Witten. Inklusionshelfer sollen künftig besser auf die Wittener Schulen verteilt werden. Das wird bald in einem Modellprojekt getestet. Wer mitmacht.

Witten will beim Thema Inklusion neue Wege beschreiten. Zunächst sollen vier Schulen modellhaft von der Stadt mit Inklusionsassistenten ausgestattet werden. Bislang mussten Eltern jeweils für den Einzelfall eine Schulbegleitung beantragen.

Von dem neuen System erhofft sich die Stadt eine gleichmäßigere Verteilung der Assistentinnen und Assistenten, weniger Stigmatisierung für die Kinder – und auf Dauer niedrigere Ausgaben. Schon im zweiten Schulhalbjahr 2023/24 startet das Projekt an der Hellweg- und der Hüllbergrundschule, ebenso an der Helene-Lohmann-Realschule und der Hardenstein-Gesamtschule. Wie Nina Brons vom Jugendamt im letzten Schulausschuss sagte, ist das neue Modell auch auf Wunsch der Schulleitungen und in enger Abstimmung mit diesen entstanden.

An manchen Schulen gibt es zu viele, an anderen zu wenige Inklusionshelfer

So sei derzeit etwa die Anzahl der Schulassistenzen in einzelnen Klassen zu hoch und es gebe insgesamt zu viele Helfer pro Schule, schilderte Brons die Lage. Oft arbeiteten die Schulen mit mehreren Trägern zusammen, was die Organisation und Absprachen erschwere. Andere Schulen hätten hingegen zu wenige Erwachsene, die die Kinder unterstützen. „Das kann an der komplexen Antragsstellung liegen oder am mangelnden Interesse der Eltern“, sagt die für „Hilfen zur Erziehung“ zuständige Jugendamtsmitarbeiterin.

Die Hüllbergschule ist eine von vier Schulen in Witten, die an einem Modellprojekt zur besseren Verteilung von Inklusionsassistenten teilnimmt.
Die Hüllbergschule ist eine von vier Schulen in Witten, die an einem Modellprojekt zur besseren Verteilung von Inklusionsassistenten teilnimmt. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

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Hier will die Stadt nun mit einem sogenannten „Infrastrukturmodell“ Abhilfe schaffen. Ohne dass sich Eltern darum kümmern müssten, stehen dann an den vier Modellschulen Schulassistentinnen und -assistenten bereit. Wie viele, das wurde mit den jeweiligen Schulleitungen und den Trägern abgestimmt – und in Stunden umgerechnet, da viele der Assistenten Teilzeitverträge haben. Die Hellwegschule bekommt für einen Modellzeitraum von 2024 bis 2026 40 Stunden Schulassistenz am Tag, die Hüllbergschule 30, die Helene-Lohmann-Realschule 35 und die Hardenstein-Gesamtschule 55 Stunden.

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Anträge für Schulbegleiter steigen stetig an

Die Stadt erhofft sich von der neuen Lösung auch die Möglichkeit, die Ausgaben in diesem Bereich besser steuern zu können. Denn immer mehr Anträge auf Schulbegleitung gehen bei ihr ein. Einen Anspruch darauf haben Kinder und Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung. Dieser Einzelanspruch bleibt theoretisch auch bestehen. Das heißt, Eltern könnten trotz der neuen Lösung weiterhin eine individuelle Begleitung für ihr Kind beantragen. In diesem Zusammenhang geht es ausdrücklich nicht um Schüler mit körperlichen Behinderungen.

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Nach Rücksprachen hoffe man aber, dass keine oder nur wenige Eltern davon Gebrauch machen werden. Die Realität sei ohnehin eine andere. „Man findet auf dem Markt ja kaum noch Inklusionshelfer“, sagt Bildungspolitikerin Regina Fiedler (CDU). Manche Eltern würden schon verzweifelt ein halbes Jahr oder länger suchen. Auch deshalb sei man von der neuen Idee angetan.

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Konzept kommt bei Fraktionen gut an

Das gilt auch für die anderen Fraktionen im Ausschuss. Das werde „eine Bereicherung für jede Schule“, zeigte sich Gabriele Günzel (SPD) zuversichtlich. Auch der Ausschussvorsitzende Arnold Evertz (Grüne) fand nur lobende Worte für dieses „Konzept der Zukunft“. Für manche Schulen bedeutet das aber erst einmal weniger Inklusionshelfer als bisher.

Neues Modell kostet erstmal mehr

Im Schuljahr 2022/23 zahlte die Stadt als Träger der Jugendhilfe für die Inklusionsassistenten an den vier Modellschulen rund 577.000 Euro im Jahr. Das neue Modell kostet insgesamt über eine Millionen. Durch eine vom Land und teils vom EN-Kreis gezahlte Inklusionspauschale sinken die Kosten für die Stadt aber auf rund 586.000 Euro, also rund 9000 Euro mehr als bisher. Diese Summe sei über das aktuelle Budget des Amtes für Jugendhilfe und Schule finanzierbar.

Am Beginn des Projekts wird es aber auch zu Überschneidungen und Mehrkosten kommen. Etwa wenn eine bereits bewilligte Individualbegleitung zeitgleich weiter läuft. Auf lange Sicht sollen aber alle Helfer Teil des Infrastruktursystems werden.

„55 Stunden für die Hardensteinschule halte ich für viel zu gering“, gab Günzel zu Bedenken. Aktuell gebe es dort pro Woche 390 Stunden. Das reduziert sich mit Start des neuen Halbjahrs: Dann sollen dort nur noch Helfer mit einem Stundenumfang von zusammen 275 Stunden pro Woche arbeiten. Das sei auch so mit der Schulleitung abgestimmt, versicherte Jugendamtsleiterin Corinna Lenhardt.

„Mehr Personal bedeutet nicht automatisch bessere Qualität“

Zudem sei ein mehr an Personal nicht automatisch mit mehr Qualität gleichzusetzen, erklärte Nina Brons vom Jugendamt. Es herrsche starke Konkurrenz um gute Inklusionshelfer. Diese wanderten in andere pädagogische Bereiche ab. Da im neuen Modell jede Schule nur noch Personal von einem Träger bekommen soll, hoffen Schulleitungen wie Erika Hoos von der Helene-Lohmann-Realschule dadurch auch auf eine längere Bindung der Fachkräfte an die Schule. „Derzeit haben wir viel Wechsel.“

Läuft das Modellprojekt gut, soll es im Anschluss auch auf die anderen Schulen der Stadt ausgeweitet werden. In diesem Jahr werden in Witten 159 Kinder durch Schulassistenzen betreut. Zum Vergleich: 2018 waren es nur 40.

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