Witten/Bochum. Eine psychisch kranke Wittenerin legt immer wieder Feuer. Ein Gericht zweifelt trotzdem an ihrer Allgemeingefährlichkeit. Wie passt das zusammen?

Was passiert mit einer psychisch kranken Brandstifterin (21), die immer wieder Feuer legt, aber als schuldunfähig gilt? Vor dem Bochumer Landgericht wurde jetzt bekannt. dass ein anderes Gericht sich nur wenige Wochen vor zwei Bränden in Vormholz noch gegen ein Unterbringungsverfahren entschieden hat – entgegen einer Gutachtenempfehlung inklusive Gefährlichkeitsprognose und trotz Kenntnis von vorausgegangenen, ähnlichen Brandereignissen.

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Eine Strafkammer am Landgericht Hagen hatte am 7. November 2022 noch die Eröffnung eines sogenannten Sicherungsverfahrens, wie es jetzt von Bochum aus geführt wird, gegen die Frau aus Witten abgelehnt – mit Blick auf „keine erheblichen Anlasstaten“, wie es damals hieß. Dieser Beschluss wurde jetzt in Bochum vor der Zwölften Strafkammer im Zuge der Erörterung der juristischen Vorgeschichte verlesen. Bei einem Sicherungsverfahren geht es um die Anordnung von möglichen „Maßregeln“, wenn der oder die Angeklagte ansonsten als schuldunfähig gilt.

Die 21-jährige Frau soll seit 2020 in Hattingen und Ennepetal immer wieder Pflegekräfte angegriffen, mit Stühlen, Tischen und Blumentöpfen beworfen, dem Personal blutige Kratzwunden zugefügt, Polizeibeamte getreten und mit Steinen beworfen haben.

Wittenerin legte zwei Brände in Vormholz

Die Hagener Richter entschieden, dass diese Vorfälle „nicht geeignet sind, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen“. Unterm Strich bestünden „erhebliche Zweifel“, dass vergleichbare Taten gegen unbeteiligte Dritte drohen. An dieser Einschätzung könnten auch zwei Brandlegungen in Vormholz – ein Matratzenbrand am 11. Mai 2022 und ein Wäschebrand im Kinderzimmer am 27. September 2022 – nichts ändern.

Das Land- und Amtsgericht in Hagen hatte die Eröffnung eines Sicherungsverfahrens gegen die Wittenerin abgelehnt.
Das Land- und Amtsgericht in Hagen hatte die Eröffnung eines Sicherungsverfahrens gegen die Wittenerin abgelehnt. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Man verkenne nicht, „dass Zündeln das Risiko einer Fremdgefährdung erhöht“, hieß es zwar. Nichtsdestotrotz reiche es in der Gesamtschau für ein Verfahren zur „Prüfung einer Sicherungsmaßregel“ (unter anderem Psychiatrie-Einweisung) nicht aus.

Bemerkenswert: Ein Sachverständigengutachten vom 10. Oktober 2022 hatte dem Gericht eine Psychiatrie-Einweisung der Wittenerin zum Schutz der Allgemeinheit ausdrücklich empfohlen. Die Richter bewerteten die Expertise, wie es jetzt hieß, aber als „zweifelhaft“.

Angeklagte: „Das Feuer habe ich gelegt, weil ich alle umbringen wollte“

Im aktuellen Verfahren geht es um zwei weitere Brandlegungen. Rund drei Monate nach der Hagener Ablehnung eines Sicherungsverfahrens hatte die seit dem 14. Lebensjahr an paranoider Schizophrenie erkrankte Wittenerin am 12. Februar im Bad einen Kleiderhaufen angezündet, danach Rettungskräfte attackiert.

Am 7. März hatte die Beschuldigte nachts im Spitzboden ihres Wohnhauses Feuer gelegt, sich danach verbarrikadiert. Familienangehörige befanden sich im Untergeschoss. „Als die Feuerwehr eintraf, standen die Flammen etwa einen Meter hoch“, hieß es. Und: „Zehn Minuten später“ hätte der Dachstuhl in Flammen gestanden.

Seit dem 30. März ist die junge Frau jetzt in einer LWL-Klinik untergebracht. Das Gerichtsverfahren findet „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit“ in ihrer Abwesenheit statt. Es geht nur um die Prüfung einer Einweisung in eine forensisch-psychiatrische Klinik zum Schutz der Allgemeinheit.

Eine klassische Bestrafung ist wegen Schuldunfähigkeit ausgeschlossen. Immer wieder war die Wittenerin zuletzt auch in der vorläufigen Unterbringung durch Tobsuchtsanfälle und Suizidversuche aufgefallen. In einem speziellen Schutzraum mit Durchreiche hatte die 21-Jährige („Ich bin gesund“) gegenüber einer Bochumer Richterin zugegeben: „Das Feuer habe ich gelegt, weil ich alle umbringen wollte.“

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