Witten. Für die einen sind sie eine Plage, für andere der Lebenssinn. Tauben-Zucht ist nach wie vor populär. Doch wenn Jungtiere auf ihre erste lange Reise gehen, werden sie nicht selten von Greifvögeln angegriffen. Die Wittener Lilo Elles und Friedrich Weißenfeld kümmern sich dann um die verletzten Tiere.
Idyllisch wirkt der kleine Taubenschlag aus Holz inmitten des romantisch verwilderten Gartens von Taubenliebhaberin Lilo Elles. Was man darin erblicken muss, ist leider weniger schön – junge Brieftauben, allesamt verletzt und ausgehungert. Liebevoll werden sie aufgepäppelt, um sie zurück an den Besitzer vermitteln zu können.
Vor ein paar Tagen erst traf der neueste Fund ein: eine ungefähr zwei Monate alte Taube, nicht größer als eine Hand – um den Fuß ein Ring mit Nummer. „Im Vergleich zu den letzten Jahren ist die Anzahl der von mir aufgenommenen Tauben, die den Weg zurück zum Züchter nicht finden, deutlich gestiegen“, berichtet Lilo Elles von der „Initiative Stadttauben e.V.“. Zwölf Tauben habe sie bislang aufgenommen, für mehr sei leider kein Platz gewesen.
Jungtauben auf langen Flug nicht vorbereitet
Die anderen habe sie weitervermittelt – unter anderem an Friedrich Weißenfeld, der sich in seiner Freizeit intensiv mit dem Thema Tauben auseinandersetzt. „Insgesamt habe ich 42 beringte und verletzte Tauben in den letzten zwei Wochen in Heven abgeholt. Die meisten stammen aus der Umgebung, andere wiederum aus Recklinghausen oder Hamm“, berichtet Weißenfeld. „Eigentlich wenden sich immer Privatleute an mich, wenn sie eine verletzte Taube gefunden haben. Dann gebe ich ihnen Hilfestellung für die Versorgung“. Anschließend hole er die Tauben ab, um sie dann zurück an den Züchter zu vermitteln, was bis jetzt gut gelang. Alle Tauben konnten vermittelt werden.
Doch woran kann es liegen, dass momentan so viele verletzte Jungtauben gefunden werden? Laut „Taubenmama“ Elles kann es nur daran liegen, dass nun vermehrt Jungtauben eingesetzt werden, die auf die langen Flugstrecken nicht vorbereitet sind und aufgrund von Verletzungen und Erschöpfung in den Städten landen. Die ständig wechselnden Wetterbedingungen seien dabei vielleicht ein weiteres Erschwernis. „Sollten tatsächlich gezielt mehr Jungtauben eingesetzt werden, muss man dagegen etwas unternehmen“, findet sie.
Züchter wehren sich gegen Vorwürfe: Raubtiere schuld an Tauben-Opfern
Ein klarer Vorwurf an die Züchter. Dass gezielt mehr Jungtauben eingesetzt werden, möchte Harry Schade vom „Brieftaubenzuchtverein e.V.“ so nicht sagen. „Es werden nicht mehr Tauben gezüchtet als in den vergangenen Jahren und dadurch werden auch nicht mehr eingesetzt“. Über diese Vorwürfe ist Schade mehr als entrüstet. Die Jungtauben werden im Vorfeld über Strecken von bis zu 20 km trainiert. „Natürlich kommt es dabei zu Verlusten“, räumt er ein. Erst nach reichlichem Training und optimaler Vorbereitung dürfen die Tauben am eigentlichen Wettbewerb teilnehmen – und das nur bei guten Wetterverhältnissen.
Den Grund für die vermehrten Fundtiere sieht Harry Schade woanders, nämlich in der wachsenden Raubvogelpopulation, die eine Gefahr für Tauben darstellt. Zudem breche die „Jungtaubenkrankheit“ derzeit vermehrt aus, sodass die Tiere leichter verscheucht werden können und besonders angreifbar seien. Der Taubenobmann Friedrich Weißenfeld kann dies nur bestätigen. Die meisten Verletzungen scheinen von Raubvögeln verursacht zu sein. „Dagegen kann man leider nichts unternehmen. Die Schuld liegt aber definitiv nicht bei den Züchtern“, so Schade.