Essen. Die Fleischbranche bereitet Verbraucherinnen und Verbraucher auf weiter steigende Preise vor. Die Krise wirkt sich auch an den Wursttheken aus.

Die Energiekrise zeigt sich auch an Deutschlands Wursttheken. „Die großen Wurstfabriken ändern ihr Sortiment“, sagt Hubert Kelliger vom Verband der Fleischwirtschaft (VDF). Hochwertige Wurstwaren mit Kilopreisen von mehr als 18 oder 20 Euro würden aktuell seltener produziert – stattdessen mehr sogenannte „Preiseinstiegsprodukte“, die möglichst weniger als zehn Euro kosten. Auch der Bio-Boom sei vorerst gestoppt, berichtet Kelliger, ein Manager des Branchenriesen Westfleisch, der als VDF-Vorstand für die Branche spricht.

Die Hersteller reagieren auf hohe Inflationsraten, die das Konsumverhalten prägen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts erhöhten sich die Preise für Nahrungsmittel im Oktober um 20,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Der Preisanstieg ist demnach fast doppelt so hoch wie die Gesamtteuerung, die bei 10,4 Prozent lag. Der Preisauftrieb für Nahrungsmittel habe sich seit Jahresbeginn Schritt für Schritt verstärkt. Deutlich teurer wurden Speisefette und Speiseöle (plus 50 Prozent), Molkereiprodukte und Eier (rund 29 Prozent), Gemüse (23 Prozent) sowie Brot und Getreideerzeugnisse (20 Prozent).

Die Fleischbranche bereitet die Verbraucherinnen und Verbraucher auf weiter steigende Preise vor. Angesichts hoher Kosten für Energie und Futtermittel sei die Entwicklung absehbar, sagt Kelliger. „Wir werden nochmal deutlich steigende Preise haben. Ob das 20, 30, 40 Prozent werden, kann man heute nicht beziffern.“ Seine Einschätzung sei: „Wir sind noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. Die zehn Prozent Inflation sind anscheinend noch nicht das Ende.“

Nicht nur die Landwirte und Schlachtbetriebe hätten mit steigenden Kosten zu kämpfen, sondern auch der Handel. Angesichts der Energiepreise hätten die Betriebe „ein Riesen-Kostenproblem mit ihren Kühltheken“, so Kelliger.

Das Schweinefleisch-Angebot werde zudem sinken, weil Landwirte zunehmend aufgeben. „Wir produzieren immer weniger Fleisch in Deutschland. Das gilt für Schwein, für Geflügel, für Rindfleisch“, berichtet Kelliger. Dies könne zu „Versorgungslücken“ führen. Sprich: Fleisch werde nicht mehr so verfügbar sein wie früher. Deutschland sei schon jetzt auf Fleischimporte angewiesen. „Die Versorgungslücke ist in Deutschland eigentlich schon länger da, die haben wir nur bisher elegant ausgeglichen“, sagt der Fleisch-Manager. Doch einige Schlachthöfe würden ihre Schlagzahl senken. „Wenn das so weitergeht in den nächsten vier, fünf, sechs Monaten, dann haben wir die ersten Lücken.“

Weniger Schweine geschlachtet

„Wir schlachten etwa 70.000, 80.000 Schweine weniger in der Woche in Deutschland“, berichtet Kelliger. Insgesamt seien es bundesweit noch bis zu 740.000 Schweine wöchentlich. Schwerpunkte der Schweinefleisch-Branche seien Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und auch Schleswig-Holstein. In Bundesländern wie Rheinland-Pfalz und Hessen gebe es keine größeren Schlachthöfe mehr.

Im vergangenen Jahr ist die Fleischerzeugung in Deutschland nach Angaben des VDF gegenüber 2020 um 2,4 Prozent auf rund 8,29 Millionen Tonnen gesunken – ein Rückgang im vierten Jahr in Folge. Das Minus betraf hauptsächlich Schweine- und Rindfleisch. Der Trend habe sich im ersten Halbjahr 2022 fortgesetzt. Der VDF spricht für Schlachthofbetreiber wie Tönnies, Westfleisch, Danish Crown und Vion. Auch für die Produzenten von Wurst und Schinken sei 2021 „ein schwieriges Jahr“ gewesen, so der Verband. Teilweise sei das Minus zumindest von vegetarischen Ersatzprodukten ausgeglichen worden, die überwiegend aus Betrieben der Fleischwarenproduzenten stammten.

podcast-image

Westfleisch-Manager Kelliger verweist indes darauf, dass Vegetarier in Deutschland nach wie vor deutlich in der Minderheit seien. „Über 90 Prozent der Menschen essen regelmäßig Fleisch“, betont er. „Auf 96 Prozent aller Kassenbons steht Fleisch.“

Die Exporte der deutschen Fleischbranche leiden derzeit schwer unter der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest. Länder wie China haben Einfuhrsperren für deutsches Schweinefleisch verhängt. Nur mit Hilfe der Bundesregierung sei Besserung zu erwarten, so Kelliger. „Vor zwei Wochen hätte die Chance bestanden“, sagt er mit Blick auf den Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Chinas Staatschef Xi Jinping. Doch diese Chance sei vertan worden.