Witten. Die Stadt hat ihre Markierungsarbeiten an der unteren Ruhrstraße in Witten beendet. Können Radfahrer sie nun gefahrloser passieren? Ein Test.
Autofahrer und Radfahrer sehen auf der vielbefahrenen unteren Ruhrstraße buchstäblich rot. Gerade die gefährlichen Einmündungsbereiche Gasstraße, Mühlengraben und Cafe del Sol wurden in den letzten Tagen entsprechend markiert. Clou des Ganzen ist eine „Protected Bike Lane“, ein besonders gesicherter Abschnitt. Aber können die Fahrradfahrer jetzt wirklich auf der „Wutkreuzung“ aufatmen?
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Um gleich ein erstes Fazit zu ziehen: Ja, es ist besser geworden. Darin herrscht Einigkeit. „Vorher war’s gruselig“, sagt Radfahrer Marc (55). Fragt man Fahrradbotschafter Andreas Müller nach einer Schulnote, sagt er: „Früher hätte ich eine sechs gegeben, jetzt eine 3+.“ Jahrelang hatte die Radlobby für eine Entschärfung der unteren Ruhrstraße gekämpft. Wir machten jetzt den Test, um zu sehen, was sich verändert hat.
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Stadtauswärts, in Höhe Gasstraße („Wutkreuzung“), bleiben wir an der kleinen neuen Radfahrerampel hinter der Unterführung stehen. Wir bekommen etwas früher Grün und somit einen kleinen Vorsprung vor den Autofahrern. Rot gekennzeichnet, geht’s sicher über die Einmündung Gasstraße. Am Ende lassen zwei weiße Pfeile dem Radfahrer die Wahl, wie er nun weiterfahren kann: auf der Straße oder dem Bürgersteig.
Fahrradfahrer in Witten haben auf der unteren Ruhrstraße Wahlfreiheit
Diese Wahlfreiheit in Richtung Bommern irritiert anfangs noch Fahrradfahrer wie Felix oder Maria. Der 73-Jährige fuhr bisher immer über den Gehweg. Das darf, ja soll er ruhig auch weiterhin tun. Die 20-Jährige ist zunächst etwas verwirrt, findet es aber gut, dass „die Autofahrer jetzt wissen, dass die Radfahrer auf der Straße fahren dürfen“. Denn „früher wurde gern auch schon mal gehupt“. Große Rad-Symbole auf dem grauen Asphalt lassen neben der roten Farbe keine Zweifel, dass hier auch Radfahrer unterwegs sind.
Allerdings müssen sie sich in den fließenden Verkehr einfädeln, wenn sie weiter auf der Straße bleiben wollen. „Die Autofahrer müssen dann gucken, ob sie noch überholen können oder hinter dem Radfahrer bleiben“, sagt Botschafter Andreas Müller. „Sie können nicht mehr einfach durchfahren.“ Unser Test zeigt, dass viele Rücksicht nehmen. Manche brettern aber weiter drauflos und fahren mit wenig Abstand vorbei.
Nach der Gasstraße folgt einige Meter weiter stadtauswärts die „Protected Bike Lane“, die geschützte Radfahrspur. Rot markiert und mit Leitschwellen sowie zwei Pfosten vom motorisierten Gesamtverkehr getrennt, rollt es sich recht sicher Richtung Mühlengraben. Diese Spur verhindert es, dass Autofahrer wie bisher mit Karacho nach rechts in den Mühlengraben einbiegen. Radfahrer müssen diese geschützte Spur aber nicht nehmen, sie dürfen auch hier auf der Straße bleiben.
Wer als Radler die „Protected Bike Lane“ nutzt, die wohl sicherste Variante, passiert anschließend eine weitere rote Markierung im Einmündungsbereich Mühlengraben und durchquert dann die Busbucht, bevor er sich wieder entscheiden muss: Fädele ich mich nach links in den Verkehr ein oder fahre ich rechts hinter der Haltestelle auf dem immer schmaleren Bürgersteig weiter in Richtung Ruhrdeich-Kreuzung? Zwei weiße Pfeile auf rotem Grund lassen Radfahrern auch hier die Wahl. Wer auf Nummer sicher gehen will, nimmt den Gehweg.
Wittener Fahrradbotschafter: „Seid friedlich zueinander“
Wer die Straße wählt, sollte Autofahrern auch hier per Handzeichen kundtun, was er oder sie vorhat. Fahrradbotschafter Andreas Müller: „Eigentlich handelt es sich bei dem Ganzen um eine Kommunikationsmaßnahme. Autofahrer und Radfahrer müssen sich nicht mehr gegenseitig beharken. Ihnen wird signalisiert: Passt auf und seid friedlich zueinander.“
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Mit den durchaus aufwendigen Neumarkierungen waren keine größeren Umbauten verbunden. Was bleibt, sind die Straßenschäden und der insgesamt enge Straßenraum. Immerhin haben die vielen Schlaglöcher einen Vorteil. Für Autofahrer gilt Tempo 30. Hält sich nur keiner dran. Auch die neuen roten Markierungen wollen erst einmal vom fließenden Verkehr beachtet werden. Er habe sie gar nicht bemerkt, zeigt sich ein junger Golf-Fahrer an der Ruhrdeich-Ampelüberrascht. „Ach ja, jetzt sehe ich sie“, sagt er und blickt in den Rückspiegel. Macht nichts. Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut.