Witten. Die steigende Zahl an Flüchtlingen bringt viele Kommunen ans Limit. In Witten gibt es zwar noch freie Betten, aber es mangelt an vielem anderen.

Die Hilferufe der Kommunen werden immer lauter: Viele wissen nicht mehr, wie sie neu ankommende Flüchtlinge noch unterbringen sollen. Denn es gibt einfach zu wenig Wohnraum. Während in Nachbarstädten wie Sprockhövel wieder Turnhallen mit Geflüchteten belegt werden, scheint die Situation in Witten entspannt – noch.

Die von der Essener Thelen-Gruppe durch die Stadt angemieteten Hallen an der Brauckstraße erweisen sich zurzeit als gute Planung. 2016 hatte der Wittener Rat entschieden, die einstigen Siemens-Verwaltungs- und Produktionsgebäude in eine Großunterkunft umzubauen. Neben 370 möglichen Schlafplätzen, Gemeinschaftsküchen und -sanitäranlagen gibt es dort auch den „Help-Kiosk“ mitsamt seiner Kleiderkammer und Seminarräume für Sprachkurse. Auch verschiedene Verwaltungsaufgaben (etwa die Geld-Auszahlung) erfolgen vor Ort. Das Gelände ist komplett eingezäunt und wird von einem Sicherheitsdienst überwacht.

Kaum noch Geflüchtete aus der Ukraine

Im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen gibt es in Witten derzeit keinen Druck, so die Stadt auf unsere Anfrage. „Wir haben in der Brauckstraße noch ausreichend Plätze.“ Stadt-Sprecherin Lena Kücük nennt etwa 100 freie Betten. Die dort aktuell untergebrachten Menschen kommen aus über 20 verschiedenen Nationen, überwiegend seien es Länder wie Türkei, Syrien, Libanon und Irak. Aus der Ukraine dagegen würden derzeit nur noch wenige Geflüchtete zugewiesen.

Einer der schönsten Momente im Flüchtlingslager an der Brauckstraße in Witten: Im Juli 2023 organisierte die Stadt ein Sommerfest für die Kinder der damals rund 220 Bewohnerinnen und Bewohner.
Einer der schönsten Momente im Flüchtlingslager an der Brauckstraße in Witten: Im Juli 2023 organisierte die Stadt ein Sommerfest für die Kinder der damals rund 220 Bewohnerinnen und Bewohner. © Stadt Witten | Stadt Witten

„Tatsächlich sind einige Flüchtlinge aus der Ukraine wieder zurückgegangen, seit Städte in der Westukraine nicht mehr akut gefährdet sind“, sagt Lilo Dannert, die sich im Help-Kiosk engagiert und darum viel Kontakt mit den Menschen an der Brauckstraße hat. Wenn noch jemand aus der Ukraine in Witten ankomme, seien dies meist ältere Verwandte, die vorher die Flucht nicht meistern konnten.

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Die gute Nachricht: Die Verwaltung geht davon aus, „dass wir in Witten nach menschlichem Ermessen in diesem Jahr ohne Inanspruchnahme von Sporthallen, Zelten oder Containern die uns zugewiesenen Flüchtlinge unterbringen können“, so Kücük. Das sei schließlich auch erklärtes Ziel und Schulterschluss zwischen Rat und Verwaltung.

Die schlechte Nachricht: Die soziale Betreuung der Geflüchteten bringe die Mitarbeitenden der entsprechenden Verwaltungsbereiche zunehmend an Belastungsgrenzen. Kücük zählt auf: „Die Ausländerbehörde arbeitet am Limit. Schulen sind einer Dauerbelastung ausgesetzt. Jedes weitere Kind verschärft die Situation hinsichtlich fehlender OGS- und Kita-Plätze. Freier Wohnraum wird stetig knapper.“ Und die angekündigten Kürzungen des Bundes für 2024 bedeuten erneut steigende finanzielle Belastungen für eine materiell ausgelaugte Stadt wie Witten. Denn es gibt ja nicht nur die Aufnahmeeinrichtung Brauckstraße: Die Gesamtzahl der Geflüchteten (also unabhängig vom Schutz- bzw. Aufenthaltsstatus), die in Witten leben, liegt bei etwa 3000.

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Bürgermeister Lars König (CDU) sagt dazu: „Wir brauchen wie alle Städte in diesem Land ausreichend Mittel für die Bewältigung unserer Aufgaben.“ Er fordert eine Begrenzung der Zuwanderung, „damit wir unserer Verantwortung gegenüber allen Menschen in diesem Land gerecht werden können.“ Er fürchtet, dass der große Zusammenhalt schwinden und Populisten weiter erstarken könnten. Dabei sei es doch die Solidarität, die gerade Witten mit seinem tollen zivilgesellschaftlichen Engagement auszeichne.

>> Kaum Kita-Plätze für Geflüchtete

Ohne soziale Betreuung wird auch die Integration der Geflüchteten schwierig. Lilo Dannert ärgert besonders, dass es kaum Kita-Plätze für Flüchtlingskinder gibt. Sie nennt ein Beispiel: „Ich habe einen vierjährigen Jungen, der schon kurz nach seiner Geburt hier in Witten angemeldet wurde und seitdem einfach keinen Platz bekommt.“

Ein Grund sei, dass kirchliche oder freie Träger bei Kindern arabischer Herkunft wählerisch seien. So sei es vorgekommen, dass eine katholische Kita ein ukrainisches Flüchtlingskind aufgenommen hat, obwohl ein syrisches, dessen Eltern bereits in Witten eingebürgert wurden, auf der Warteliste stand.