Witten. Im Marien-Hospital Witten war es schon möglich, nun zieht das EvK nach. Mitarbeiterinnen dürfen im Dienst Kopftuch tragen – ein ganz bestimmtes.
Das Evangelische Krankenhaus (EvK) in Witten erlaubt muslimischen Mitarbeiterinnen nun das Tragen einer Kopfbedeckung im Dienst. Bislang waren Kopftücher in allen Kliniken der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel, zu der auch das Wittener Haus an der Pferdebachstraße gehört, verboten.
„Mit diesem Schritt möchten wir als Arbeitgeber signalisieren, dass wir unseren Mitarbeitenden offen und tolerant gegenüberstehen“, sagt Dennis Klaebe, Verwaltungsleiter des EvK Witten, auf Anfrage unserer Redaktion. Die neue Regelung gilt bereits seit Mitte Dezember. Aktiv kommuniziert hatte der Klinikverbund seine Kehrtwende aber bislang nicht.
Druck auf das EvK und seinen kirchlichen Träger kam vor allem vom Studierendenparlament und der Medizin-Fachschaft der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Denn seit April 2022 ist das EvK in Herne Lehrkrankenhaus der RUB. Und als solches müsse es sich auch den Werten der Uni anschließen, zu denen Diversität, Toleranz und kulturelle Sensibilität gehörten – und somit auch die Akzeptanz eines Kopftuchs, so die Sicht der Fachschaft.
EvK in Witten ist seit 2011 Lehrkrankenhaus der Uni Witten/Herdecke
Lange Zeit verteidigte EvK-Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter das Kopftuch-Verbot in allen seinen Häusern. Er verwies dabei auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, nach dem kirchliche Einrichtungen das Tragen eines Kopftuchs als „Symbol des islamischen Glaubens“ verbieten dürfen.
Das Evangelische Krankenhaus in Witten ist als Lehrkrankenhaus schon seit Januar 2011 an die Uni Witten/Herdecke angebunden. Studierende können dort ihre im Studium vorgeschriebenen Praktika bis hin zum praktischen Jahr absolvieren. Frühere Streitigkeiten ums Kopftuch am hiesigen Standort seien nicht bekannt, sagt Dennis Klaebe. Auch an die Wittener Fachschaft sei in den letzten Jahren kein Fall herangetragen worden, sagt deren Sprecherin.
Anders in Herne: Dort war ein Fall bekannt geworden, bei dem eine 14-Jährige als Schülerpraktikantin aufgrund ihres Kopftuchs abgelehnt wurde. Auch bei der St.-Elisabeth-Gruppe, zu der das Marien-Hospital in Witten gehört, war lange Zeit das Tragen eines Hijab verboten. Auch hier übte die Medizin-Fachschaft der Ruhr-Uni Druck aus. Die katholische Krankenhausgruppe kippte ihr Verbot im April 2022 und führte weiße Kopftücher mit eigenem Logo ein. Das EvK hielt aber weiterhin an seinem Nein zum Kopftuch fest – bis jetzt.
EvK stellt Mitarbeitenden „quadratisches, weißes Stück Stoff“ als Kopfbedeckung zur Verfügung
Nun stellt auch der evangelische Klinikverbund seinen Mitarbeitenden „ein quadratisches, weißes Stück Stoff“ zu Verfügung. „Diese Kopfbedeckung wird in fünffacher Ausfertigung ausgegeben und ist personalisiert. Gewaschen wird sie zusammen mit der übrigen Dienstkleidung“, sagt Verwaltungsleiter Klaebe. Die Kopfbedeckung – das Wort Kopftuch fällt seitens des EvK nicht – kann auf Antrag als Teil der von der Klinik gestellten Dienstkleidung ausgehändigt werden.
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Diese Nachricht freut besonders Sabagul Khan. Die heutige Assistenzärztin hat in ihrer Studienzeit nach eigener Aussage unschöne Erfahrungen am EvK gemacht. Zwar durfte sie ihr damaliges Pflicht-Praktikum 2018 trotz Kopftuch antreten und beenden. Doch ihr wurde nahegelegt, ihr ohnehin nur locker zu einem Turban gebundenes Tuch abzulegen. „Und beim Abschlussgespräch hieß es, künftig werde man darauf achten, dass keine Studentinnen mit Kopftuch mehr kommen“, erinnert sich die 28-Jährige.
Erlebnis am EvK hat muslimische Medizin-Studentin eingeschüchtert
So auf ihr Kopftuch reduziert zu werden, habe sie eingeschüchtert, sagt die Medizinerin. „Hat meine Arbeit dort nicht gezeigt, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand ein Kopftuch trägt oder nicht?“ Ihre folgenden Praktika habe sie immer mit Angst begonnen. Stets habe die Sorge mitgeschwungen, vielleicht wegen des Tuchs abgelehnt zu werden, eine Stelle nicht antreten zu können. Doch das war nicht der Fall. Sie habe sich aber auch nie wieder an einem christlichen Krankenhaus beworben, nur noch bei kommunalen oder privaten Kliniken.
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Dass das Verbot nun gekippt wurde, ist für Khan ein Schritt in die richtige Richtung. Sie fürchtet aber auch, dass dadurch lediglich das Bild eines toleranten Hauses vermittelt werden soll. „Es bleibt abzuwarten, ob bei dieser Einstellung jemals eine Frau mit Kopftuch Oberärztin wird.“
Bislang keine Nachfrage
Wie viele Menschen muslimischen Glaubens im EvK arbeiten, dazu gibt es keine genauen Angaben. Denn die Religionszugehörigkeit werde im Personalbogen nur freiwillig abgefragt. Grundsätzlich gelte jedoch, dass muslimische Mitarbeitende in allen Berufsgruppen vertreten sind und auch leitende Funktionen bekleiden, so Verwaltungsleiter Dennis Klaebe.
Bislang sind nach Auskunft der Klinik noch keine der neuen Kopfbedeckungen ausgegeben worden, da es noch keine Anfragen gegeben habe. Bei Bedarf könnten sie aber zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Übrigens kann die Kopfbedeckung von jedem getragen werden, der dies möchte – auch unabhängig vom Geschlecht.
Im EvK Herne-Mitte gibt es für Muslime einen Gebetsraum. In Witten gibt es ein solches Angebot nicht.