Witten. . Mit dem E-Mobil unterwegs in Bommern: Selbst abgesenkte Kanten sind für die Seniorin Dr. Ingrid Nettmann eine Herausforderung. Doch sie möchte sich ein Stück Unabhängigkeit und Lebensqualität unbedingt erhalten und hofft, dass beim Bau der Neuen Mitte auch an ältere Menschen gedacht wird.

„Gerne möchte ich Sie einladen, mit dem neuen E-Mobil meiner Mutter einfach nur den Bodenborn entlang zu fahren. “ Der Einladung von Beate Nettmann-Roy (65) nach Bommern leistete der Reporter gestern gerne Folge. Fahren, befand er, sollte Mutter Dr. Inge Nettmann aber doch lieber selbst.

Das sollte sich in gewisser Hinsicht als Fehler erweisen: Denn die 92 Jahre alte Bommeranerin ist zwar schlecht zu Fuß, aber im Senioren-Scooter düst sie dem kleinen Begleittross aus Tochter, Schreiberling und Knipser prompt auf und davon. Schön beobachten lässt sich aus der Rückansicht aber das erste Problem: Der ebenfalls in die Jahre gekommene Bürgersteig des Bodenborns ist ein Buckelpflaster. Die Seniorin, die ein absolutes Leichtgewicht ist, wird auf dem Plattenweg so richtig zwischen den Armlehnen ihres Gefährts hin- und herschleudert.

Ein Stück Lebensqualität

„Als alte Ostpreußin sagt sie ja nichts, aber das tut ihr schon richtig weh“, verrät die Tochter. Dass „die Bandscheibe völlig im Eimer ist“, hatte die Mutter vor der Abfahrt noch selbst erzählt. Nur mit Morphinen und Schmerzpflaster steht sie den Tag durch.

Im und ums Haus am Bodenborn hilft sich Inge Nettmann mit Stock und Rollator. Der Senioren-Scooter, den sie sich vor zwei Monaten zugelegt hat, steht natürlich auch für den Wunsch, noch selbst unter die Leute zu kommen, einkaufen zu fahren – ein Stück Unabhängigkeit und Lebensqualität.

Die Testpilotin ist an der Kapellenstraße angekommen und wartet dort brav auf das Verfolgerfeld. Die Übergänge sind für Inge Nettmann die größte Herausforderung. Selbst die abgesenkten sind ihr meistens noch zu hoch. „Das ist jedes Mal ein Glücksspiel“, sagt sie, „ich bin jedes Mal froh, wenn es gut geht.“ An der Kapellenstraße geht es dieses Mal mit leichtem Anlauf gut, vom Durchschütteln der Fahrerin mal abgesehen.

Die Sackkarre im Schlepptau

Wir erreichen den Bommerfelder Ring, die schlimmste Stelle. Wie bestellt (aber eben nicht: gestellt) bleibt der Scooter auf der Mittelinsel stecken. Es geht weder vorwärts noch rückwärts weiter. Jetzt wissen wir, warum die Tochter auf solche Ausflüge eine Sackkarre mitnimmt: Sie hebelt das schwere Fahrzeug damit frei. „Ich habe immer Angst, dass Mutti runterfällt“, sagt Beate Nettmann-Roy. Nur allzu verständlich an dieser Stelle. Das Nachmessen ergibt eine Kantenhöhe von sechs Zentimetern.

Die Nettmanns möchten nicht nur kritisieren. Vielleicht könne die Wortmeldung rechtzeitig vor dem Bau der Neuen Mitte aber dazu beitragen, dass dort an die Senioren gedacht werde, hofft die Tochter. Und: Abhilfe ist in Sicht, wie im Interview unten zu lesen ist.

Im Übrigen bedanken sich die Nettmanns bei den viele netten Autofahrern, die bei den Übergängen am Bodenborn oft geduldig warten, bis man die Straße an den Verkehrsinseln überquert hat. Auch wenn ihnen sichere Zebrastreifen lieber wären.