Witten. Wie schneidet Witten bei jungen Familien ab? Wir haben nachgefragt und hören vom Kitaplatzmangel, dürftigen Radwegen, guten Freizeitangeboten.

Was bewegt junge Eltern in Witten? Das wollten wir wissen und haben deshalb zu einer ersten WAZ-Familienkonferenz ins Café Krümelreich in der Stadtgalerie eingeladen. In lockerer Atmosphäre tauschten wir uns dort mit Müttern und Vätern aus. Dabei hat sich ein gemischtes Bild gezeigt: Die meisten jungen Familien leben sehr gerne in der Ruhrstadt, doch vor allem das Thema Kita-Plätze belastet sie stark. Auch an einigen anderen Stellen hakt es.

Der Hohenstein, das Muttental, der Kemnader See und allgemein die vielen Möglichkeiten, sich in der Natur aufzuhalten – vor allem das heben die Eltern, mit denen wir ins Gespräch gekommen sind, an Witten hervor. Ihnen gefallen auch die Initiativen zur Nachhaltigkeit, etwa die Bio-Supermärkte oder das Repair-Café. Überhaupt, das bürgerschaftliche Engagement – wie etwa auch das Krümelreich selbst, hinter dem der inklusive Verein „Meisterwerk Mensch“ steckt – machen die Ruhrstadt für Eltern mit kleinen Kindern so richtig lebens- und liebenswert.

Was bewegt junge Eltern? Die Die WAZ-Redakteurinnen (und Mamas) Stephanie Heske (re.) und Susanne Schild (hinten) befragten Mütter und Väter aus Witten bei der Familienkonferenz im Café Krümelreich in der Stadtgalerie.
Was bewegt junge Eltern? Die Die WAZ-Redakteurinnen (und Mamas) Stephanie Heske (re.) und Susanne Schild (hinten) befragten Mütter und Väter aus Witten bei der Familienkonferenz im Café Krümelreich in der Stadtgalerie. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Fehlende Betreuungsplätze sind Thema Nummer 1

Auf der negativen Seite steht wenig überraschend das Thema Betreuung ganz oben auf der Mängelliste. „Im Krankenhaus hat meine Bettnachbarin noch am Tag der Geburt ihr Kind angemeldet“, erzählt Derya Bayrakdar, während ihre Töchter Leyla und Yla zeitgleich an ihrer Mama zerren. Auch Anne Bartos (39) bangt bereits jetzt um einen Betreuungsplatz in einer Kita für ihren zweijährigen Sohn Bo. Aktuell geht der noch zur Tagesmutter und seine Muter ist mit dem drei Monate alten Bruder Bela zuhause. Im nächsten Sommer aber soll Bo in eine Kita wechseln. Angemeldet ist er schon in sechs. Doch Hoffnungen hat die Familie aus Bommern wenig.

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„Bei unserer Wunschkita kommen 120 Anmeldungen auf zwei freie Plätze für über Dreijährige“, sagt Anne Bartos. Und bei den anderen sehe es genauso aus. Unter der Ungewissheit, ob es mit dem Betreuungsplatz im nächsten Jahr klappt oder nicht, leidet die Familie, die nicht planen kann, wie es weitergeht. „Man ist sehr fremdbestimmt“, sagt die Leiterin einer Polizeiinspektion mit 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

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Doch auch schon die Plätze bei Tagesmüttern sind nicht ganz leicht zu bekommen, wie Ayesha Keller erfahren musste, die das „International Office“ an der Uni Witten leitet. In der Ruhrstadt gebe es deutlich mehr Bürokratie für Tageseltern als etwa in Bochum, so die Mutter eines einjährigen Sohnes. Was in den Augen der 33-Jährigen dazu führt, dass sich weniger Menschen für diesen Job entscheiden.

Redakteurinnen der WAZ suchten Gespräch mit jungen Eltern

WAZ-Redakteurin Susanne Schild hat ihre Freude an der acht Monate alten Yla bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
WAZ-Redakteurin Susanne Schild hat ihre Freude an der acht Monate alten Yla bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
Mutter Anne hat ihre Kinder Bela, 3 Monate, vorn, und Bo, 2, mitgebracht zu der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Mutter Anne hat ihre Kinder Bela, 3 Monate, vorn, und Bo, 2, mitgebracht zu der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
Die WAZ-Redakteurinnen Susanne Schild, im Hintergrund mit hellrotem Pulli, und Stefanie Heske, vorn rechts, diskutieren mit jungen Müttern bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Die WAZ-Redakteurinnen Susanne Schild, im Hintergrund mit hellrotem Pulli, und Stefanie Heske, vorn rechts, diskutieren mit jungen Müttern bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
Leyla genießt eine süße Waffel bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Leyla genießt eine süße Waffel bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
Die WAZ-Redakteurinnen Susanne Schild, im Hintergrund mit hellrotem Pulli, und Stefanie Heske, vorn rechts, diskutieren mit jungen Müttern bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Die WAZ-Redakteurinnen Susanne Schild, im Hintergrund mit hellrotem Pulli, und Stefanie Heske, vorn rechts, diskutieren mit jungen Müttern bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
WAZ-Redakteurin, rechts, unterhält sich mit Derya, 2. von links, und ihren Kindern Leyla, links, und Yka, 2. von rechts, bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
WAZ-Redakteurin, rechts, unterhält sich mit Derya, 2. von links, und ihren Kindern Leyla, links, und Yka, 2. von rechts, bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
WAZ-Redakteurin Susanne Schild, links, mit hellrotem Pulli, diskutiert mit jungen Eltern bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
WAZ-Redakteurin Susanne Schild, links, mit hellrotem Pulli, diskutiert mit jungen Eltern bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
Matthias führt seinen Spielzeug-Gabelstapler vor bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Matthias führt seinen Spielzeug-Gabelstapler vor bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
WAZ-Redakteurin Susanne Schild, links, mit hellrotem Pulli, diskutiert mit jungen Eltern, hier mit Besan und Anni, bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
WAZ-Redakteurin Susanne Schild, links, mit hellrotem Pulli, diskutiert mit jungen Eltern, hier mit Besan und Anni, bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
Bo, 2, hat Spaß an der lebhaften Diskussionsrunde bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Bo, 2, hat Spaß an der lebhaften Diskussionsrunde bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
Vater Ahmet ist stolz auf seine Töchter Leyla, links, und Yla bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Vater Ahmet ist stolz auf seine Töchter Leyla, links, und Yla bei der Familienkonferenz mit Jungen Eltern und Redakteurinnen der WAZ Witten am 19. Oktober 2023 im Cafe Krümelreich in der Stadtgalerie an der Hammerstraße in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald
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Barrierefreiheit und Verkehr

Das Thema Barrierefreiheit treibt Tillman Meyer (37) und Kathrin Meyer-Uhlenbruch (31) um. Das Paar lebt mit dem drei Monate alten Sohn in Annen. Dass der Bahnhof dort keinen Aufzug hat, ist seit Jahren immer wieder in der Kritik, doch es geschieht nichts. Für Familie Meyer bedeutet dies, dass sie trotz eigentlich guter Verbindungen aufs Auto statt auf Bus und Bahn setzen muss. Denn mit einem Kinderwagen ist es nahezu unmöglich, in Annen an die Gleise zu gelangen. Und was fehlt noch in der Stadt?

Zum Beispiel Angebote für Kinder bis etwa zwei Jahre auf den sonst wirklich „tollen“ Spielplätzen im Stadtgebiet. Einhellige Meinung: „Der Spielplatz im Voß’schen Garten bietet zu wenig für die Kleinsten und der im Lutherpark ist oft zu dreckig“, sagt Maren Mertens. Überhaupt sollten die Spielplätze besser eingezäunt sein.

6831 Kinder und Jugendliche leben in der Stadt

In Witten leben derzeit (Stand: 30.6.2023) insgesamt 6831 Kinder und Jugendliche. Davon sind 395 Mädchen und Jungen zwischen null und drei Jahre alt, 883 sind zwischen drei und sechs Jahre alt, also im Kita-Alter. Außerdem leben 1683 Sechs- bis Zehnjährige in der Ruhrstadt, 2835 Zehn- bis 16-Jährige und 1017 16- bis 18-Jährige.

Zum Start des Kita-Jahres im August fehlten in der Ruhrstadt noch rund 500 Plätze. Die Hälfte der unversorgten Kinder war über drei Jahre alt, die andere Hälfte jünger. Bei über 50 Kindern bestand noch ein dringlicher Bedarf. Aktuellere Zahlen möchte das Jugendamt auf Nachfrage nicht nennen. Erst nach der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 2. November will man neue Zahlen veröffentlichen.

Ganz generell fehlt ein richtiger Spielplatz im Stadtteil Bommern, wie Anne Bartos betont, die aktuell immer auf den Hohenstein fährt – wohlgemerkt mit dem Auto, weil sie sich mit Fahrrad und Kind nicht über die Kreuzung an der Ruhrstraße traut. Auch Ayesha Keller hat ein mulmiges Gefühl, wenn sie mit Fahrrad und Kind auf Wittens Straßen unterwegs ist.

Bessere Beratung und mehr Kursangebote

Die Teilnehmenden wünschen sich außerdem eine Beratung der Stadt zum Thema Kindergeld. Ebenso einen Ausbau der frühkindlichen Förderkurse. Diese seien zwar toll, aber eben auch schnell ausgebucht. Es gebe zwar immer weitere private Angebote für Selbstzahler, aber das treibe eben auch die gesellschaftliche Spaltung voran, meint Ayesha Keller.

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Insgesamt fühle man sich zunächst nicht sonderlich willkommen, sagt Tillman Meyer. Das Erste, was er nach der Geburt seines Kindes von der Stadt bekommen habe, sei die Rechnung für die Geburtsurkunde gewesen. „Ohne Glückwünsche oder etwas Ähnliches, einfach nur die nüchterne Zahlungsaufforderung.“ An sich sei das nicht schlimm, aber die Stadt könne mit sehr wenig Aufwand – nämlich einem netten einleitenden Satz – einen ganz anderen Eindruck bei frischgebackenen Familien hinterlassen.

Derya Bayrakdar hat für die Ruhrstadt aber auch viele positive Worte. „Jede Woche ist hier was Schönes los, wenn man mit Kindern etwas unternehmen möchte.“ Zuerst habe die Familie in Hilden gewohnt, dort habe es lang nicht so viele Angebote gegeben. Jetzt hat die Familie zum Beispiel das Lichterfest im Stadtpark, das Entenrennen und die „Waldläufer“-Spaziergänge am Hohenstein mitgemacht. „Man muss sich nur erkundigen und etwas hinterhersein. So schlecht ist es hier nicht!“

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