Berlin. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall hält der Bevölkerungstrek von Ost nach West immer noch an. Das belegt eine aktuelle Analyse. Eine Umkehr des Trends ist demnach nicht in Sicht. Vor allem Hochqualifizierte packen ihre Koffer. NRW ist bei den Ostdeutschen jedoch weniger beliebt.
Der Aderlass Ostdeutschlands ist auch 20 Jahre nach dem Mauerfall nicht zu stoppen. Der Wegzug junger Leute nach Westen hält an. Die Geburtenzahl bleibt niedrig. Das geht aus einer Analyse des Instituts für Bevölkerungsforschung hervor, die der WAZ vorliegt: „Eine Umkehr des Trends ist nicht in Sicht." Und: „Auch für die Zukunft muss mit rückläufigen Zahlen gerechnet werden." Zunehmend packen Hochqualifizierte ihre Koffer.
Das alles passiert bei gleichzeitig spürbarer Erholung der Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote Ost ist auf den niedrigsten Stand seit 1991 gerutscht.
Mit den Feststellungen des Instituts werden Hoffnungen zerstört, dass sich das Gebär- und Abwanderungsverhalten auf Dauer wieder umkehrt – trotz der Zahlungen, die noch bis 2019 für den Aufbau Ost vereinbart sind und die sich bis jetzt auf 1,3 Billionen Euro addieren.
"Jährlich gehen rund 50.000 Bürger verloren"
Seit 1990 sank die Einwohnerzahl der Ex-DDR um 1,8 Millionen. 2008 verloren alle fünf neuen Bundesländer erneut Einwohner in der Größenordnung mittlerer Städte – vor allem durch Wegzug. 13 000 Thüringer verließen ihre Heimat, 10 000 gingen aus Mecklenburg-Vorpommern. Der Trend sei ungebrochen, sagt Lutz Schneider vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle: „Jährlich gehen rund 50 000 Bürger verloren."
Parallel wächst die Zahl der Pendler. Das Arbeitsmarkt-Institut IAB fand heraus, dass im letzten Jahr 72 351 Sachsen in Westdeutschland einen Job und in der Heimat ihren Hauptwohnsitz hatten – 7000 mehr als drei Jahre zuvor. Mögliches Motiv: Im Westen ist der Verdienst besser.
Ost-Auswanderer zieht es laut IAB vor allem nach Bayern, wo sich zwischen 2000 und 2006 mehr als ein Viertel niedergelassen haben, und nach Baden-Württemberg – dorthin also, wo der Arbeitsmarkt größere Chancen bietet.
NRW ist weniger gefragt
NRW ist wegen der Entfernung zur Heimat und wegen der höheren Arbeitslosigkeit weniger gefragt als noch zu Beginn der 90er-Jahre. 14,4 Prozent der ostdeutschen Wegzügler kamen an den Rhein.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will nach dem jahrelangen Vorrang für den Aufbau Ost wieder mehr Geld ins Straßennetz Westdeutschlands stecken. Der Kölner Ring müsse ausgebaut werden, die A 1 sechs Spuren erhalten. Es sei Zeit, „Versäumtes nachzuholen".