Witten. Über 200 Menschen haben in Witten ihre Solidarität mit Israel und den zivilen Opfern im Gazastreifen bekundet. Eine Rede war besonders berührend.
Es ist ein ergreifender Moment, als Shahida Perveen die Bühne auf dem Rathausplatz betritt und die Menschen bittet, die Hand auf ihr Herz zu legen. „Wir hören die flatternde Friedenstaube in uns“, sagt die aus Pakistan stammende Frau. Damit soll ein Zeichen für den Frieden von Witten aus in die Welt gehen, vor allem in den Nahen Osten. Mehr als 200 Menschen folgen bei der Solidaritätskundgebung für Israel am letzten Samstag der Bitte der Rednerin und legen die Hand auf ihr Herz.
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Bürgermeister Lars König hat zu der Kundgebung vor seinem Amtssitz aufgerufen, nachdem viermal gegenüber auf dem Kornmarkt die Israel-Flagge abgerissen, verbrannt oder mit roter Farbe beschmiert worden war. Befürchtungen, dass an diesem wettermäßig durchwachsenen Samstag und dazu noch nachmittags kaum einer dem Ruf folgen würde, bestätigen sich nicht.
Pappschild: „Frieden für Israel und Palästina“
Die Markthändler haben ihre Stände kaum abgebaut, als die ersten Teilnehmer eintrudeln. Als es immer mehr werden, fordert König sie auf, näher zu kommen. „Wir wollen doch gemeinsam ein Zeichen setzen.“ Im Publikum weht eine Israel-Flagge. Jemand hält ein Pappschild hoch: „Frieden für Israel und Palästina.“
Kamen (25) steht, ihr kleines Kind tragend, weiter hinten. Warum sie heute gekommen sei? Sie finde es schwierig, wenn „Juden auch in Deutschland nicht sicher leben können“. Da müsse man Flagge zeigen. Michael (64) ist mit seinem Sohn Simon (23) gekommen. „Ich bin hier, weil ich Präsenz für Israel zeigen will. Was nicht automatisch gegen Palästina sein muss. Aber das Abreißen der Flagge ist nicht in Ordnung.“
+++Kommentar: Pro-Israel-Kundgebung: Witten setzt ein starkes Zeichen+++
Auch Thomas Schneider hat die Schändung betroffen gemacht: „Mich treibt das Thema Naher Osten sehr um, insbesondere auch wegen der deutschen Vergangenheit.“ Winie Heitkamp schwenkt eine kleine Israel-Flagge. Die 83-Jährige war 1966 das erste Mal mit einer Wittener Gruppe in Israel. Seither haben das Land für sie einen besonderen Stellenwert. Sie fragt sich, wie es im Nahen Osten weitergehen kann, hat darauf aber keine Antwort: „Die allermeisten Palästinenser wollen doch auch Frieden.“
SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Echeverria: Rote Linie überschritten
Auch die Politik ist teilweise vertreten, an vorderster Stelle der Bürgermeister. „Unser Mitgefühl gilt den ungezählten Opfern in Israel und Gaza“, sagt er. Gleichzeitig erteilt er jeder Form von Ausgrenzung und Fremdenhass eine klare Absage. Und: „Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdische Mitbürger in Angst leben und bedroht werden.“
Kirchen, Integrationsrat und Schulen sind ebenfalls vertreten und natürlich die deutsch-israelische Gesellschaft in Witten. Deren Vorsitzender, Alt-Bürgermeister Klaus Lohmann, erinnert an die sechs Millionen ermordeten Juden im Zweiten Weltkrieg. Der brutale Terrorangriff der Hamas sei kein „Befreiungskampf, sondern ist nichts anderes als feiger Mord“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Echeverria. Er geht auch auf die abgerissenen Israel-Fahnen in Witten ein. „Wer das tut und Juden angreift, überschreitet eine rote Linie in diesem Land.“
Rathausplatz während der Kundgebung relativ unauffällig von Polizei geschützt
Alle Redner verurteilen den Antisemitismus, der auch in Deutschland noch nicht bekämpft sei, wie Sandra Khalatbari betont, die aus Witten stammt und heute für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. Erst wenn sich Juden auch in Deutschland wieder sicher fühlten, „können auch wir uns wieder wohlfühlen“, sagt sie und erntet Applaus. Ebenso wie Echeverria, der „Frieden für Lew Hasharon“, den Wittener Partnerkreis, „Frieden für Israel und Frieden für den Nahen Osten“ fordert.
Der Rathausplatz wird während der Kundgebung relativ unauffällig von Polizei geschützt. Es gibt keine Gegendemonstranten, keine Palästina-Fahnen, keine Hamas-Sympathisanten. Redner wie Unionspolitikerin Khalatbari weisen darauf hin, dass auch die palästinensische Bevölkerung ein „Existenz- und Menschenrecht“ habe. Grünen-Ratsherr Christian Walker, der die erkrankte Landtagsabgeordnete Verena Schäffer vertritt, sagt: „Die Hamas missbraucht die Menschen in Gaza als menschliche Schutzschilder.“ Auch deshalb sei die Hilfe für die Zivilbevölkerung so wichtig.
Pro-Israel-Kundgebung- Witten setzt ein starkes ZeichenDie vielleicht eindringlichste Rede hielt Dirk Gellesch, Leiter des Ruhrgymnasiums. Jeden seiner gedanklichen Absätze beendete er mit den Worten „Nie wieder! Und das ist jetzt!“ Sein eindringlicher Appell lautete: „Wir dürfen nicht schweigen!“ Schweigen helfe nie den Opfern, sondern immer nur den Tätern.
Dass übrigens auch andere Fahnen nicht vor Vandalismus sicher sind, berichtet Friedrich Barkey, Vorsitzender des Pastoralen Raumes Witten und Pfarrer von St. Marien. „Bei uns ist es die Regenbogenfahne, die immer wieder zerstört wird“, so der katholische Geistliche. „Deshalb haben wir sie auf Vorrat.“