Witten. . Ein abgemeldetes Fahrzeug blockiert seit halbem Jahr wertvollen Parkraum an der Steinbachstraße in Witten-Annen. Die Planstelle bei der Stadt, die sich um solche Autos kümmert, ist seit Oktober verwaist. Eile sieht die Stadt nur dort geboten, wo Gefahr im Verzuge ist.

Der Stein des Anstoßes steht direkt von der Haustür von Lukas Geppert (27) an der Steinbachstraße: Ein blauer, nicht mehr zugelassener Ford blockiert dort seit gut einem halben Jahr wertvollen Parkraum. Das Kennzeichen ist entsiegelt, die Reifen werden platt und platter. Seit ein paar Tagen ist auch noch eine Seitenscheibe eingeschlagen.

In dem Mehrfamilienhaus wohnen sieben Parteien, jede hat mindestens ein Auto, die meisten beruflich bedingt sogar zwei. Gepflasterte Parkbuchten gibt es in der vor einigen Jahren umgestalteten Straße in Annen in der Nähe genau fünf. Außerdem wohnen auch in der Nachbarschaft weitere Bürger, die ihren fahrbaren Untersatz im öffentlichen Verkehrsraum abstellen möchten. Logisch, dass Geppert und den anderen Hausbewohnern der Kamm schwillt, wenn sie vor die Türe treten und den blauen Ford sehen.

Letzter Besitzer hat sich abgesetzt

Natürlich haben sie die Stadt und die Polizei um Hilfe gebeten – vor Monaten schon und wiederholt. Passiert sei im Sinne der Anwohner aber fast nichts, meint Lukas Geppert. Er wähnt die Stadt Witten schon im „Beamtenschlaf“. Klar, ein zwei Mal habe jemand einen Zettel ans Auto gehängt, „den haben wir schon x-mal aufgehoben, weil er immer abgefallen ist.“ Von der Polizei weiß Geppert, dass der letzte bekannte Besitzer des Autos „sich nach Polen abgesetzt“ hat. In Annen hatte er zuletzt in der Bebelstraße gewohnt – auch kein feiner Zug, das Auto in der Steinbachstraße zu entsorgen.

Keine Abhilfe, stattdessen gab’s Knöllchen

Ach ja und die Polizei ist auch tatsächlich da gewesen – aber mehr in der Kategorie „nicht im Sinne der Anwohner“. Geppert: „Wir müssen teilweise auf die Gehsteige ausweichen und dort über Nacht parken. Das weiß auch die Polizei und verteilt fleißig Knöllchen im Wert von 30 Euro, statt wenigstens den einen, uns fehlenden Parkplatz zu räumen.“

Der normale Gang der Dinge

Steht ein nicht mehr zugelassenes Fahrzeug (ohne Kennzeichen oder entsiegelt) auf öffentlicher Fläche, dann „parkt“ es nicht mehr. Rechtlich nimmt der Halter eine „Sondernutzung“ in Anspruch, für die er eine Genehmigung bräuchte.

Zahlungspflichtig ist der letzte eingetragene Halter, der dem Straßenverkehrsamt nicht die Weitergabe des Fahrzeugs angezeigt hat.

Oft reiche die erste Aufforderung an der Windschutzscheibe aus, so das Ordnungsamt, die Halter dazu zu bewegen, sich um ihr Auto zu kümmern.

Andernfalls kann es nach langer Haltersuche teuer werden: Zu den Sondernutzungsgebühren (8 Euro/Tag) kommen Abschleppkosten (ca 100 Euro), Einlagerungskosten für den Pkw (4 Euro/Tag), Verwaltungsgebühren plus eventuell noch ein Bußgeld.

Problem für die Stadt: Gerade in langwierigen Fällen ist es oft unmöglich, einen Halter ausfindig zu machen, den man noch belangen kann. Dann bleibt sie auf Kosten und Aufwand sitzen.

Frank Racherbäumer, Leiter der Verkehrsabteilung des Ordnungsamtes könnte aus dem reichen Schatz seiner Erfahrungen lange davon erzählen, wie mühsam es werden kann, den Halter eines am Straßenrand entsorgen Pkw zu ermitteln: „Wir schreiben den letzten bekannten Halter an, im Regelfall heißt es: Das Auto ist längst verkauft oder verschenkt. Dann schreiben wir den an, der’s bekommen haben soll – und das Spielchen geht so weiter.“

Daran liegt es aber gar nicht, dass im Fall des blauen Ford und der vielen andern ausgemusterten Autos, die zur Zeit in Witten herumstehen, tatsächlich fast nichts passiert. Der schlichte Grund ist die knappe Personaldecke in der Verkehrsabteilung: „Die Stelle, die sich darum kümmert, die Halter zu ermitteln, ist seit Oktober kranksheitsbedingt nicht besetzt. Und bisher haben wir keinen Ersatz gekriegt.“ Erst kürzlich sei es gelungen, die Stelle neu zu besetzen – zum 1. Juli.

Pro Jahr gut 200 Autos gemeldet

Die meisten Fälle der nicht mehr zugelassen Autos – gut 200 werden der Stadt jedes Jahr gemeldet – sind deshalb mangels Sachbearbeiter bzw. Sachbearbeiterin in den letzten Monaten schlichtweg liegen geblieben. „Wir müssen nach Prioritäten vorgehen“, sagt Racherbäumer. Schließlich müsse sich seine Abteilung zunächst einmal um sichere Verkehrswege kümmern. Wo keine Gefahr im Verzuge sei, das könne und müsse am längsten warten. Und treffe bei abgestellten Autos ja in der Regel zu. Bittere Ironie der Geschichte: Ausgerechnet die eingeschlagene Seitenscheibe, von der Racherbäumer über die Zeitung erfuhr, macht dem Ordnungsamt jetzt Beine. „Die guck ich mir mal an, ob davon eine Gefahr ausgeht“. Man mag es kaum aufschreiben, um keinen auf dumme Gedanken zu bringen.