Essen. . Annegret Schaber von Straßen NRW war die verantwortliche Projektleiterin für die Aktion „A 40-Vollsperrung“. Und sie stand unter enormem Druck, denn ihr Plan, die umfangreichen Arbeiten nicht nach und nach, sondern auf einen Schlag bei kompletter Sperrung der Hauptverkehrsader des Reviers durchzuführen, war sehr umstritten. Und wurde bundesweit beobachtet. Bilanz wenige Tage vor der Wiederöffnung: Lief doch ganz gut.
Stewardess wollte sie werden, als sie noch klein war. Weil sie „so gern Urlaub macht“. Heute ist Annegret Schaber 55 und – Bauingenieurin. Auch aus den Urlaubsplänen wurde zumindest in diesem Sommer nichts. Es gab zu tun: Annegret Schaber ist die Frau, die bei Straßen NRW das gewagte Projekt „Vollsperrung der A 40“ stemmt.
Drei Brücken mussten saniert, ein Tunnel nachgerüstet, auf gut zehn Kilometern Autobahn Flüsterasphalt auf- und Lärmschutzwände angebracht werden. Arbeit genug für 24 Monate – wenn man sie Stück für Stück in Angriff nehmen wollte. Wie üblich. Schaber aber wollte nicht wie üblich vorgehen. Als Leiterin des Projekts schlug sie vor, die Hauptverkehrsader des Reviers auf der betroffenen Strecke komplett zu sperren. Für drei Monate!
Experte prophezeite das große A40-Chaos
„Sie sind ja verrückt“, war das Erste, was die gebürtige Hernerin zu hören bekam, als sie den Plan Land und Bund vorstellte. Bei der Stadt Essen lachte man immerhin; weil man an einen Aprilscherz glaubte. Verkehrsexperte Ferdinand Dudenhöfer erklärte, die Planung sei „stümperhaft“, sie werde im Chaos enden; Stauforscher Michael Schreckenberger prophezeite „große Probleme“, schließlich müssten 95 000 Autofahrer umgeleitet werden.
Annegret Schaber blieb ruhig – und bei ihrem Plan. Immer wieder erklärte sie die Vorzüge gegenüber der langwierigen Variante „Bauen unter Verkehr“, vertraute dabei auf persönliche Erfahrung („Ich bin 32 Jahre im Job“), wusste ihre Behörde, ihr Team hinter sich. Und konnte überzeugen. Am Ende waren alle einverstanden. „Anders geht’s auch gar nicht“, ergänzt die Ingenieurin heute, so trocken wie selbstbewusst.
„Die Welt schaut auf NRW“
Am 7. Juli, dem ersten Tag der NRW-Sommerferien, wurde die A 40 dann tatsächlich gesperrt, ein einmaliges Modellprojekt damit gestartet. Nicht nur bundesweit sorgte es für Aufregung: „Die verkehrspolitische Welt schaut auf NRW“ titelte die Süddeutsche, der Spiegel sprach von einem „Experiment, das in seiner politischen Brisanz nicht zu unterschätzen“ sei.
Annegret Schaber schlief gut in der Nacht zuvor.
Sanierung A40-Tunnel
Und in all den Nächten, die bis heute folgen sollten, ebenfalls. „Das bringt’s doch auch nicht, wenn man sich Stress macht“, erklärt sie. Wichtig sei: gut vorbereitet zu sein. Was darüber hinaus nicht zu ändern sei, sei eben nicht zu ändern. Basta. Und schließlich stehe sie als Projektleiterin zwar im Focus der allgemeinen Aufmerksamkeit, aber: „Wir arbeiten im Team!“
Noch laufen die Arbeiten an der gesperrten A40 auf Hochtouren
Zudem sei doch rasch klar gewesen, dass es gut laufen würde. Ihr selbst eigentlich schon am dritten Tag der Sperrung – als die Stadtwaldbrücke abgerissen war. Sieben Tage waren dafür angesetzt. Schabers „nervöser“ Kollege habe allerdings erst aufgeatmet, als die neue Brücke stand. Was genau einen Monat später der Fall war und – zugegeben – der Teil des Projekts, denn auch seine Leiterin für den kniffeligsten hielt. 48 einzelne Elemente mussten für die neue Brücke aus Niedersachsen rangeschafft werden. Jedes einzelne: bis zu 58 Tonnen schwer, bis zu 31,50 Meter lang. (Um Brücken zu finden, die dieses Gewicht auch tragen, mussten die Tieflader einen Umweg von 300 Kilometern in Kauf nehmen!). Im Stundentakt wurde am 7. August angeliefert. Schwertransport rein, Schwertransport raus. Durchaus: ein „kleines logistisches Problem“, erinnert sich Schaber. Das zu lösen war. Wie alles andere bislang auch.
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Aber sie habe ja auch viel Glück gehabt. Mit der Presse und den „Experten“, die den Megastau beschworen, etwa. Weil deren Schwarzmalerei bewirkte, dass, wer eben konnte, die Strecke mied. Und mit dem Wetter, natürlich. („Dauerregen im September wäre gar nicht gut gewesen.“) Doch nun ist beinahe alles geschafft, sogar die Dichtungsarbeiten für die neue Fahrbahndecke, für die es absoluter Trockenheit bedarf, fast beendet. Das Chaos fiel aus.
Hier wird gefräst, dort geflämmt
Wenn die 55-Jährige also an diesem Tag nach ihrem Baustellen-Rundgang zur Besprechung in den Container von Straßen NRW unter den Helbingbrücken bittet, gibt es nur noch Kleinigkeiten zu bemängeln: Das Schild über der Ausfahrt Essen-Ost ist verbeult, eine Verschalung an der Abfahrt „zu offenporig“. Ansonsten „sieht’s gut aus, kaum noch was zu tun, gar keiner mehr da!“
Kaum noch was zu tun? Keiner mehr da? In weniger als zwei Wochen soll hier wieder der Verkehr rollen! Und noch ist hier Baustelle pur, wimmelt es von Männern in neonfarbenen Jacken, Baggern, Gabelstaplern, Betonmischern, Asphaltkochern Walzen und anderem schwerem Gerät. Hier wird gefräst, dort geflämmt; hier ein Gerüst abgebaut, dort eine Gleitplanke (das Betonmäuerchen in der Fahrbahn-Mitte) neu gegossen. „Wirkt rödelig“, gibt die Ingenieurin zu. „Aber bedenken Sie, was wir schon geschafft haben – in zehn Wochen.“
Hundert Arbeiter auf einer Baustelle
Die Feuerwehr ist da, um den Brandschutz im Ruhrschnellwegtunnel zu kontrollieren und der Bauüberwacher aus Krefeld, der dafür zuständig ist. Annegret Schaber spricht mit ihm, dann schlendert sie rüber zu den beiden Arbeitern, die sie am Vorabend im Fernsehen gesehen hat; auch für den Baggerfahrer, den der WDR aus seinem Beitrag herausschnitt, findet sie ein tröstendes Wort. „Alles ruhig, sogar die Bauleiter sind entspannt, wiederholt die Projektleiterin. „Kein Vergleich zu den Tagen, als hier hundert Leute gleichzeitig arbeiteten – nur an der Strecke, ohne Tunnel.“
Am 1. Oktober wird Annegret Schaber, die in Essen wohnt, also wieder über die A 40 in ihr Bochumer Büro fahren. Da ist sie „fast sicher!“ Am 3. geht sie – dann doch – in Urlaub, will sich erholen, vielleicht ein wenig Sport machen. Radfahren, Wandern, sowas in der Art. Nichts Aufregendes. Das sei nicht ihr Ding, sagt sie. „Keine Nerven.“