Witten. In diesem Sommer regnet es oft. Was Dauercamper in Witten aber nicht stört. Sie wohnen ja um die Ecke. Werden Ferien da nicht schnell langweilig?
Während Rhodos brennt und halb Südeuropa schwitzt, kuschelt sich Conny (57) in ihre Strickjacke. Sie guckt zwar nicht aufs Meer, dafür liegt ihr die Ruhr direkt vor ihrem Wohnwagen zu Füßen. Ferien auf dem Campingplatz, wo sich Bommeraner und Bochumer gute Nacht sagen. Oder: Ein Ortsbesuch im Paradies, zwischen Kanu und Kugelgrill, Bootsanleger und Biergarten.
Lesen Sie auch:
- Witten: Wenn der Campingplatz an der Ruhr zum Paradies wird
- Trost und Hilfe nach der großen Flut in Witten
- Bald kann man bei Peter Steger wieder einkehren
Es ist früher Abend und richtig warm ist es nach den vielen Schauern der letzten Tage nicht mehr. Aber 40 Grad braucht hier auch keiner. Dem kleinen Mateo (23 Monate) reicht der Sandkasten bei Steger. Mama Verena (26), mit dem zweiten Kind hochschwanger, guckt im Sitzen beim Spielen zu, Papa Dominik (27) hilft beim Burgen bauen. „Und wenn’s den ganzen Tag regnet, fahren wir nach Hause“, sagt Verena. Sie könnten auch laufen, hoch zum alten Aldi, an der Straße Richtung Wengern. Die junge Familie wohnt in Bommern und macht Urlaub gleich vor der Haustür. Sie sind nicht die Einzigen.
Der Campingplatz an der Uferstraße hat fast nur Stammgäste aus der nahen Umgebung. Die Dauerplätze sind auf Jahre ausgebucht. Nur ein Stückchen Wiese in der zweiten Reihe bleibt für Tagesgäste frei, die einen Schlafplatz suchen, zum Beispiel Radfahrer vom Ruhrtalweg. „Sie kommen abends mit ihrem Wurf- oder Kugelzelt, wenn ihnen die Zunge aus dem Hals hängt“, sagt Platzbetreiber Peter Steger.
+++Keine Nachrichten aus Witten mehr verpassen: Hier geht’s zu unserem kostenlosen Newsletter+++
Martha (48) und Sascha (49) haben gerade gegessen, es gab leckeren Salat mit Lachs vom Grill. Jetzt sitzt das Pärchen aus Köln vorm Wohnwagen und spielt Rummikub. Was für sie den Reiz der Naherholung ausmacht? „Das ist hier Entspannung pur.“ Zu Stegers in Witten kamen sie, nachdem sie geguckt hatten, „wo wir paddeln können“. Letztes Jahr hätten sie mit dem Kajak angefangen, „dieses Jahr mit dem eigenen Wohnwagen“. Der steht jetzt öfter mal an einem langen Wochenende auf dem Platz an der Ruhr.
Für Martha ist Camping in dieser Form eine ganz neue Erfahrung. Sie kommt aus Kolumbien und ist begeistert von der Ruhe und „wie herzlich man hier aufgenommen wird“. Nun also Bommern statt Städtetrips nach Barcelona. „Das ist sehr bequem.“
Womit wir wieder bei Conny (57) und Detlev (64) wären, die einen Logenplatz fürs Leben gebucht haben. Was sie zu Dauercampern zwischen Mai und Oktober werden lässt? Detlev klappt den Ausleger des Pavillons hoch. Die Aussicht hier in der ersten Reihe ist fantastisch. Man blickt auf die Ruhr, die ganz sanft vorbeifließt, die DLRG-Insel mit dem Wachtürmchen, Schwäne und Enten. Idylle pur. Und wenn die Sonne zu sehr brennt, geht’s runter auf die Veranda.
Die liegt direkt überm Wasser, am Rande blühen Rosen und lila Phlox. Unten am Anleger lädt ihr Schlauchboot mit dem Drei-PS-Elektromotor zu kleinen Spritztouren ein. „Hier haben wir genug Urlaub“, lautet ihre Antwort auf die Frage, ob sie nicht mal wieder richtig verreisen wollen. Außerdem: Wohin soll dann Hund Marci?
Vor zwei Jahren, am 15. Juli 2021, da hätten sich der frühere Techniker und seine Frau allerdings wirklich woanders hingewünscht. Es war die Nacht nach dem Starkregen, als die Ruhr stieg und stieg, am Ende auf über sieben Meter. Als die Retter sie zwischen zwei und drei Uhr mit Booten holten, „stand das Wasser 30 Zentimeter über dem Geländer“, sagt Detlev und zeigt auf die Veranda. Sie flohen durchs Fenster ihres Wohnwagens. Ein Platznachbar hatte vorher angerufen: „Geht ja nicht raus. Die Strömung reißt alles mit.“
Das Ehepaar aus Bochum hat längst einen neuen Wohnwagen. Viele Monate Wiederaufbau liegen hinter ihnen. Die Schäden waren damals gewaltig. Zwei Anhänger trieben seinerzeit die Ruhr runter. Teile des Platzes wurden zerstört. Wenn Detlev heute eine Unwetterwarnung hört, wird ihm „mulmig“. Da kann ein Gewitter wie am Montag schon mal Nerven kosten. Welche Lehren sie aus dem Jahrhundert-Hochwasser gezogen haben? Heute stellen sie den Wohnwagen zur Sicherheit viel eher auf den höher gelegenen Parkplatz. „Und wir haben alles so gebaut, dass wir schnell abziehen können.“
+++Folgen Sie jetzt auch dem Instagram-Account der WAZ Witten+++
Um die Ecke wohnen Peter und Moni, die gerade Gäste haben. Das ist es, was die Dauercamper bei Steger so mögen: die Ruhe, aber auch die Geselligkeit, das Bierchen am Abend mit dem Platznachbarn. „Wir fahren von hier aus auch zur Arbeit“, sagen Uwe (59) und Karo (49), die eigentlich in der Innenstadt wohnen. Sogar ihr Sohn Leif hat schon seinen eigenen Wohnwagen. Mit 14. Abends geht er gern angeln.
Es ist später geworden. Ein paar Stammgäste, die gerade noch an den runden Bistrotischen in dem kultverdächtigen Biergarten standen, verziehen sich zum Kniffeln. Peter Steger, der erst vor wenigen Wochen seine Frau verloren hat, muss in seine Wohnung zurück, Kartoffeln kochen. 30 Portionen des berühmten Kartoffelsalats sind für morgen vorbestellt, eine neue Gruppe reist an. Urlaub in Bommern, manchmal sogar mit Halbpension.