Witten. Die Polizei trauert bundesweit um ihren ermordeten Kollegen aus Mannheim. Am Freitag steht das Land für einen Moment still - auch in Witten.

Es kommt nicht oft vor, dass Bürger vor der Wittener Polizeiwache Blumen ablegen und Kerzen anzünden. In dieser Woche erinnern helle Rosen, weiße Astern und rote Grablichter auf den Stufen in der Casinostraße an den toten Kollegen aus Mannheim. Er war am Freitag (30.5.) von einem vermutlich islamistisch motivierten Täter niedergestochen worden und am Sonntag (2.6.) gestorben. Die Anteilnahme der Bürger berührt die Polizisten der City-Inspektion. Gleichzeitig herrschen dort immer noch Trauer und Entsetzen.

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„Für alle war das erst einmal ein Schock“, sagt Annabell-Sophie Frohn, eine von 50 Beamtinnen und Beamten im Wittener Wach- und Wechseldienst. „Das hat mit jedem was gemacht. Sein Tod verdeutlicht uns noch einmal, was der Job für Gefahren bringt.“ Der getötete Polizist war nur ein Jahr älter als die 28-jährige Oberkommissarin, die seit zehn Jahren bei der Polizei ist..

Wie oft gibt es in Witten Messerattacken?

Laut Polizeisprecherin Mirella Turrek liefert die Statistik kein genaues Bild. Angegeben werde lediglich die Anzahl der Straftaten, bei denen ein Messer benutzt wurde. Ob es dabei zu Verletzungen kam, gehe nicht aus den Daten hervor.

Insgesamt wurden im Jahr 2022 28 Taten und im Jahr darauf 37 Taten registriert. Darunter fielen, laut Turrek, allerdings auch Fälle von häuslicher Gewalt und andere Vergehen hinter verschlossener Tür.

Im öffentlichen Raum sieht das Verhältnis anders aus. So gibt die Polizei für das Jahr 2022 26 Straftaten an, bei denen ein Messer eine Rolle spielte. Im Folgejahr waren es 15. Die Zahlen für das laufende Jahr veröffentlicht die Polizei erst 2025.

Nur einen Tag nach seinem Tod, am Montag, hatte Frohn selbst wieder einen Einsatz, bei dem ein Messer im Spiel war. Zum Glück ist ihr und dem Kollegen nichts passiert. „Aber man geht nach Mannheim doch noch einmal anders in solche Einsätze“, sagt die junge Frau. „Das ist direkt im Hinterkopf.“

Wittener Polizeibeamtin: „Eigensicherung das A und O“

Schon in der Ausbildung werde man auf solche Fälle vorbereitet, sagt die Beamtin. Und doch weiß sie, gerade nach Mannheim: Jede Situation kann eskalieren, hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. „Eigensicherung ist das A und O.“ Doch niemand könne den Kollegen in Baden-Württemberg einen Vorwurf machen. „Das hätte jedem auch hier passieren können“, sagt Inspektionsleiter Jan Gellusch (43). „Es zeigt uns, wie gefährlich gerade Messer sind.“ In solchen Fällen sind die Beamten berechtigt, die Schusswaffe zu ziehen.

„Ich habe bisher immer Glück gehabt. Meist haben die Leute auf eine Ansprache reagiert“, erinnert sich Annabell-Sophie Frohn an so manche kritische Situation. „Gefühlt“ sei die Zahl der Fälle in den letzten Jahren schon gestiegen. Zum Glück bestätige sich aber nicht immer, dass tatsächlich ein Messer im Spiel gewesen sei. Wie sie und ihre Kollegen die Tat von Mannheim verarbeiten?

Ein Meer von Blumen: Mannheim trauert auf dem Marktplatz um den toten Polizeibeamten. An diesem Freitag (7.6.) halten Polizisten in ganz Deutschland eine Schweigeminute ab, auch in Witten.
Ein Meer von Blumen: Mannheim trauert auf dem Marktplatz um den toten Polizeibeamten. An diesem Freitag (7.6.) halten Polizisten in ganz Deutschland eine Schweigeminute ab, auch in Witten. © imago/epd | IMAGO/Tim Wegner

„Mir hilft es, mit den Kollegen und nächsten Angehörigen zu sprechen“, sagt Frohn, für die Mannheim kein Einzelfall war. Sie erinnert an „Dortmund, Ratingen“ - Einsätze, die wir gefühlt täglich haben“. „Ich versuche mir immer vor Augen zu halten, wie schnell etwas passieren kann.“ Gleichzeitig müssten sie sich weiter auf ihre Aufgabe konzentrieren, den Menschen zu helfen und sie zu beschützen. Um so mehr freut sich die 28-Jährige, deren engste Familie „immer“ Angst um sie hat, dann auch mal über ein Lob von Bürgern auf der Straße. „Es tut gut zu wissen, dass viele hinter der Polizei stehen.“

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Ihren Chef Jan Gellusch haben die Kerzen, Blumen und Trauerkarten, die an der Wittener Wache abgelegt oder abgegeben wurden, ebenfalls tief berührt. „Wir sind dankbar für dieses Zeichen der Solidarität gegenüber allen Polizistinnen und Polizisten, die tagtäglich ihr Bestes für die Menschen in dieser Stadt geben“, sagt der Polizeioberrat.

An diesem Freitag (7.6.) ist bundesweit für 11.34 Uhr eine Schweigeminute angesetzt. Dann werden auch die Wittener Polizisten vor der Wache ihres getöteten Kollegen gedenken. Annabell-Sophie Frohn ist bestimmt dabei, obwohl sie vorher Nachtdienst hat. Polizistin zu sein, sagt sie auf die Frage, ob sie nach Gewalttaten wie Mannheim manchmal mit ihrem Beruf hadere, „ist und bleibt mein Traumjob“.