Witten. Eine 57-Jährige aus Witten hatte schwere Entzugserscheinungen. Doch sie hoffte vergeblich auf Hilfe im Krankenhaus. Das sagen die Kliniken dazu.
Was sie erlebt hat, liegt schon ein paar Monate zurück, doch es lässt Martina (Name v. d. Red. geändert) auch jetzt noch nicht los. Die 57-Jährige ist Alkoholikerin. „Im März haben mir zwei Kliniken die Aufnahme verweigert, obwohl ich unter schweren Entzugssymptomen gelitten habe“, sagt die Wittenerin. Sie fühlt sich deshalb „als Patientin zweiter Klasse“.
An jenem Tag war sie total zittrig, erzählt Martina. „Mir war schwindelig, ich konnte kaum gehen, litt unter Halluzinationen“, schildert sie typische Entzugserscheinungen. Daraufhin hat sie einen Rettungswagen gerufen, der sie ins Marien-Hospital brachte. Dort hat sie einige Zeit gewartet. Schließlich teilte man ihr mit, dass sie in der Psychiatrie des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke behandelt werden solle. Ein Taxi fuhr sie hin. Doch auch dort schickte man sie weg. „Ich könnte mich auf einer Warteliste eintragen lassen, sagte man mir.“
Wittener Alkoholikerin: Es ging mir hundeelend
Sie ist dann mit einem privat bezahlten Taxi zurück in ihre Wittener Wohnung gefahren. „Der Fahrer hat mir noch geholfen, da ich Angst hatte zu stürzen“, erinnert sich Martina. „Die nächsten Tage habe ich zu Hause einen kalten Entzug durchlitten. Es ging mir hundeelend. Ich hatte ständig Angst, schwere Komplikationen wie ein Delirium oder einen Krampfanfall zu erleiden.“ Martina lebt allein.
Das Marien-Hospital bestätigt, dass Martina in die Notfallaufnahme gekommen sei. „Der diensthabende Arzt stellte jedoch fest, dass keine Verletzungen vorlagen, die in unserem Krankenhaus behandelt werden mussten“, erklärt Martin Evers, Mitglied der Geschäftsleitung der St.-Elisabeth-Gruppe, zu der das Wittener Haus gehört. Die Patientin sei alkoholisiert gewesen und habe unter Halluzinationen, Angstzuständen und Depressionen gelitten. „Diese Diagnose erfordert die Behandlung in einer Psychiatrie“ – über die das Marien-Hospital nicht verfügt.
Wittenerin erst im Marien-Hospital, dann im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke
Deshalb habe man das nächstgelegene Krankenhaus mit einer solchen Abteilung kontaktiert, nämlich das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke. Es hat Anfang 2022 die Pflichtversorgung für Psychiatrie-Patienten von der Klinik in Niederwenigern übernommen. Evers: „Nach dem Gespräch mit der dortigen Psychiaterin wurde ein Rettungswagen bestellt, der die Patientin in das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke fuhr.“
Hier finden Alkoholkranke Hilfe
Die Sucht- und Drogenhilfe der Diakonie Mark-Ruhr unterstützt bei der Vermittlung in qualifizierte Entgiftungen in der Umgebung, da es in Witten kein spezielles Angebot gibt. Mögliche Einrichtungen: Hagener Zentrum für seelische Gesundheit Elsey, Therapiezentrum am Ev. Krankenhaus Castrop-Rauxel, Marien-Hospital Dortmund Hombruch, Knappschaftskrankenhaus Dortmund-Lütgendortmund, LWL-Klinik Dortmund-Aplerbeck, Martin-Luther-Krankenhaus Wattenscheid.
Auch das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke bietet eine Entzugsbehandlung an und arbeitet wie alle anderen Entgiftungseinrichtungen mit einer Terminvergabe für die Aufnahme, so eine Beraterin. Die Sucht- und Drogenhilfe ist erreichbar unter 02302 91484-50. In akuten Notsituationen kann man sich an den ärztlichen Notdienst unter der bundeseinheitlichen Rufnummer 116117 wenden.
Dort sieht man die Sache offenbar anders. „Im Gespräch mit der Ärztin zeigte die Patientin zu diesem Zeitpunkt keine (Entzugs-)Symptome, die eine sofortige Aufnahme indiziert hätten“, teilt die Unternehmenskommunikation mit. Bei der Entscheidung, welche Behandlungsmaßnahmen im jeweiligen Fall angezeigt sind, würden Ärzte und Psychologen medizinischen Erfordernissen und gesetzlichen Vorgaben obliegen. Das gelte auch für die Entscheidung über eine notfallmäßige Aufnahme: „Stationäre Behandlungen sind ausschließlich dann begründet, wenn keine andere Behandlungsform ausreichend ist.“ Eine Alkoholabhängigkeit sei „per se erstmal kein Notfall“.
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Da am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke ein stationärer Entzug bei Alkoholabhängigkeit generell möglich sei, habe man der Patientin einen Termin für eine spätere Aufnahme angeboten. „Sie teilte uns jedoch mit, dass diese nicht notwendig sei.“
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Sie hätte zwei Monate später ein Bett bekommen können, sagt Martina dazu. „Aber es ging doch in dem Moment um eine Akutversorgung, weil es mir total schlecht ging." Inzwischen besuche sie eine Selbsthilfegruppe und sei trocken. Doch bis heute könne sie nicht begreifen, wieso die Krankenhäuser ihr die Aufnahme verweigert haben. „Ich weiß, dass Alkoholkranke keine besonders beliebten Patienten sind. Aber dennoch haben auch diese Menschen ein Recht auf ärztliche Behandlung, da Alkoholabhängigkeit eine anerkannte Erkrankung ist.“