Witten. „Ich wollte ihn nicht töten“: Im Januar 2022 hat ein Mann einen Security-Mitarbeiter am Bürgerbüro in Witten angegriffen. Das waren seine Gründe.
Der Messerstecher vom Rathaus in Witten muss sich seit Montag vor dem Schwurgericht in Bochum verantworten. Der 34-Jährige, der in anderer Sache in Haft sitzt, soll am 12. Januar 2022 einen Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma mit dem Messer angegriffen und mehrfach verletzt haben. Die 20 Zentimeter lange Klinge traf beide Oberschenkel, das Gesicht und den Oberkörper des Opfers. Die Staatsanwaltschaft wertet die Tat als versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung – schließlich erfolgte der Angriff heimtückisch von hinten.
Der Angeklagte stammt aus Afghanistan. Sein Asylantrag wurde längst abgelehnt, aber er lebt als geduldeter Flüchtling in Witten. Am Tattag – während des Lockdowns – verwehrte ihm der Security-Mitarbeiter den Zutritt ins Rathaus, da er keinen Termin vereinbart hatte. Aus Ärger darüber soll der Mann kurze Zeit später mit einem Messer bewaffnet zurückgekehrt sein und das Opfer angegriffen haben. Der Täter flüchtete nach dem Angriff, konnte aber wenige Minuten später widerstandslos im Lutherpark festgenommen werden.
Verletzter Security-Mann leidet noch heute
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„Ich war wütend, dass ich nach nunmehr acht Jahren noch immer keine Personalpapiere habe“, erklärte der Angeklagte. „Ich bin schuldig und habe den Mann verletzt. Aber ich wollte ihn nicht töten“, betonte er. Das Opfer erlitt drei Schnitt- bzw. Stichverletzungen, darunter eine zehn Zentimeter lange Wunde im Gesicht. Der Mann, der sogar am Boden liegend angegriffen worden sein soll, leidet noch heute unter einem Taubheitsgefühl am Kiefer.
Der Angeklagte erklärte, er kenne den Mann seit gut zwei Jahren als Sicherheitsfachkraft. Warum er ihn angriff, kann er sich heute selbst nicht erklären. Das Opfer nimmt als Nebenkläger an dem Prozess teil. Außerdem folgt eine Sachverständige der Verhandlung, um zu klären, ob der Angeklagte aus medizinischer Sicht voll schuldfähig ist.
Lange Vorstrafenakte
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Die Richter erörterten am Montag die lange Vorstrafenakte des 34-Jährigen. Bereits im Juli 2017 verurteilte ihn das Schöffengericht Witten wegen zweifacher gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten Haft. Auch damals hatte er mit einem Messer zugestochen.
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2019 folgte ein Strafbefehl wegen Diebstahls. Dem Mann wurde eine Geldstrafe von 600 Euro auferlegt. Seine Bewährung wurde widerrufen und er musste die Haftstrafe absitzen. Im Juli 2021 verurteilte ihn das Schöffengericht Witten erneut wegen eines Gewaltdelikts. Wegen Körperverletzung verhängten die Richter ein Jahr Haft. Im Mai 2022 folgte ein Strafbefehl über 400 Euro wegen Erschleichens von Leistungen. Es ging um eine Schwarzfahrt mit der Bahn.
2015 über die Balkanroute nach Witten gekommen
Für den Prozess sind insgesamt fünf Verhandlungstage bis Mitte Januar angesetzt. Am Montag schilderte der Angeklagte seinen Lebenslauf. Er hat sechs Schwestern und fünf Brüder. Nach dem Schulabschluss hatte er eine Ausbildung zum Polizisten gemacht und als solcher in Afghanistan gearbeitet. 2015 war er aus politischen Gründen über die Balkan-Route nach Deutschland gekommen.
In Afghanistan habe er regelmäßig Marihuana geraucht, in Deutschland nur gelegentlich. Ab und an habe er Bier getrunken, erklärte er den Richtern. Er leide unter Ängsten und halte sich eigentlich von anderen Menschen fern.
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