Witten. Auch Bestattungen werden immer nachhaltiger. Ein Wittener Betrieb setzt jetzt auf einen biologisch abbaubaren Sarg aus einem besonderen Material.

Nachhaltigkeit spielt in fast allen Lebensbereichen eine große Rolle – und inzwischen auch im Tod. Viele Bestatter in Witten setzen längst auf unbehandelte Särge. Beate und Jörg Rumberg gehen noch einen Schritt weiter und bieten jetzt einen komplett biologisch abbaubaren Sarg für die Erdbestattung an. „Als einziger Betrieb in Witten und im gesamten Ruhrgebiet“, sagen sie.

Das umweltfreundliche Modell steht zwischen zwei Fair-Trade-Särgen aus Korb und Bambus in der Herbeder Halle und sieht ganz anders aus, als die klassischen Behälter aus Holz. Wie die weißliche Rinde von Camembert, hilft Beate Rumberg-Behrendts (58) bei der Beschreibung auf die Sprünge. Das trifft es gut und fühlt sich auch so samtig an. Tatsächlich besteht dieser Sarg aus Holzspänen und Myzel, einem Pilzgeflecht. Letzteres bindet die Späne und macht die Konstruktion stabil. Die Griffe sind aus Jute. Die Tragkraft liegt bei 150 Kilogramm.

Wittener arbeiten mit niederländischer Firma zusammen

Die niederländische Firma Loop of life stellt diese Särge her. „Wir arbeiten seit zwei Jahren mit den Holländern zusammen“, sagt Jörg Rumberg (56). Denn er und seine Frau nehmen den Nachhaltigkeitsgedanken sehr ernst. Nicht von ungefähr steht zwar Bestattungen Rumberg auf der Visitenkarte, „Naturzeit-Bestattungen“ aber auf den hellbraunen Polohemden, die beide tragen.

Der Pilz-Sarg, festlich geschmückt bei einer Beerdigung: Ein einziges Mal haben die Rumbergs bisher einen Verstorbenen darin bestattet.
Der Pilz-Sarg, festlich geschmückt bei einer Beerdigung: Ein einziges Mal haben die Rumbergs bisher einen Verstorbenen darin bestattet. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Für den Sarg muss kein Baum gefällt und kein Holz getrocknet werden“, sagt Rumberg, der 2005 wegen einer Holzstauballergie von Tischler auf Bestatter umsattelte. „Wir verbrauchen keine Ressourcen, sondern geben der Erde etwas zurück.“ Der Pilz-Sarg wachse innerhalb von sieben Tagen. Grundwasser lasse das Material nach 45 Tagen wieder eins werden mit der Natur. Auch der Verstorbene gehe somit schneller in den natürlichen Kreislauf über. Nach 15 bis 20 Jahren sei „nichts mehr da“, während bei einem Holzsarg auch nach 25 Jahren noch Reste des Behälters und des Toten zu finden seien.

Der Verstorbene liegt im Sarg auf Moos und Blumen

Im Pilz-Sarg liege der Mensch deshalb auf einem Bett aus Moos und Blumen. Er darf auch nur Baumwollkleidung tragen oder einen Talar aus Leinen. „Man sollte ohnehin niemanden in Polyesterkleidung in der Erde bestatten“, erklärt Jörg Rumberg. Er habe mal jemanden nach 15 Jahren umbetten müssen: „Dessen Smoking war komplett erhalten.“ Friedhöfe hätten ein Problem mit solchen „Verwesungsstörungen“.

Apropos Friedhof: Der obere evangelische Friedhof in Herbede wird ab Frühjahr oder Sommer auf einer zusätzlichen Fläche eine ökologische Grabanlage erhalten. Etwa 20 Bestattungen – nur mit Naturholzsärgen – sollen dort möglich sein. Es wird Staudenbeete und andere, den Gegebenheiten angepasste Bepflanzung geben. Auch über Grabsteine aus recycelten Steinen werde nachgedacht, so Beate Rumberg-Behrendts.

WDR-Wissenschaftsmagazin berichtete über den Bio-Sarg

Die Rumbergs haben ihren Sarg beim Ökomarkt auf der Zeche Nachtigall vorgestellt. „Das Interesse war groß“, sagen sie. Seit außerdem das Wissenschaftsmagazin Quarks & Co. im WDR über Beerdigungen im Bio-Sarg berichtete, kämen Anfragen aus ganz Deutschland. Sie selbst würden aber maximal im Umkreis von 50 Kilometern arbeiten.

Urnen längst biologisch abbaubar

Dass auch beim Bestatten auf mehr Nachhaltigkeit geachtet wird, kann Daniel Stein vom Bestattungshaus König bestätigen. Einen neuen Trend sieht er darin allerdings nicht. Urnen würden schon länger nicht mehr aus Metall, sondern aus lehmbasierter und damit biologisch abbaubarer Keramik bestehen.

„Unsere Särge sind lösungsmittelfrei lackiert oder gar nicht.“ Man führe auch einen „Nachhaltigkeitssarg“: Der sei aus unbehandelter Eiche mit Schrauben aus Kupfer und Griffen aus Seil. Kosten: 1400 Euro. Ein roher Kiefernsarg liege bei 700, einer aus Eiche bei 1200 Euro.

Auch Birgit Brotkorb vom Bestattungshaus an der Pferdebachstraße arbeitet mit geölten oder komplett unbehandelten Särgen. Jill Temme vom Bestattungsinstitut an der Ardeystraße nutzt schon seit Jahren Urnen aus Naturfasern.

Bislang habe hier nur eine Beerdigung im Pilz-Sarg stattgefunden. Der sei übrigens 32 Kilo leicht, während ein Eichensarg zwischen 60 und 100 Kilo schwer sein könne. Der Preis sei von der niederländischen Firma vorgegeben und liege bei 1650 Euro. „Diese Art von Sarg muss bei den Leuten erstmal ankommen“, sagt Jörg Rumberg, glaubt aber, dass es die klassischen Holzsärge weiterhin geben wird.

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Nachhaltigkeit ist für die Rumbergs nicht nur beim Bestatten wichtig. Im vergangenen Jahr haben sie ihren Betrieb komplett umgebaut: Photovoltaik aufs Dach, Pelletheizung rein. Außerdem seien zwei E-Transporter im Einsatz. Nun also der Bio-Sarg. „Das fühlt sich einfach richtig an“, sagt Beate Rumberg-Behrendts. „Warum soll der letzte Fußabdruck eines Menschen nicht auch grün sein?“