Witten. Der Biergarten stand 1,20 Meter unter Wasser, Wohnwagen wurden von der Flut mitgerissen. Die Verwüstungen auf dem Campingplatz Steger in Witten.
Wo sie sonntags sonst die Füße hochlegen, ist heute Aufräumen angesagt. Das Wasser bei Steger an der Ruhr ist mittlerweile abgelaufen. Dort stand es über einen Meter hoch. Jetzt legt die Trockenheit schonungslos offen, was die Jahrhundertflut auf dem Campingplatz angerichtet hat. Aufgerissene Wege, überall Schutt und Schlamm, Wohnwagen und Mobiliar zerstört oder beschädigt. Der großen Überschwemmung folgt nun eine Welle der Hilfsbereitschaft.
Campingplatz in Witten: Was wie eine Holzpalette aussieht, war mal ein Vorzeltboden
Fünf junge Männer schleppen gerade das, was wie eine riesige Holzpalette aussieht, zum Müll. „Das war mal ein Vorzeltboden“, sagt einer. Andere spritzen Stühle ab, die in der braunen Brühe versunken waren, oder schieben Schubkarren voller Sperrmüll. Das war gestern noch ihre lieb gewonnene Wohnwagen-Einrichtung. Nun: durchweicht, dreckig, unbrauchbar.
Im Biergarten, der am Freitagabend noch 1,20 Meter unter Wasser stand, sind die langen Holzbänke und rot-weißen Coca-Cola-Stehtische an den Rand geschoben, Stühle türmen sich in die Höhe. Auch hier: ein Teppich voller Schlamm. Peter Steger kommt aus dem Verkaufsraum. „Alles kaputt“, sagt er. Allein die sechs, sieben Kühltruhen, was für ein Schaden. Sohn Andreas schätzt ihn auf „50.000 plus“. Versichert? Klar, gegen Feuer, aber Hochwasser? Diese „Elementarversicherung“ hat sich keiner auf dem Platz leisten können. Die Schäden sind insgesamt noch nicht abzuschätzen.
Campingplatzbetreiber Peter Steger: „Sogar der Parkettboden ist hochgekommen“
Schlimm hat es auch die Wohnung der Stegers auf dem Platz erwischt. Dort stand das Wasser 20 Zentimeter. „Sogar der Parkettboden ist hochgekommen.“ Die graue Sofagarnitur trocknet jetzt auf leeren Getränkekästen. In seinen 73 Jahren hat das Urgestein schon viel an der Ruhr erlebt, aber noch nie eine solche Flut. Feuerwehr und Polizei hatten den unter Wasser stehenden Campingplatz in der Nacht zum Donnerstag evakuiert. Drei Menschen wurden im Haus gerettet, zwei in den Wohnwagen. Alle anderen waren wegen des schlechten Wetters zum Glück schon früher nach Hause gefahren.
Die Ruhr war nachts auf die Rekordhöhe von über sieben Meter angeschwollen. „Das konnte keiner einschätzen, wie schnell das ging“, sagt Peter Steger, gefragt, warum man die Wagen nicht vorher vom Platz geholt hat. Unvorstellbar, wenn nachts die Helfer nicht gekommen und der Strom ausgefallen wären. Seine erkrankte Frau hing noch am Sauerstoffgerät.
Welle der Hilfsbereitschaft: Fußballer aus Bommern spielen für Camper in Witten
An diesem Sonntag helfen alle mit, das Chaos zu beseitigen, der Sohn, die Enkelin, die Schwägerin, der ganze Platz fasst an. Fußballer aus Herbede schaufeln Schlamm und Spieler aus Bommern kicken in spontan bedruckten Trikots: „Für Steger“. Von einer „Welle der Solidarität“ spricht Monika Hellmeier, Camperin aus der vordersten Reihe direkt am Wasser. Logenplatz sozusagen. Gerade schleppen ihr Mann und ihr Schwiegersohn ein durchnässtes Sofa zum Müll.
Die etwas erhöhte Lage und ihre sehr hoch aufgebockten Wohnwagen haben sie vor dem Schlimmsten bewahrt. Wie so viele ist die 66-Jährige vorzeitig aus dem Urlaub zurückgekehrt, als sie die Bilder von der Flut sah. Trotz der Schäden sagt Monika Hellmeier: „Das ist alles nur Hobby und Spaß.“ Also ersetzbar. Viele auf dem Platz erinnern an diesem Tag an die Toten in den wirklichen Katastrophengebieten.
„Leider alles Totalschaden“, sagt ein Wohnwagenbesitzer aus Witten
Und trotzdem ist es bitter, den eigenen Wagen zu verlieren. „Leider alles Totalschaden“, sagt Jens Zöllner (55). Die Flut hat einen schweren Wagen in einen kleineren gedrückt. Die drei Löcher sind gut zu sehen, wo sie aufeinanderprallten. Zöllner zeigt, wie hoch das Wasser stand. Bis zum Schalke-Wipfel. Daneben die neue Hochwasser-Rekordmarke: 7 für Meter, 21 für das Jahr. Weit darunter: die letzte Hochwassermarke vom Sommer 2007.
„Uns sind nur vier Stühle geblieben“, sagt der Camper. Die Strandkörbe und Boote vor der „Haustür“ – alles abgetrieben. Zwei Wohnwagen bei Steger wurden von der Flut mitgerissen. Einer soll an der Bommeraner Brücke hängen geblieben sein. Vorzelte wurden eingedrückt, Tische und Stühle weggespült, viele Wagen ineinandergeschoben.
Der weiß-blaue Wohnwagen von Patrick Pudysz steht an diesem Sonntagmittag mit geöffneten Seitenluken in der Sonne. Auch nicht mehr zu gebrauchen. „Ich habe ihn bei Ebay reingestellt. Das Fahrgestell ist ja noch in Ordnung.“ In vielen Wagen stand das Wasser. Jetzt sind sie leer geräumt. Federbetten trocknen in der Sonne oder liegen schon auf dem Müll.
Der Abfallberg ist mittlerweile 40 Meter lang. Dort türmen sich blaue Matratzen, Campingstühle, Tische, Schränke, Sperrholz ohne Ende, Wandverkleidungen, Kinderfahrräder, Rasenmäher und Strandmuscheln. Yamira Steger (27) und Jessica Pudysz schleppen gerade zwei weitere blaue Säcke heran.
Wohnwagen wurde von der Flut zwei Standplätze weitergespült
Weiter hinten auf dem Platz treffen wir Familie Krinniger aus Hagen. Ihr nagelneuer Campingwagen wurde durch die Flutwelle zwei Standplätze weitergespült. Das Podest steht jetzt auf der anderen Seite. Es ist noch nicht zu überblicken, wie viele der 40, 50 Wohnwagen ganz hinüber sind. Und doch will keiner von ihnen aufgeben. Er ist ja sonst ein Paradies, der so idyllisch gelegene Campingplatz an der Ruhr. Vorne an der Einfahrt schwimmen eine Mülltonne und ein gelber Schlappen im Wasser. Es hätte noch viel schlimmer kommen können.