Witten. Nach 37 Jahren schließt Stinshoff-Schuhe in Annen und zieht in die Wittener Innenstadt. Aber nicht in die Bahnhofstraße: „Zu teuer, zu öde.“
Die letzte Kundin kauft ein Paar Leinenstiefel für 30 Euro und bekommt mit dem Kassenbon ein Glas Sekt – danach ist Schluss mit Schuhverkauf. Das Traditionsgeschäft „Stinshoff Schuhe“ schließt nach 37 Jahren an seinem Standort in einem Wohngebiet „Am Hang“ in Annen. Wehmut will aber nicht aufkommen, denn Stinshoff zieht um. „Und ich bin überzeugt, dass wir uns verbessern“, sagt Axel Stinshoff.
Wenn alles klar geht, wird der 57-Jährige zum 1. Oktober am Boni-Center neu eröffnen. Für ein Ladenlokal, in dem bislang ein Textilhandel untergebracht war, hat er einen Zehn-Jahres-Mietvertrag unterschrieben. Der Händler ist überzeugt, dass sein Fachgeschäft mit preiswerten Markenschuhen laufen wird: Dort gibt es kostenlose Parkplätze und qualitätsbewusste Kunden. Meist mittlere oder ältere Semester, genau seine Zielgruppe. Hinzu kämen 9000 Stammkunden, die er regelmäßig über einen E-Mailverteiler erreiche – und die ihm hoffentlich folgen werden.
Stinshoff-Schuhe 1969 in Witten gegründet
Axel Stinshoff hat mit mehreren Standorten in Witten geliebäugelt. Warum zieht er nicht auf die Bahnhofstraße, wo das Schuhgeschäft Klauser wegen Insolvenz zumindest übergangsweise schließt, es also bald ein Fachgeschäft weniger gibt? „Hohe Miete, schlechte Lage“, winkt Stinshoff ab. Für diese Mietvorstellungen sei die Bahnhofstraße mittlerweile zu öde. „Das haben viele Vermieter noch nicht verstanden.“ Mögliche umsatzstarke Standorte waren für ihn eher das einstige Ladenlokal von Kik in Annen, wo sich jetzt der Pennymarkt erweitert, oder eine Filiale im baldigen Kaufland-Komplex (einst Real).
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Axel Stinshoff weiß, wovon er spricht. Denn der Schuhhandel ist Familientradition. Urgroßvater Gottfried Stinshoff gründete einst eine Schuhfabrik in der Wiesenstraße. Seine Eltern Klaus und Hannelore Stinshoff eröffneten 1969 ihr erstes Schuhgeschäft auf der Bahnhofstraße und expandierten in ganz Deutschland. Diese Filialen führten er und seine Schwester (in Norddeutschland) weiter. Inzwischen hat der Wittener nur noch drei Filialen, neben Witten in Gevelsberg und Bad Belzig, einem kleinen Ort an der A2 bei Berlin. Andere Standorte – etwa seinen Trachtenschuhladen in Bad Tölz, in Mannheim oder in Altenessen – hat er geschlossen, ebenso den Tamaris-Shop in der Wittener Stadtgalerie.
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Der Standort Am Hang diente dabei seit 1986 als Verwaltungssitz und Lager, mit dem die Stinshoffs im eigenen Lkw ihre Filialen belieferten. Das Gebäude am Rheinische Esel wurde einst vom Möbelhaus Ostermann als vierstöckige Auslieferungshalle genutzt. Im Lauf der Jahrzehnte bauten es die Stinshoffs zu einem Wohngebäude mit Büros, Loft- und Penthouse-Wohnungen um, im Erdgeschoss blieb das Ladenlokal. „Inzwischen ist die Logistik so gut, dass man kein Zentrallager mehr braucht. Man bestellt die Ware direkt“, erklärt Stinshoff.
Seine Mitarbeiterin nickt wissend. „Als ich hier 1998 angefangen habe, stand immer nur der rechte Schuh im Regal und den linken mussten wir aus dem Lager holen. Das waren Wege!“ Die Dame wird nun in Rente gehen. Am neuen Standort will Axel Stinshoff neues Personal einstellen, zunächst starten sie dort als Dreier-Team.
Fortan bleiben die Türen Am Hang dicht. Die nicht abverkaufte Ware geht als Aktion in die nächstgelegene Filiale nach Gevelsberg. Viel ist das nicht. In den letzten Wochen haben die vielen Kundinnen (und wenigen Kunden) die Regale für 10, 20 oder 30 Euro pro Paar leergekauft. Angesichts der großen Ladenfläche fragt man sich, wie sich Stinshoff-Schuhe in einer solchen Randlage so lange halten konnte.
Viele Schuhhändler sind insolvent
Viele Modehändler befinden sich in einer Dauerkrise. In der Corona-Pandemie brach das Geschäft massiv ein, jetzt sparen die Kunden wegen der Inflation. Hinzu kommt der Trend zum Online-Shopping. 2022 und 2023 haben viele Schuhhändler bereits ein Insolvenzverfahren beantragt, darunter Görtz, Reno, Schuhkay oder Klauser.
Für den Kunden habe das zurzeit Vorteile, so Schuhhändler Axel Stinshoff: „Die Lieferanten haben zu viel Ware, weil die Filialisten sie nicht abnehmen.“ Auch er profitiere vom „Postengeschäft“ und könne so die Ware zu günstigen Preisen an die Kunden weitergeben.
Axel Stinshoff führt mehrere Gründe an. Hauptkunden seien einerseits Familien, deren Kinder vom ersten Schritt bis ins Grundschulalter hier ihre Schuhe erwarben. Und andererseits „Bequemschuhe“ für mittelalte und ältere Kunden. „Irgendwann haben Menschen die Gummi-Sneaker satt und wollen wieder gescheite Schuhe in guter Qualität“, sagt er. Weil er dieses Sortiment zu guten Preisen anbot, seien die Kunden gezielt zu ihm nach Annen gefahren. „Und dann kam Corona.“ Die beiden Lockdowns wären das Ende gewesen. „Nach diesen zwei Jahren haben die Leute uns hier vergessen“, sagt er und will deswegen an einem neuen Standort neu durchstarten.
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