Witten. Noch im Dezember war die Wittener Metzgerei ausgezeichnet worden. Nun schließt das Geschäft für immer. Denn der junge Chef will nicht mehr.
Erst im Dezember 2022 war die Fleischerei Lassner in Annen vom Gourmet-Magazin „Der Feinschmecker“ zu einem der 500 besten Metzger Deutschlands gekürt worden. Nun steht der Betrieb vor dem Aus. Am Donnerstag (24.8.) öffnen sich die Türen des Traditionsgeschäfts zum allerletzten Mal.
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„Mit tiefstem Bedauern haben wir (...) den Betrieb aufgeben müssen. Die wirtschaftlichen Folgen in den letzten Monaten und Jahren mit allen Ereignissen drumherum waren nicht mehr stemmbar.“ Diese Nachricht auf Facebook löste bei den Stammkunden große Bestürzung aus. „Jetzt hatte ich endlich einen guten, ehrlichen Metzger gefunden. Sehr, sehr schade“, heißt es in einem der Kommentare unter der Nachricht.
Wittener zeigte sich noch im Dezember zufrieden mit der Lage
Dank der treuen Kundschaft hatte das Geschäft auch die schweren Corona-Jahre gut überstanden. Noch im Dezember sagte Inhaber Sven Westemeier: „Wir sind zufrieden.“ Was hat sich geändert? Westemeier zuckt mit den Schultern: „Die Kunden kommen zwar, aber die Kaufkraft bleibt aus.“
Die Fleischpreise seien durch die Decke gegangen – und bekanntlich nicht nur die. „Die gestiegenen Kosten kann ich aber kaum noch an die Kunden weitergeben, das ist nicht mehr darstellbar“, so der 32-Jährige, der das Geschäft erst vor gut vier Jahren übernommen und dort auch schon seine Lehre gemacht hatte. Dazu kämen die Personalnöte. Ein halbes Jahr habe er gekämpft. „Dann stand mein Entschluss fest: Ich muss einen Schlussstrich ziehen.“ Also wieder ein Fleischerfachgeschäft weniger im EN-Kreis. „Nein, zwei“, weiß Westmeier. „Auch die Fleischerei Radtke in Hattingen-Blankenstein macht nächste Woche dicht.“
Letzter Ausverkaufstag am Donnerstag (24.8.)
Zum Abschied hat das Lassner-Team zum zweitägigen Ausverkauf geladen. Die letzte frische Ware soll an diesem Donnerstagvormittag (24.8.) zu Sonderpreisen über die Theke gehen. Doch schon am Mittwochmittag ist kaum etwas davon übrig geblieben. Ein bisschen Blutwurst, ein paar eingeschweißte Fleischwürste, ein Stückchen Käse liegen da noch in der ansonsten leergeräumten Theke. „Der Ansturm heute Morgen war groß“, freut sich der Chef. „Es muss ja alles weg.“
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Leider auch die Mitarbeiter. Zehn waren es zu besseren Zeiten, am Ende noch sechs. „Wir haben uns bemüht, dass alle einen neuen Job finden“, versichert Westemeier. Auch der Azubi sei woanders untergekommen. Der Chef selbst hat verschiedene Jobangebote – als Angestellter. Noch mal zurück in die Selbstständigkeit? Er winkt ab: „Auf gar keinen Fall!“
Kundin schwärmt von geräucherter Kalbsleberwurst im Naturdarm
Für die Annener ist die Aufgabe des kleinen, altmodischen Ladens am Markt ein Verlust. „Hier gibt’s ja bald gar nichts mehr“, klagt eine ältere Kundin, die extra zum Ausverkauf vorbeigekommen ist. Der Lachsschinken von Lassner sei immer klasse gewesen „und vor allem die geräucherte Kalbsleberwurst im Naturdarm“, schwärmt sie. „Bald müssen wir alles im Internet kaufen.“
Einem, der am Mittwoch gekommen ist, um noch ein paar gute Wünsche zum Abschied zu überbringen, stehen anschließend beinahe die Tränen in den Augen. „Das tut mir sehr, sehr weh“, sagt Georg Gellrich. „Das ist hier doch mein Baby.“ 1964 hatte der heute 88-Jährige die Fleischerei unter seinem Namen aufgemacht und 35 Jahre lang dort hinter der Theke gestanden.
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Über die Grenzen hinaus habe das Geschäft immer einen guten Namen gehabt, auch als Jörg Lassner es dann im Jahr 2000 übernommen habe. „Der hat bei mir gelernt.“ Gellrich weiß, dass die vielen Veränderungen der letzten Jahre es seinen jungen Kollegen schwer machen. Doch er sagt: „Ich hätte gedacht, dass man mit Herzblut und Liebe von diesem Laden immer noch gut leben kann.“