Witten/Hattingen. Das Haus Hammerthal in Witten steht für Tradition und deutsche Hausmannskost. Nun geht die Wirtin in Rente, die Kneipe wechselt den Besitzer.
„Wo gibt es sonst noch einen Ort, an dem man in Ruhe sein Bier trinken kann? Heutzutage ist doch alles Event“, sagt Frank und dreht versonnen sein frischgezapftes König-Pilsener in der Hand. Er ist einer von vielen Stammgästen, die sich regelmäßig am Tresen der Gastwirtschaft „Haus Hammerthal“ in Buchholz treffen, eine der letzten Traditionskneipen. Fast hätte auch diese geschlossen.
Wirtin Petra Weißelberg nämlich geht in wenigen Wochen in Rente. Sie hat das Haus an der Stadtgrenze zwischen Hattingen und Witten über Jahre geführt, zuletzt nahm die Belastung für die 64-Jährige aber stetig zu. Der Grund ist der Personalmangel, „damit kämpfen alle“, sagt die Bochumerin. Sie stemmte die Arbeit mal zu zweit, mal allein. Dass Gaststätten wie die „Alte Tür“ in Vormholz unlängst geschlossen haben, kann sie absolut nachvollziehen. Und bedauert, denn die Kundschaft wäre da.
Sülze, Sauerbraten und Jägerschnitzel
In der Gaststätte Im Hammertal wähnt man sich in der Vergangenheit. Butzenglasscheiben, Eichenholz-Mobiliar, glänzende Theke, im Fernseher läuft Fußball. Es gibt einen Sparkasten und die Speisekarte weist gutbürgerliche Küche aus. Hausgemachte Sülze mit Bratkartoffeln, Toast Hawaii, Jägerschnitzel, Sauerbraten und Rinderroulade, Gulasch und Salzbraten. Petra Weißelberg kocht selbst. Man ahnt wie groß ihr Organisationstalent sein muss, bei den vielen Veranstaltungen, die im Saal der Gastwirtschaft stattfinden oder beim beliebten Frühschoppen, das sonntags schon um 10 Uhr beginnt.
Petra Weißelberg bedient den SPD-Ortsverein, Knappen-, Heimat- und Sportvereine. Skatspieler haben hier einen Stammtisch, Frauengrüppchen, sogar der NRW-weite „Bernhardinerclub“. „Als die angefragt haben, dachte ich erst, das seien Katholiken. Wegen Sankt Bernhard.“ Die Wirtin staunte nicht schlecht, als die Gruppe mitsamt einiger Vierbeiner ins Lokal kam.
Gäste: Es gibt in Witten kaum Alternativen
Man kann schöner sitzen als auf der Außenterrasse vor dem Haus, wo das Rauchen unterm Pavillondach erlaubt ist, aber lautstark die Pkw und Lkw vorbeirauschen. Doch die Gäste wollen den Charme von einst und mögen es, das Leben im Dorf zu beobachten. So wie die älteren Herren am Tresen, die kurz nach 14 Uhr schon kommen, um beim Bierchen zu Klönen. Frank, der pensionierte Rechtsanwalt, kommt aus Stiepel, weil es dort keine Kneipe mehr gibt, Michael und Lutz sind Ur-Buchholzer: „Hier würde unheimlich viel wegbrechen, wenn es diesen Treffpunkt im Hammertal nicht mehr gebe“, sagen sie. Zwischen ihnen steht auch Frank Schlüpmann. Er ist der Mann, der das Haus Hammerthal ab 1. Oktober weiterführen wird.
„Ich möchte, dass es für den Ort weitergeht. Das ist seit über 50 Jahren die Anlaufstelle, die kennt jeder“, erklärt der 59-Jährige. Er hat seine Arbeitsstelle im Vertrieb nach 42 Jahren gekündigt, um Wirt zu werden. Für Petra Weißelberg ein Glücksfall, denn „Schlüppi“, wie er genannt wird, kommt aus dem Ort, ist Mitglied in zig Vereinen. Schlüpmann möchte wieder mehr Fußball zeigen, mit Sky- und Dazn-Abonnement. Die Küche muss er mangels Personal jedoch zunächst kalt lassen. Bei Veranstaltungen werde ein Caterer zuliefern und bei einigen Aktivitäten baut er auf die Hilfe der baldigen Rentnerin Petra. „Ich mache dann den Grünkohl im November oder das Essen für die Sparkastenleerung“, sagt sie. Hilfe im Hintergrund, ansonsten werde sie sich ganz aus der Gastronomie zurückziehen.
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Die Gastronomin wollte eigentlich schon mit 63 Jahren aufhören, brachte diesen Schritt aber nicht übers Herz. „Aber ich möchte auch etwas von meiner Familie haben.“ Ihr Mann sei bereits Rentner, die Enkelkinder sehe sie viel zu selten. „Außerdem fängt es langsam an, überall weh zu tun.“ Sie selbst sei schon lange der Gastwirtschaft verbunden. 1990 fing sie in der Gaststätte Lamping (später „Haus Bergfriede“) in Durchholz als Kellnerin an, 2003 übernahm sie das Lokal. Als der Besitzer das Haus zu Wohnungen umbauen ließ, kündigte er 2009 der Wirtin. Sie (und mit ihr viele Vereine und Gäste) wanderten 2011 ab ins Haus Hammerthal, eine Gaststätte, die es schon seit 1967 gibt.
Eine, maximal zwei Wochen Urlaub im Jahr hat sich Petra Weißelberg seitdem gegönnt. „Ich habe auf so vieles verzichtet“, sagt sie. Ihre Stammgäste trauern ihr schon jetzt hinterher. Etwa Stammgast Frank: „Nur sie hatte die Fähigkeit, eine Bierkneipe so zu führen, wie es sich gehört.“