Witten. .
Die Taube in Liselotte Elles‘ Hand zappelt. Immer wieder schlägt „Putzi“, ein schöner weißer Vogel mit vielen schwarzen Punkten, mit seinen Flügeln.
Am Samstag setzten Mitglieder der Wittener Initiative „Stadttauben“ das Tier wieder auf freien Fuß – beziehungsweise Flügel. Weil dieser gebrochen war, blieb Putzi drei Monate lang in Obhut der ersten Vereinsvorsitzenden.
„Sie ist mir richtig ans Herz gewachsen“, sagt Elles und streichelt das aufgeregte Tier. Anfang Dezember sei es von Mitgliedern der Initiative verletzt gefunden worden.
Auch Passanten könnten die Vogelfreunde benachrichtigen, sollten sie kranke oder ausgehungerte Tauben auf Wittens Straßen finden. Insgesamt 25 Vereinsmitglieder kümmern sich abwechselnd um die Tiere, bis sie wieder so gesund und munter sind wie Putzi heute.
Für andere Vögel ist die Freiheit noch in weiter Ferne. „Diese hier hat meine Tochter erst letzte Woche bei der Herbeder Brücke gefunden“, erklärt Angelika Funke (60) und holt eine graue Taube mit grünem Halsgefieder aus einer Transportbox. Das Tier hat ein tiefes Loch im Kopf. „Ich habe täglich Jod und eine spezielle Wundsalbe auf die Stelle geschmiert“, erklärt die Taubenfreundin ihrem Kollegen Roland Dirks (42), der den Vogel heute mit zu sich nehmen soll. Die Prognose der Tierfreunde stimmt optimistisch: „Die Taube wird wieder ganz gesund, das Loch von ganz alleine zuwachsen.“
Nicht in jedem Fall komme man ohne Tierarzt aus. „In sehr schlimmen Fällen, lassen wir die Vögel auch einschläfern“, erklärt Roland Dirks. Im Durchschnitt pflege der Taubenbeauftragte drei Vögel pro Jahr, jeweils einen Monat lang.
Die Abneigung vieler Menschen gegen die Tiere verstehen die Vereinsmitglieder nicht. „Es ist eine Schande, wenn Passanten nach den Tauben treten“, sagt Angelika Funke. Sie stellt klar: „Die Vögel übertragen keinerlei Krankheiten.“ Ihr gesundheitlicher Zustand werde von den Tierliebhabern stetig überwacht. „Eigentlich sind sie Felsentiere, deswegen fühlen sie sich in großen Städten zwischen all den Häuserfassaden so wohl“, erklärt die Helferin weiter.
Die Initiative will die Tauben an zentralen Plätzen halten. Wo sie Futter auslegen, siedelten sich die Vögel an. So könnten die Vereinsleute gezielt die echten Taubeneier gegen Imitate aus Gips austauschen, um die Taubenpopulation zu verkleinern. Dies habe in den letzten Jahren schon sehr erfolgreich funktioniert und geschehe auch im Interesse der Tauben, die sonst nicht mehr genügend Platz hätten. Solche Taubenschläge gibt es bereits im Lutherpark und im Rathausturm.
Dort werden die Tiere nach ihrer Genesung in der Regel auch wieder ausgewildert. Putzi allerdings muss sich nicht erst an das Draußensein gewöhnen. Bei Pflegemutter Liselotte Elles hat sie in einem Gehege im Garten mit fünf Artgenossen gelebt: „Die Umstellung ist deswegen nicht so groß.“
Dann ist es endlich soweit: Die Taubenliebhaberin öffnet ihre Hände, das Tier seine Flügel. „Mach’s gut kleine Putzi“, murmelt die Vereinsvorsitzende fast ein wenig wehmütig. Der Vogel blickt sie noch kurz an, als hätte er die Abschiedsworte verstanden. Dann flattert die Taube freudig ihrer Freiheit entgegen.