Witten. Marion Tigges-Haar war über 40 Jahre im Schuldienst, die Hälfte davon in Witten. Nun geht sie in den Ruhestand. Ihr Abschied: Emotion pur.

Irgendwer hat immer ein Taschentuch parat in diesen Tagen, in denen eine Abschiedsfeier die nächste jagt. Alle wollen Marion Tigges-Haar „tschüss“ sagen: Kinder, Eltern, das Kollegium. Und stets ist die Rektorin der Hellwegschule zu Tränen gerührt. Über 40 Jahre war sie im Schuldienst, die Hälfte davon in Witten-Heven. „Es fällt mir sehr schwer zu gehen“, sagt sie - und verdrückt gleich wieder ein Tränchen.

Ihr Dienstzimmer hat Marion Tigges-Haar schon leer geräumt. Acht Stunden hat das gedauert - denn so viel hatte sich angesammelt in all der Zeit. Doch an diesem Mittwoch ist endgültig Schluss, dann hat sie schon ein halbes Jahr drangehängt. „Ich bin 67“, sagt die scheidende Schulleiterin, die immer Lehrerin werden wollte. „Ich liebe es, mit Kindern umzugehen, ihren Wissensdurst zu stillen, von ihnen zu lernen und für sie zu kämpfen - weil sich das lohnt.“

Wittener Schulleiterin wohnt auf dem Land

Geboren wurde Marion Tigges-Haar in Bochum-Langendreer am Ümminger See. Seit vielen Jahren lebt sie auf dem Land bei Rüggeberg, einem kleinen Dorf zwischen Breckerfeld und Ennepetal. Wo sie wohnt, gibt es nur ein paar Häuser, Wiesen und Wälder - und ganz viel Ruhe. Die weiß sie nach einem quirligen Schultag stets zu schätzen. Dabei bedeutete die Arbeit nie Stress für sie, stellt sie klar. Außer in der Pandemie, denn da war Tigges-Haar gleichzeitig Klassenlehrerin, Schulleiterin und Corona-Beauftragte.

Immer wieder unterbricht die Rektorin das Gespräch für kurze Momente. Ruft ihre Mutter an, wie jeden Tag. „Sie ist meine große Stütze in dieser Zeit.“ Umarmt einen Kollegen, der durch die stets offene Tür hereinschaut. Streicht einem Kind übers Haar, das sich nochmal persönlich von ihr verabschieden möchte. Zeigt auf dem Handy, wie das Kollegium ihr ein Ständchen bringt: „Brauchen wir mal deine Hilfe, bist du immer für uns da“, singen sie.

Lesen Sie auch

„Jeder Schulleiter ist so stark wie sein Kollegium“, gibt Marion Tigges-Haar das Lob zurück. Und ist übrigens stolz darauf, dass auch drei Männer zu ihrem „jungen, dynamischen Team“ gehören. Sekretärin, Hausmeister, Schulaufsicht - allen gilt ihr Dank, mit allen sei sie hervorragend klargekommen. „Ich bin in Witten glücklich geworden.“

Von Anfang an war klar: Sie wollte nicht nur Lehrerin sein, sondern auch Rektorin. Organisieren, leiten, motivieren - „das ist mein Ding“. Und immer mit allen über alles sprechen: „Das ist ganz wichtig.“ An erster Stelle stehen dabei die Kinder. 260 sind es aktuell an der Hellwegschule.

„Die Klassen sind zu groß“

Viel hat Marion Tigges-Haar erlebt in ihrer Dienstzeit. „Grundschule ist einem ständigen Wandel unterworfen.“ Man sei in der Arbeit selbstständiger geworden. Eltern hätten mehr Mitspracherecht. Die Kinder seien heute offener, motivierter, aber auch ein Stück frecher.

Traurig ist sie darüber, dass die Kinder bei der Pisa-Studie so schlecht abschneiden. Obwohl es nicht verwundern muss: „Die Klassen sind zu groß.“ Um die 30 Mädchen und Jungen sind es jeweils an der Hellwegschule. Und in der OGS haben sie zu wenig Räume, als dass die Kinder in Ruhe ihre Hausaufgaben erledigen können. Manche von ihnen seien von morgens bis spätnachmittags da und ständigen Reizen ausgesetzt. „Doch sonst können wir nicht klagen.“ Vom Lehrermangel sei man immerhin nicht betroffen.

Die Hellwegschule in Witten-Heven: Marion Tigges-Haar war dort 22 Jahr lang Rektorin.
Die Hellwegschule in Witten-Heven: Marion Tigges-Haar war dort 22 Jahr lang Rektorin. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Was sie aber noch verletzt: Wenn jemand so pauschal dahinsagt, wie gut es Lehrer doch haben - sind nachmittags zuhause, verdienen viel Geld und können ständig in Urlaub fahren. „Nach dem Unterricht geht die Arbeitszeit daheim weiter“, betont Marion Tigges-Haar. „Ich weiß, was es heißt, Klassenarbeiten zu korrigieren.“ Aber sie will ja gar nicht meckern. „Ich finde den Beruf total klasse und habe mich wahnsinnig gefreut, dass meine Tochter Lehrerin werden wollte.“

Wichtig ist ihr auch soziales Engagement. Legendär ist das alljährliche Waffelbacken. Der Erlös geht an den Förderverein der Schule und den Kinderhospizdienst Ruhrgebiet in Herbede. Am 8. März ist es wieder so weit. Grund genug für Marion Tigges-Haar, zurück nach Witten zu kommen. Im Sommer dann hat sie das Kollegium bereits zu sich nach Hause eingeladen. Nicht, dass ihr sonst langweilig wäre: Sie engagiert sich im Heimatverein, ist im Förderverein der Kirche aktiv, hat einen großen Garten.

„Marion ist hundert Prozent und immer mit Herz“, fasst eine Lehrerin zusammen. Hätte die Rektorin das gehört, sie hätte schon wieder ein Taschentuch gebraucht.

+++Keine Nachrichten aus Witten mehr verpassen: Hier geht’s zu unserem kostenlosen Newsletter+++