Witten. Wussten Sie, dass Weltmeister Franz Beckenbauer mal gegen den TuS Heven gespielt hat? Nach dem Turnier gab‘s Erbsensuppe in der Hellwegschule.
- „Kaiser“ Franz Beckenbauer persönlich kickte einst in Heven
- Anlass war die Einweihung des TuS-Sportplatzes 1985
- Bei einem Eintrittspreis von 10 Mark kamen 6000 bis 8000 Zuschauer
Fast 40 Jahre ist es her, dass „Kaiser“ Franz Beckenbauer über den Sportplatz des TuS Heven schwebte. Zur Einweihung des neuen Rasenplatzes im Jahr 1985 hatte der Vereinsvorsitzende Paul Rehwinkel (77) eine besondere Überraschung parat: Die Uwe-Seeler-Traditionself samt Kapitän Beckenbauer. Nach dem Tod der Fußballikone am Sonntag, 7. Januar, erinnert sich der damalige Vorsitzende zurück an bodenständige Stars und das „Jahrhundertspiel für den TuS Heven“.
Paul Rehwinkel muss schlucken, seine Stimme zittert und bricht weg: Der Tod von Franz Beckenbauer geht dem 77-Jährigen wirklich nah. „Entschuldigen Sie bitte. Ich weiß nicht, wie ich es bezeichnen soll. Es bleibt einem das Herz stehen.“ Ohne Rehwinkels Einsatz hätte der „Kaiser“ wohl nie Wittener Fußballrasen betreten. Über einen Bekannten kam Rehwinkel damals an die Telefonnummer des Managers der stargespickten Uwe-Seeler-Traditionself. „Hol sie, wenn du sie bekommen kannst“, riet der Bekannte - er hatte das Spektakel schonmal live erlebt.
Starspieler aus dem Katalog bestellt
Die Auswahl der Mannschaft erfolgte - typisch 80er Jahre - per Katalog. „Ich sollte mir aussuchen, wer spielen soll“, sagt Rehwinkel. Er pokerte hoch. „Thiago oder nix“, forderte Pep Guardiola einst bei den Bayern und bekam seinen Wunschspieler. „Beckenbauer oder nix“, forderte Rehwinkel für den TuS Heven. Auch er bekam seinen Willen. Wirklich dran geglaubt hatte im Verein damals niemand. „Den bekommst du nie im Leben“, hieß es.
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Das Engagement der Stars erfolgte selbstverständlich gegen Bezahlung. Was er damals bezahlen musste, verrät Rehwinkel nicht. Bei einem Eintrittspreis von 10 Mark und 6000 bis 8000 Zuschauern habe man die Gage locker wieder eingespielt. „Das war der Hammer, sowas hatte man in Witten noch nie erlebt.“
Beckenbauer beeindruckt mit Traumpässen
Das Ergebnis des Spiels ist leider nicht überliefert. Heven habe hoch verloren, erinnert sich Vereinsmitglied Roland Lappe, soviel sei klar. „Das war kein Spiel ‚alt gegen jung‘, das war ‚gut gegen weniger gut‘“, erinnert sich Rehwinkel. „Die haben uns dermaßen auseinandergenommen - und wir waren damals ja gar nicht mal schlecht.“
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Die ehemaligen Weltmeister haben also keine ruhige Kugel geschoben, sondern auch gegen die unterklassigen Kicker richtig aufgedreht. „Beckenbauer stach absolut heraus. Der hat im Stehen Pässe über 20 oder 30 Meter geschlagen, perfekt in den Lauf. Der Mitspieler musste den Ball nur noch ins Tor schießen.“ Neben Beckenbauer liefen noch die Weltmeister Rainer Bonhof und Wolfgang Overath und Europapokalsieger Siggi Held auf.
Die Bodenständigkeit der Stars hat Rehwinkel damals besonders beeindruckt. Die machten nämlich auch neben dem Platz eine gute Figur. „Mit dem Spiel hatten sie ihren Soll erfüllt. Sie hätten nach Hause fahren können. Alle sind dageblieben und haben fleißig Autogramme geschrieben und standen für jede Frage parat.“
Beckenbauer: Der nahbare Star
Rehwinkel beschreibt die Fußballikone als nahbaren Mann ohne große Starallüren. Laut einem Bericht der WAZ stellte sich Beckenbauer artig in die Schlange, um sich in der Schulaula eine Portion Erbsensuppe abzuholen. Im August 1985 war das Vereinsheim des TuS Heven noch nicht fertiggestellt, deswegen musste die Hellwegschule als Alternative herhalten.
Nach dem Spiel habe Beckenbauer ihm die Hand auf die Schulter gelegt und ihn beglückwünscht: „Du hast aber nen schönen Sportplatz.“ Auf diesen Ritterschlag ist Rehwinkel noch heute hörbar stolz. „Ich habe meiner Frau gesagt, dass ich die Schulter fünf Wochen nicht waschen werde, weil der Beckenbauer mich da berührt hat“, so Rehwinkel.
Diesen Text haben wir erstmals kurz nach dem Tod der Fußballikone am 10. Januar veröffentlicht. Wir finden ihn so lesenswert, dass wir ihn noch einmal publizieren.
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