kein Pessimist sein, um zu erkennen, „dass die CSU schwierige Zeiten durchlebt“, so Peter Gauweiler. Er sehe in Umfragen, dass eine Regierungsbildung ohne sie nicht mehr ausgeschlossen sei. Die Angst beflügelt ihn – und treibt SPD-Mann Christian Ude an.