Witten. Im Juli 2021 ist Haus Kemnade im Städtedreieck Witten-Hattingen-Bochum vom Wasser geflutet worden. Gastronom Bruns will im Mai neu eröffnen.
Mitte Juli letzten Jahres wurde beim großen Unwetter durch „Tief Bernd“ auch Haus Kemnade, unweit des Kemnader Sees gelegen, vom Ruhr-Hochwasser geflutet. Heinz Bruns, Gastronom in der denkmalgeschützten Anlage, musste miterleben, wie seine „Burgstuben“ binnen 15 Minuten absoffen. Der heute 61-Jährige hatte nach dem Riesenschaden noch gehofft, bereits im Januar wieder Gäste willkommen heißen zu können. Daraus wurde nichts. Anfang Mai soll es jetzt endlich soweit sein.
Zehn Monate lang war der Wirt dann ohne Lokal, ohne Einnahmen aus seinem Restaurantbetrieb. Bruns wagt einen beruflichen Neustart. Auch wenn er zugibt, dass ein solcher in seinem Alter ja eigentlich „ein wenig bekloppt“ sei. „Denn ich habe keine Kinder und keinen Nachfolger.“
Doch der Mann ist ein Kämpfer und er fühlt sich einer Familientradition verpflichtet. Sein Vater Franz-Karl Bruns hat im Juli 1959 im Haus Kemnade eine Gastronomie im Städtedreieck Witten-Hattingen-Bochum eröffnet. Die wollte der Sohn nach der großen Flut im Juli 2021 und einem bis dahin erfolgreichen Arbeitsleben - „auch meiner Eltern“ - nicht einfach abschließen.
Für seinen Neuanfang sucht der Wirt auch neues Personal
Also im Mai dann ein Neuanfang. Haus Kemnade gehört der Stadt Bochum, die die Sanierung der Gebäudeteile mit Wasserschäden in Auftrag gegeben hat. Der Gastronom ist als Pächter für alle sogenannten beweglichen Dinge im Lokal zuständig. In seinem Kaminzimmer stand das Wasser 1,80 Meter hoch. Wände waren nass, alle Fußböden kaputt, alle elektrischen Leitungen mussten erneuert werden.
Wirt lädt zum Osterbrunch in seine Scheune ein
Ostersonntag und Ostermontag lädt Heinz Bruns ab 11 Uhr zu einem Osterbrunch in seine Scheune auf Haus Kemnade ein. Erwachsene Gäste zahlen 38 Euro, Kinder von 4 bis 14 Jahren einen Euro pro Lebensjahr.
Angeboten werden unter anderem Lammhüfte, Rindergulasch, Rehkeule und frischer Spargel. Die Museen im Haus Kemnade sind derzeit noch geschlossen - darunter die mit rund 1800 Exponaten umfangreichste Musikinstrumentensammlung in ganz NRW.
Bruns musste eine neue Küche kaufen, neue Möbel, einen neuen Tresen anschaffen. Vier neue Kühlhäuser waren notwendig. Auch in seinen privaten Wohnräumen stand das Wasser 30 Zentimeter hoch. Nur der Rittersaal im ersten Stock des Lokals blieb fast unversehrt. Bruns Schaden in Höhe von rund 300.000 Euro hat seine Versicherung bis auf 40.000 Euro übernommen, die muss der Gastwirt selber tragen.
Die Handwerker arbeiten im Restaurant Haus Kemnade seit August vergangenen Jahres und jetzt, kurz vor der Neueröffnung, auf Hochtouren. Denn am 24. April möchte Heinz Bruns Interessierte von 10 bis 16 Uhr schon einmal zu einem Tag der offenen Tür einladen und mit Mitarbeitern sein neues Lokal vorstellen. Im Innenhof wird es Kaffee, Kuchen und Bier geben.
Der Wirt sucht auch neues Personal. Denn von seinem 27-köpfigen Team, das er vor Corona beschäftigte, sind ihm nur elf Leute geblieben, darunter drei Azubis. In der Küche sei er personell gut aufgestellt, sagt der gelernte Koch und Betriebswirt. Einstellen möchte er noch Restaurantfachleute, außerdem weitere Voll- und Teilzeitkräfte für den Service.
Ukrainische Familie lebt in leeren Personalräumen
Seit einigen Wochen lebt in leer stehenden Personalräumen im Haus Kemnade eine vierköpfige Flüchtlingsfamilie aus der Ukraine. Die Kinder Martin (4) und Mark (11), ihre Mutter Olga (40) und Großmutter Svitlana (62) stammen aus der von Russen bombardierten Großstadt Schytomyr westlich von Kiew. Der Vater der Jungen ist in der Heimat geblieben, sagen die Frauen, die dorthin auch zurückkehren möchten, wenn der grauenvolle Krieg endlich ein Ende hat.
Gastronom Bruns hat die Familie über die jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen kennengelernt und wollte helfen. Eine seiner Mitarbeiterinnen kümmert sich um die Ukrainer, begleitet diese auch zu Behördengängen, sagt er. Menschen in so großer Not zu unterstützen, wenn es möglich ist, das ist für den 61-Jährigen eine Herzensangelegenheit.
Wie lange möchte er noch sein Lokal führen? „Spätestens mit 65 würde ich gerne gehen“, sagt Bruns. Wenn er das Glück habe, einen Nachfolger zu finden, der das Restaurant in seinem Sinne weiterführe, „dann würde ich auch früher übergeben“.