Witten. Das Herdecker Krankenhaus will ab 2021 Wittener Psychiatrie-Patienten stationär versorgen. EvK-Geschäftsführer hält an Klage gegen das Land fest.
Mitte November kam die Nachricht aus dem NRW-Gesundheitsministerium: Am Evangelischen Krankenhaus Witten (EvK) soll keine neue Psychiatrie gebaut werden. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke wurde mit der Pflichtversorgung für psychisch erkrankte Wittener beauftragt. Die Herdecker bauen für ihren Versorgungsauftrag bereits in ihrer Klinik um. EvK-Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter kämpft unterdessen weiter für eine eigene, neue Psychiatrie am Evangelischen Krankenhaus Witten.
Im Januar hatte Bitter öffentllich gemacht, dass die Evangelische Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel, zu der das EvK seit 2016 gehört, vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen das Land klagt. 18 Millionen Euro wollte die Krankenhausgemeinschaft in ihren Psychiatrie-Neubau auf dem Wittener EvK-Gelände investieren und 79 vollstationäre Plätze sowie 21 Tagesklinikplätze schaffen. Dann kam das Nein vom Düsseldorfer Gesundheitsministerium.
Gericht soll aufarbeiten, warum sich das Gesundheitsministerium gegen Witten entschied
Gegenüber unserer Redaktion erklärte Heinz-Werner Bitter am Mittwoch (29.7.), dass dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen jetzt die Klagebegründung vorliege. Um den Ablauf des Streitfalls Psychiatrie nachvollziehen zu können, sei eine Akteneinsicht bei der Bezirksregierung Münster beantragt worden. Dort sei dokumentiert, dass das Wittener Psychiatrie-Projekt viele Unterstützer habe, die auch Kontakt mit dem Gesundheitsministerium aufgenommen hätten. Im vergangenen Jahr hatte sich die Wittener Politik fraktionsübergreifend für eine Psychiatrie in der Stadt stark gemacht. Auch Ärzte und Patienten sprachen sich hierfür aus. Bürgermeisterin Sonja Leidemann schrieb einen Brief an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Das Argument der Psychiatrie-Befürworter: Die größte Stadt im EN-Kreis benötige dringend eine wohnortnahe Versorgung.
Wie es zu der Entscheidung des Ministeriums gegen das Vorhaben kam, solle jetzt noch einmal vor Gericht aufgearbeitet werden, sagte EvK-Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter zu unserer Redaktion. Bitter betont, dass der Gesundheitsminister zunächst ja die Meinung vertreten habe, dass 79 vollstationäre und 21 Tagesklinikplätze für Witten vertretbar seien. Die Kosten für einen Psychiatrie-Neubau am EvK werden mit etwa 18 Millionen Euro veranschlagt. Investor wäre die Evangelische Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel.
Herdecker Klinik benötigt für seine Psychiatrie noch 28 zusätzliche stationäre Betten
Den Sinneswandel des Ministeriums hält Bitter für politisch motiviert. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und das St. Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen-Niederwenigern, das bislang den größten Teil der Wittener Psychiatrie-Patienten stationär versorgt, hatten sich gegen eine Psychiatrie in Witten ausgesprochen und auf eine Erweiterung der eigenen Kapazitäten bestanden.
In dieser Frage hatte Landrat Olaf Schade Mitte 2019 „Gesprächsbedarf“ beim Gesundheitsminister angemeldet. Auch die NRW-Landtagsabgeordneten Nadja Büteführ (SPD) und Verena Schäffer (Grüne) hatten in einem Schreiben Laumann um eine „Erläuterung“ der Entscheidung für den Standort Witten in einem Gespräch gebeten. Später zeigten sich beide enttäuscht darüber, dass sich das Land gegen eine Psychiatrie in Witten entschieden habe.
Tagesklinik soll auch ambulante Behandlungen für psychisch Erkrankte anbieten
Mit Beginn des neuen Jahres werde das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke die stationäre Pflichtversorgung für Wittener Psychiatrie-Patienten übernehmen können, sagte der Ärztliche Direktor der Klinik, Prof. Alfred Längler, auf Anfrage unserer Redaktion. Um auf die vom Gesundheitsministerium geforderte Bettenzahl von 110 zu kommen, wird derzeit im Gemeinschaftskrankenhaus umgebaut. Bislang halten die Herdecker 82 stationäre Betten für Patienten vor, die in ihrer Fachabteilung Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Fachabteilung Psychosomatik behandelt werden. Weitere Betten würden im bestehenden Gebäude auf einer Etage geschaffen, die bislang nicht für eine stationäre Behandlung genutzt worden sei, so der Ärztliche Direktor.
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Die Gesamtkosten der Baumaßnahmen für die neue Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Gemeinschaftskrankenhauses belaufen sich auf rund 4,1 Millionen Euro. Prof. Alfred Längler: „Diese Kosten trägt alleine die Klinik.“ An der Pferdebachstraße in Witten unterhält das Gemeinschaftskrankenhaus noch eine Tagesklinik mit derzeit 21 Plätzen. 35 Plätze sollen künftig angeboten werden. Hierfür hatten die Herdecker zunächst einen Anbau an die bestehende Tagesklinik geplant. Hiervon habe man Abstand genommen, so Prof. Längler. Denn man habe für die zusätzlichen Tagesplätze eine Immobilie in der Nähe der bisherigen Tagesklinik gefunden, die man anmieten wolle. Die neue Tagesklinik soll sich auf die Psychosomatik spezialisieren. Vom neuen, zweiten Tagesklinik-Standort aus sollen auch ambulante Behandlungen für psychisch Erkrankte im eigenen Zuhause angeboten werden. Prof. Alfred Längler: „Dort soll es auch eine Ambulanz-Sprechstunde geben.“