Witten. Witten wird tatsächlich Storchenstadt. Denn erstmals hat Familie Adebar hier Nachwuchs bekommen. Und es ist sogar mehr als ein Küken geschlüpft.

Die Sensation ist perfekt, die Freude bei Naturschützern und Vogelfreunden unbeschreiblich: Das Weißstorchenpaar in den Wittener Ruhrauen hat tatsächlich Nachwuchs bekommen. Am Wochenende sind gleich drei Küken geschlüpft. „Damit haben wir nicht gerechnet“, sagt Gerald Sell von der Naturschutzgruppe Witten (Nawit).

Tatsächlich sei es das erste Mal, dass Störche in der Ruhrstadt Nachwuchs bekommen haben. „Wir haben recherchiert. Es gibt bisher keinen Brutnachweis“, sagt Sell. Er ist täglich mehrere Stunden vor Ort, um die Tiere zu beobachten. Diese haben sich etwa Anfang April in der Nisthilfe im Naturschutzgebiet Spiek bei Bommern niedergelassen. Rund zwei Wochen später war ständig ein Tier im Nest – ein sicheres Zeichen dafür, dass das erste Ei gelegt war. Seitdem lässt der Nawit-Experte die Störche kaum mehr aus den Augen. Seine Geduld hat sich nun ausgezahlt.

Naturschützer: Seit Sonntag sind drei Küken im Nest

Aus der Ferne nicht leicht zu fotografieren: Doch hier ist genau zu erkennen, wie sich das beringte Storchenweibchen um seine drei Küken kümmert.
Aus der Ferne nicht leicht zu fotografieren: Doch hier ist genau zu erkennen, wie sich das beringte Storchenweibchen um seine drei Küken kümmert. © Thomas Becker

Schon am Freitag (19.5.) habe er eine deutliche Veränderung im Verhalten der Altvögel beobachten können. Die Storcheneltern hätten das Nest gereinigt und einen Augenblick später Regenwürmer aus dem Schlund gewürgt. Gerald Sell hat vermutet und sehr gehofft, dass zu dieser Zeit das erste Küken bereits geschlüpft war. Er habe es aber nicht selbst erkennen können und sei deshalb vorsichtig mit seinen Aussagen.

Das Weißstorchenpaar hat sich Anfang April in den Wittener Ruhrauen niedergelassen.
Das Weißstorchenpaar hat sich Anfang April in den Wittener Ruhrauen niedergelassen. © Gerald Sell

Am Sonntagabend (21.5) habe er dann mit Sicherheit drei Köpfchen erkannt, die sich in die Höhe reckten und nun manchmal kurz über den Nestrand lugen. „Die Küken sind noch sehr klein, etwa 18 Zentimeter, wachsen aber jetzt schnell“, so Sell.

Auch der Bommeraner Vogelfreund und Naturfotograf Thomas Becker hat die Störche seit Wochen im Blick. Er ist sicher, schon am Freitag ein Köpfchen im Nest gesehen zu haben. Samstag und Sonntag seien dann Baby Nummer zwei und drei gefolgt. Auch seine Mutter, die er zuletzt mal zum Gucken mitgenommen hat, sei jetzt ganz verliebt in die Störche. Becker hat nun einen Wunsch und eine Bitte: „Hoffen wir, dass die Eltern genug Nahrung für alle anschaffen können, und sie nicht im Nest gestört werden.“

Gefahr: Nest kann sich bei starkem Regen mit Wasser füllen

Daran ist natürlich auch Nawit-Experte Gerald Sell gelegen. Seine Sorge gilt aber in der nächsten Zeit ganz anderen Aspekten, die zu Problemen führen könnten. Die Storcheneltern bauen beispielsweise so lange am Nest, bis sie es nicht mehr benötigen. In dieser Zeit bestehe zunehmend die Gefahr, dass die Mulde sich bei starken Regenfällen mit Wasser fülle.

Richtig dramatisch könne es werden, wenn die Störche in Unkenntnis der Gefährlichkeit herumliegende Plastikreste – etwa von Gelben Säcken oder anderer Folie – verbauen würden. Sell: „Das kann die Drainagewirkung verhindern.“ Die Nässe staut sich, die Jungtiere hocken im Wasser und unterkühlen im schlimmsten Fall. Deshalb werde die Nawit im Herbst, wenn die Störche den Mast wieder verlassen haben, den Horst auf jeden Fall reinigen.

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Bei aller Freude über das Küken-Trio hat Gerald Sell übrigens noch eine weitere Sensation auf Lager: Das Storchenweibchen sei gerade mal zwei Jahre alt – und da sei es „eine absolute Besonderheit“, dass gleich drei Eier im Nest landeten. Normalerweise trete die Geschlechtsreife erst mit drei bis fünf Jahren ein. Dann seien auch vier bis sechs Eier keine Seltenheit.

Woher die Nawit das Alter der jungen Dame überhaupt kennt? „Sie ist beringt.“ Deshalb haben sich die Naturschützer an die Vogelwarte Radolfzell gewendet. Und erfahren, dass die Störchin vor zwei Jahren in Rheinland-Pfalz geboren wurde. Umso schöner, dass sie in Witten nun Mama geworden ist.