Witten. Erstmals steht an der Spitze des Wittener Bauordnungsamtes eine Frau. Sie spricht über den Antragsstau und einen Wunsch an die Bürger.
An der Spitze des Wittener Bauordnungsamtes steht erstmals eine Frau. Barbara Tebbe (51) hat vor kurzem den Posten übernommen. Sie tritt die Nachfolge von Georg Thomys an, der jetzt für seine Heimatstadt Hagen arbeitet. Er hatte vor zwei Jahren Rainer Lohmann abgelöst, der die Stelle über ein Vierteljahrhundert inne hatte. Zum Gespräch treffen wir die neue Leiterin in ihrem Büro im Technischen Rathaus an der Annenstraße.
Frau Tebbe, konnten Sie sich in den ersten Wochen in ihrer neuen Stelle schon ein wenig einleben?
Auf jeden Fall. Zugute kommt mir ja, dass ich schon 2008 im Wittener Bauordnungsamt angefangen und 1999 im heimischen Planungsamt das Referendariat für den höheren bautechnischen Dienst absolviert habe.
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Danach haben Sie dann zunächst für eine andere Stadtverwaltung gearbeitet?
Nein, ich habe in der Zwischenzeit eine berufliche Pause für meine drei Kinder eingelegt. Nach der Rückkehr war es durchaus sportlich, Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Das hat aber geklappt.
Was hat sie viele Jahre später bewogen, sich um die Amtsleitung für eine Genehmigungsbehörde wie das Bauordnungsamt zu bewerben, eine Aufgabe, die wohl kaum vergnügungssteuerpflichtig sein dürfte?
Zunächst glaube ich, dass ich mit Kritik ganz gut umgehen kann. Nun erlebt unsere Arbeit, wie natürlich auch die meisten anderen Berufe, durch den digitalen Wandel erhebliche Veränderungen. Damit sind viele Chancen verbunden. Man muss aber auch genau hinsehen, um die Weichen richtig zu stellen. Genau das kann und möchte ich mit dieser Stelle, zu der auch die Bauberatung gehört.
Das hört sich so an, als ob bislang nicht alles glatt verlaufen wäre...
Wir sind in der Tat mit einem Projekt an den Start gegangen, das mittlerweile auf Eis liegt. Gemeint ist die digitale Bauakteneinsicht. Wir haben sogar damit geworben, dass beispielsweise Hausbesitzer oder Gutachter die umfangreichen und archivierten Unterlagen zu einem Gebäude online zur Verfügung gestellt bekommen. Doch die Nachfrage hat uns quasi überrollt. Viele Leute wollten die Infos für ihre Grundsteuererklärung haben. Doch die gesamten Aktenberge zu scannen, das dauert länger als gedacht. Aber wir bleiben dran und hoffen, dass es mit dem Angebot bald klappt.
Wie weit sind denn inzwischen die Pläne gediehen, Bauanträge digital einzureichen? Das soll schließlich die Arbeit aller Beteiligten in der Verwaltung als auch der Architekten erleichtern.
Derzeit läuft ein Pilotprojekt mit einem örtlichen Architekturbüro, das uns über ein eigenes Portal sämtliche Unterlagen zuschickt. Doch hin und wieder hapert das Verfahren noch, treten Fehler auf. Erst wenn alle Schwachstellen beseitigt sind, soll der digitale Weg für die Allgemeinheit geöffnet werden.
Werden eigentlich momentan alle übrigen Bauanträge noch auf Papier eingereicht?
Das ist so. Die umfangreichen Unterlagen müssen dann gescannt werden, um sie an Behörden wie das Planungsamt oder an den EN-Kreis direkt weiterleiten zu können. Das Scannen dauert natürlich seine Zeit, daher möchte ich, dass es mit dem digitalen Bauantrag nicht mehr lange dauert.
Apropos dauern: Wie viele Bauanträge sind aktuell nicht bearbeitet?
Da wir derzeit unser gesamtes System umstellen, kann ich keine genauen Zahlen nennen. Aber wir haben natürlich Rückstände, sehen aber zu, dass die von Tag zu Tag geringer werden.
Wieso ziehen sich Verfahren eigentlich oftmals in die Länge?
Hier spielen ganz unterschiedliche Gründe eine Rolle. Das fängt meist schon damit an, dass Anträge unvollständig sind. Bis die Unterlagen nachgereicht werden, geht einige Zeit ins Land. Häufig gibt es in den Verfahren auch Nachfragen. Die zu klären kostet ebenfalls Zeit. Darüber hinaus erhalten wir zunehmend Anträge für An- und Umbauten. Die zu prüfen ist in der Regel sehr viel aufwendiger, als wenn es sich um einen Neubau dreht. Man muss sich nämlich das bestehende Gebäude genau anschauen und vor allem durchchecken, wie die Erweiterung dazu passt und ob auch alle Richtlinien der Bauordnung erfüllt sind. Beispiel Barrierefreiheit. Ist die nicht in ausreichendem Maß gegeben, kann der Eigentümer um die einzelne Vorgabe herumkommen. Dazu muss er aber beispielsweise nachweisen, dass die Kosten immens hoch wären. Erst wenn solche Details geklärt sind, kommen wir in dem Verfahren weiter.
Einen Aspekt haben Sie noch nicht angesprochen, der in der Vergangenheit immer zu hören war: Danach fehlt dem Bauordnungsamt Personal.
Bis vor kurzem war das auch noch so. Dadurch hat sich auch ein gewisser Antragsstau gebildet. Doch mittlerweile sind die vier offenen Stellen im Bereich der Bauaufsicht endlich besetzt. Besonders möchte ich auf den Leiter der Bauaufsicht hinweisen. David Ernesti unterstützt die Sachbearbeiter, die für technische Belange zuständig sind und nimmt sich des Controllings an.
Lediglich im Bauservicebüro, das Häuslebauer berät, ist aktuell noch ein Platz unbesetzt. Daher bin ich ganz optimistisch, dass wir mit den Anträgen auch vorankommen, wobei uns manchmal auch ganz andere Aufgaben zusätzlich belasten.
Was meinen Sie damit?
Uns erreichen per Mail, Telefon oder Brief eine Menge Anfragen. Da will ein Bürger wissen, ob auf seiner Terrasse ein zusätzliches Dach erlaubt ist. Ein Nachbar meint, dass bei dem Anbau einer Kfz-Werkstatt etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Unter Umständen hat auch eine Behörde davon Wind bekommen. Oder ein Hausbesitzer möchte eine Mobilfunkantenne errichten und fragt, ob er das auch darf. Auch um solche Fälle kümmert sich das Team, wofür schnell mehrere Arbeitsstunden draufgehen. Die Zeit fehlt aber dann wieder, um sich Bauanträgen zu widmen.
Landauf, landab heißt es, dass viel zu wenig neue Wohnungen entstehen, vor allem fehle es an Sozialwohnungen. Wie ist die Lage in Witten?
Auch in Witten geht die Zahl der Sozialwohnungen jährlich zurück, u.a. weil Bindungen auslaufen und sehr wenig öffentlich geförderte Wohnungen in der Vergangenheit gebaut worden sind. Ein Bauordnungsamt kann die Entwicklung als solche ja nicht beeinflussen. Allerdings mache ich beispielsweise gerade Investoren auf die Möglichkeit des öffentlich geförderten Wohnungsbaus aufmerksam und weise auf die Kontakte beim Kreis hin.
Wenn Sie in ihrer Funktion als Amtsleiterin einen Wunsch frei hätten, wie würde der lauten?
Ich möchte dafür werben, dass die Bürger Verständnis für die Erfordernisse aufbringen, die heutzutage die Bauverfahren mit sich bringen. Die Gesetzeslage ist immer komplexer geworden, die Anforderungen an den Wohnungsbau sind gestiegen. Das möchten wir den Leuten auch so rüberbringen.
Schaffen Sie es eigentlich gerade nach stressigen Tagen mit vielen Terminen und Gesprächen, abzuschalten?
Durchaus. Ich wohne mit meinem Mann, der übrigens als Architekt arbeitet, und unseren Kindern in Herdecke. Vor allem unser Garten lädt zur Entspannung ein.