Witten. Der Wechsel an der Spitze der Wittener Sparkasse ist vollzogen. Wir sprachen mit dem Vorstand über Kredite, Fusionen und schlaflose Nächte.

Wie fühlt es sich an, Frau Psarski, nach 170 Jahren als erste Frau an der Spitze der Wittener Sparkasse zu stehen?

Andrea Psarski: Ehrlich gesagt habe ich mir darüber bisher wenig Gedanken gemacht. Ich bin ja auch schon seit 2018 im Vorstand. Dabei handelt es sich um ein Kollegialorgan, in dem wir beide zusammenwirken (Anm. d. Red: stellvertretender Vorstandssprecher ist Mathias Wagner). Ich habe die Rolle der Sprecherin und Vorsitzenden. Dass es jetzt eine Frau ist, empfinde ich nicht als etwas Besonderes. Aber es ist auch schön. Das Zusammenwirken von Frau und Mann hat sich ja schon als erfolgreich erwiesen, hier und auch generell.

Welche Aufstiegschancen haben junge Leute bei der Sparkasse, auch junge Frauen?

Psarski: Ich spreche darüber schon, wenn ich die neuen Azubis begrüße. Es gibt in unserem Hause eine Vielfalt von Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, auch im Rahmen eines Studiums oder unserer Sparkassenakademie. Wir beide sind das beste Beispiel dafür, dass eigene Leute eine Chance bekommen. Drei Kollegen, die uns im Vorstand vertreten, sind auch schon lange im Haus. Wir ebnen gerade auch jungen Leuten den Sprung in die Führung.
Mathias Wagner: Es ist auch spannend, wie sich die Branche verändert, etwa in Richtung Digitalisierung. Diese permanente Veränderung kann man mitgestalten.

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Wie steht die Sparkasse aktuell da? Anders gefragt: Wie war 2023, wie wird 2024?

Andrea Psarski: Das letzte Jahr war nicht so wie das Vorjahr, das Wachstum war deutlich weniger ausgeprägt. 2023 wurde von Herausforderungen geprägt, die 2024 anhalten. Die Nachfrage nach Krediten hat deutlich nachgelassen, sodass wir bei den Kreditbeständen auf plus/minus null kommen. Bei den Unternehmen herrscht eine gewisse Verunsicherung, in welche Richtung sich die Wirtschaft entwickelt, sodass Investitionen geschoben werden. Das gilt auch für Häuslebauer. Die Nachfrage hat sich sehr abrupt abgekühlt.

2023 war eine Herausforderung und auch 2024 wird nicht leicht: Das neue Führungsduo Psarski/Wagner steuert die Sparkasse in allgemein schwierigen Zeiten.
2023 war eine Herausforderung und auch 2024 wird nicht leicht: Das neue Führungsduo Psarski/Wagner steuert die Sparkasse in allgemein schwierigen Zeiten. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Die Bauzinsen liegen inzwischen wieder bei drei bis vier Prozent....?

Mathias Wagner: Ja, und Eigenkapital hat wieder eine andere Bedeutung bekommen. 25 Prozent schadet nicht.

Warum zahlen Sie den Wittenern für ihr Erspartes nicht mehr Zinsen, obwohl die doch längst gestiegen sind?

Psarski: Der einjährige Sparbrief liegt bei drei Prozent. Es hat sich inzwischen bei einer Vielzahl von Produkten etwas geändert.

Aber fürs Tagesgeld bekommt man nicht viel...

Psarski: Wir sprechen von „Kündigungsgeld“ mit einer Laufzeit von mindestens 35 Tagen. Für dieses neue Produkt gibt es unter einem Prozent, weil es ein sehr kurz laufendes ist.
Wagner: Mit einfachem Tagesgeld ist die Inflation nicht zu kompensieren. Es geht darum, eine Strategie für die Geldanlage zu entwickeln, mit einem Teil Kündigungsgeld, einem Teil Sparkassenbrief und einem Teil Wertpapiere.

Warum soll ich eigentlich noch zur Sparkasse gehen, die ja selbst offensiv für Onlinebanking wirbt, ich bei den Direktbanken im Internet aber alles günstiger bekomme?

Psarski: Weil Sie von uns ganzheitlich beraten werden. Man muss sämtliche Anlageparameter berücksichtigen und sollte nicht nur einem Thema hinterherlaufen. Es geht darum, sich strukturiert mit seiner Geldanlage zu beschäftigen. Hier hat auch die jüngere Generation noch Nachholbedarf, der wir zwischen 18 und 25 Jahren ein kostenloses Girokonto und Depot anbieten. Bei der Vermögensbildung spielt auch die Vorsorge fürs Alter eine große Rolle. Ich denke, dass altersunabhängig Unterstützung gebraucht wird. Aber gerade bei Jüngeren wissen wir, dass dies eine Herausforderung ist, gerade in Internetzeiten.
Wagner: Bei der Baufinanzierung trifft man zum Beispiel eine Entscheidung für 30, 40 Jahre. Das ist nicht mal eben mit zwei Klicks abgeschlossen.

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Kommen Sie an die jüngeren Kunden überhaupt noch ran?

Psarski: Ja, die Frage ist in welchem Ausmaß. Unser Vorteil ist, dass meist die Eltern auch schon Kunden sind. Dann liegt es an uns, dass die jungen Leute bei uns bleiben. Das ist natürlich eine Herausforderung.
Wagner: Die Bedürfnisse haben sich komplett verändert. Man kann kostenlos mit dem Handy bezahlen oder an bestimmten Geldautomaten kontaktlos Geld abheben, indem man die Karte nur davor hält. Wir waren eine der ersten Sparkassen, die das eingeführt haben. Bei den Direktbanken gibt es auch keine persönliche Beratung.

Das Geschäftsjahr 2023

Da der Geschäftsbericht für das Vorjahr noch nicht veröffentlicht ist, nennt die Sparkasse zunächst nur ein paar Eckdaten. Die Bilanzsumme ist abermals leicht gestiegen, auf rund 2,6 Milliarden Euro. Die Spareinlagen haben sich um 102 Millionen Euro auf 1,8 Mrd. erhöht. Das Kreditvolumen ist mit 1,8 Mrd. Euro unverändert geblieben.

Wie sieht es bei den Zinsen aus Kundensicht aus? Für einen Sparkassenbrief mit einjähriger Laufzeit gibt es 2,75 Prozent, für zwei Jahre 2,6 Prozent, für den zehnjährigen Sparkassenkapitalbrief 3,3 Prozent. Die Spanne bei Tages- beziehungsweise „Kündigungsgeld“ reicht von 0,35 Prozent bis (nur bei sehr hohen Summen) drei Prozent.

Andrea Psarski (46), seit 2018 im Vorstand, trat zum 1. Januar die Nachfolge von Rolf Wagner als Vorstandssprecherin an. Sie bleibt Marktvorstand und damit für das gesamte Kundengeschäft verantwortlich. Die Wittenerin begann 1996 als Auszubildende bei der heimischen Stadtsparkasse. Ihr Stellvertreter Mathias Wagner (36) ist ebenfalls ein Eigengewächs und seit 2006 dabei. Er kümmert sich um die Verträge und das Risikomanagement.

Der Vorstandssprecher verdiente bisher 360.000 Euro im Jahr, seine Stellvertreterin 300.000 Euro. Die Gesamtsumme habe sich nicht verändert, sie werde aber anders aufgeteilt, so Andrea Psarski. Wie, das steht erst in einem der nächsten Geschäftsberichte. Psarski nennt als Hobbies Wandern und Skifahren, Wagner „Wandern, Konzerte, Kinder“.

Die Sparkasse hat rund 60.000 Girokonten. Verlieren Sie jedes Jahr Kunden?

Psarski: Im Geschäftlichen haben wir Kunden gewonnen, die privaten Girokonten sind ungefähr stabil geblieben.

Was haben Sie sich als Vorstand vorgenommen?

Wagner: Wir sind stolz darauf, was wir mit erreicht haben. Wir sind nach wie vor die Bank mit dem größten Marktanteil in Witten. Das soll auch künftig so bleiben. Die Sparkasse in Witten für die Wittener. Auch in diesen schwierigen Zeiten wollen wir eine vernünftige Finanzierung anbieten.
Psarski: Wir möchten mit unseren knapp 320 Mitarbeitenden weiterhin Gutes für Witten und damit für unsere Kunden tun. Ich glaube, dass wir sie und die Unternehmen angesichts von Herausforderungen wie der Energiekrise, Inflation und Transformation der Wirtschaft gut begleiten können, nicht nur als Kreditgeber. Wir hoffen, uns als starke Partner engagieren zu können.

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Mal ganz naiv gefragt: Was ist eigentlich Ihr Hauptgeschäft?

Psarski: Das Zinsergebnis ist das absolut Dominierende. Es geht nicht nur um Kredite, sondern das gesamte zinstragende Geschäft. Der Zinsüberschuss macht rund 70 Prozent der Erträge aus.

Vor knapp einem Jahr wurden die Kontogebühren erstmals nach vier Jahren wieder angehoben, um 2,50 Euro auf elf Euro im Monat. Stehen weitere Preiserhöhungen an?

Psarski: Das Girokonto bleibt in jedem Fall in diesem Jahr stabil. Auch beim Depotentgelt ist keine Änderung geplant. Andere Dinge hängen auch von unseren Dienstleistern ab, zum Beispiel Versicherungen.

Wann darf der Kämmerer endlich mal wieder mit einer Gewinnabführung für seinen Nothaushalt rechnen?

Psarski: Wir brauchen eine starke Sparkasse, um unsere Region unterstützen zu können. Deshalb ist es wichtig, wieviele Kredite wir durch unser Eigenkapital unterlegen können, auch zur Finanzierung der Transformation der Wirtschaft. Hier gibt es erhöhte Anforderungen der Bankenaufsicht. Es ist wichtig, handlungsfähig zu bleiben.

Das heißt, Überschüsse fließen weiterhin nur in die Eigenkapitalrücklage, Gewinne werden nicht wie in Bochum abgeführt.

Wagner: Der Verwaltungsrat gibt eine Empfehlung ab, wie der Jahresüberschuss zu verwenden ist. Je mehr Kapital wir haben, desto mehr Kredite können wir ausschütten. Momentan beträgt das Eigenkapital zirka 262 Millionen Euro.
Psarski: Es gibt auch eine deutliche Zuwendung für das Sponsoring, zuletzt in Höhe von 430.000 Euro.

Fusionen mit anderen Instituten sind weiterhin kein Thema?

Psarski: Hätten wir derartige Pläne gehabt, säße Herr Wagner nicht an meiner Seite. Wir sind ähnlich groß wie Sparkassen an Ennepe und Ruhr, die mehrfach fusioniert haben (Anm. d. Red.: Gemeint ist der Zusammenschluss von Gevelsberg, Wetter, Ennepetal und Breckerfeld). Wir fühlen uns sehr wohl. Größe ist auch nicht immer gut. Da kann Nähe verloren gehen. Wir schätzen kürzere Entscheidungswege.

Eine letzte Frage: Was bereitet Ihnen als Sparkassenvorstand schlaflose Nächte?

Psarski: Ich hatte schon diverse schlaflose Nächte. Das bringt die Verantwortung mit sich. Da ist das Thema Mitarbeiter, worüber man nachdenkt, die vielen Ad-hoc-Entscheidungen in der Corona-Zeit, die Ukraine und der Krieg mit all den Auswirkungen auf unsere Firmen und unser Gesamtportfolio. Die Börsen wurden auch durchgeschüttelt und wir sind ja auch Anleger. Und da ist das Thema Inflation mit einem Zinsanstieg, den wir in dieser Dynamik noch nicht gesehen haben.
Mathias Wagner: Wir sind eben mit viel Herzblut dabei. Heute Nacht habe ich aber gut geschlafen.

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