Witten. . Einen länger andauernden Prozess gibt es in Witten nicht: Seit sieben Jahren versucht die Justiz zu klären, ob ein Ex-Abfallunternehmer Einnahmen an der Insolvenzmasse seiner Firma vorbeischleuste. Am Mittwoch sollte das Strafverfahren weitergehen, doch der Angeklagte erschien schon wieder nicht vor Gericht.

Es ist das älteste Strafverfahren, das die Wittener Justiz beschäftigt, und es liegt weiter auf Eis: Seit sieben Jahren soll geklärt werden, ob ein hiesiger Ex-Abfallunternehmer Einnahmen an der Insolvenzmasse seiner Firma vorbeischleuste. Diese war pleitegegangen. Er war am Mittwoch vor dem Amtsgericht zum unzähligen Male nicht erschienen – angeblich ist er verhandlungsunfähig.

Der 75-Jährige hatte eine Recyclingfirma betrieben und unter anderem Müll vom Möbelhaus Ostermann abgeholt. Irgendwann schaltete sich das Finanzamt ein: Es fehlten angeblich Steuerzahlungen in fünfstelliger Höhe. Ein Insolvenzverwalter attestierte: Der Wittener ist pleite. Er soll aber weiter Geschäfte gemacht haben – mit offenbar stattliche Einnahmen, die an der Insolvenzmasse vorbeigingen.

Mammut-Verfahren kostet die Öffentlichkeit viel Geld

Es soll sich um 70 000 Euro handeln, die der Ex-Unternehmer zum Teil auf das Konto seiner Frau, zum Teil auf das seiner Tochter geschleust haben soll. Damit ging das Geld nicht ans Finanzamt. „Die 70 000 Euro sind weg“, stellte Richter Bernd Grewer klar. Nicht mitgerechnet sind die üppigen Kosten für die Öffentlichkeit, die für das seit sieben Jahren laufende Mammut-Verfahren anfallen und die ärztlichen Gutachten, die eingeholt werden mussten.

Hintergrund des hartnäckigen Fernbleibens vor Gericht ist unter anderem eine angebliche Depression des 75-Jährigen. Gutachten, die erstellt worden waren, kamen zu dem Ergebnis, dass eine Verhandlungsunfähigkeit nicht vorliege. Zuletzt war der Versuch eines erneuten Gutachtens gescheitert, weil der Wittener nicht bei dem Sachverständigen erschienen war. Vier Gerichtsverhandlungen hatten seit 2007 stattgefunden, erschienen war er nur bei einer. Vier weitere Prozesstage wurden frühzeitig abgesagt, weil er zuvor erklärt hatte, gesundheitsbedingt nicht verhandlungsfähig zu sein.

Attest vom Arzt per Fax geschickt

Eine Stunde vor der Verhandlung am Mittwoch landete ein Attest im Faxgerät seines Anwaltes. Darin erklärt der Arzt des 75-Jährigen, dieser könne aufgrund von Artikulationsschwierigkeiten und Erschöpfung nicht am Prozess teilnehmen. Auf telefonische Nachfrage unserer Zeitung erklärte der Wittener, er könne nichts zu den Vorwürfen sagen, weil es ihm nicht gutgehe.

„Er führt uns am Nasenring durch die Manege“, glaubt dagegen Richter Bernd Grewer. Es wurde ein Haftbefehl erlassen. Der Angeklagte wird nun mit der Polizei ins Gericht gebracht. Grewer würde den ältesten Fall Wittens in seinem letzten Richterjahr gerne abschließen.