Witten. Ein Wittener Verein will die Müllkrise bekämpfen. Mit dem Prinzip des „weniger“. Was dahinter steckt und welche Vision die beiden Gründer haben.

Eine Welt mit weniger Müll und weniger Verschwendung, das ist die Vision von „weniger e.V.“. 2021 gegründet, hat sich der Wittener Verein seitdem professionalisiert und sucht nun engagierte neue Mitstreiter und Unterstützer. Mit der Stadt arbeitet der Verein bereits eng zusammen, bringt an vielen Grundschulen Kindern das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit spielerisch näher. Bald könnte er auch offizieller Bildungspartner der Stadt sein. Letzte Abstimmungen dazu laufen.

„Viele Menschen wollen sich engagieren, können den bürokratischen Aufwand, der oft damit verbunden ist, aber nicht stemmen“, sagt John Hodgkinson (30), einer der beiden Gründer und Vorstände des Vereins. Genau bei diesen Tätigkeiten will „weniger“ seine Mitglieder unterstützen. Damit diese mehr Zeit und Energie für ihre Projekte haben.

„weniger e.V“ aus Witten stellt Idee des grünen Wachstums in Frage

Die Mitglieder – derzeit sind es 52 – eint die Idee des „weniger-Prinzips“. „Die aktuellen Nachhaltigkeitsdebatten kreisen zu sehr um grünes Wachstum. Wir stellen das in Frage“, sagt Vorstand Patrick Schulz (29). Statt also darauf zu setzen, durch technische Innovationen klimafreundlicher zu produzieren und zu leben, geht es darum, bereits Vorhandenes nutzbar zu halten, anstatt für neue Produkte immer wieder Ressourcen zu verschwenden. Es geht aber auch darum, insgesamt weniger zu konsumieren, weniger zu besitzen, mehr zu teilen. Car-Sharing oder Repair-Cafés sind Beispiele hierfür. Ganz nebenbei fällt bei solch einer Lebensweise auch weniger Müll an.

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Schulz und Hodgkinson wollen keineswegs mit dem erhobenen Zeigefinger Verzicht predigen, sondern neue Denk- und Verhaltensweisen vorleben, andere motivieren und mitnehmen. So waren die beiden etwa im vergangenen Sommer immer mittwochs mit Freunden und Bekannten in der Innenstadt unterwegs, um Müll aufzusammeln. „Das hat für schöne Irritationen gesorgt. Viele Passanten dachten zuerst, wir leisten Sozialstunden ab“, erinnert sich Hodgkinson. Doch daraus hätten sich auch viele interessante Gespräche entwickelt – und das Thema Müll sei so für diese Menschen sichtbar geworden. Im März starten die beiden wieder mit ihrem „Clean-up“ in der City.

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Auch kleine Schritte helfen

„Es geht um’s Anfangen“, sagt der Betriebswirtschaftler. Die Vorstellung, alles sofort perfekt machen zu müssen, verhindere gerade beim Thema Umweltschutz vieles. „Aber man muss nicht perfekt sein, es geht um die kleinen Schritte. Um die Frage: Was kann ich heute besser machen?“ Also vielleicht ab und zu das Auto gegen Bus oder Rad tauschen, oder ein festes Shampoo statt eines aus der Plastikflasche in den Einkaufskorb legen – oder die Jeans flicken, statt sofort eine neue zu kaufen.

Die zwei Köpfe hinter dem Verein engagieren sich beide schon lange für Umweltschutz und Nachhaltigkeit, etwa beim jährlich stattfindenden Ruhr Clean-up, dem Großreinemacher am Ruhrufer. Schulz hat zudem „Bochum bolzt“ und „Witten bolzt“ ins Leben gerufen, jenes Projekt, das bei Aktionstagen an Grundschulen Kinder spielerisch an das Thema heranführt: Erst wird gemeinsam Müll in der Umgebung gesammelt, dann eine Runde Fußball gespielt oder getobt.

Viele engagierte Bürgerinnen und Bürger haben sich am letzten Ruhr Clean-up am Wittener Ruhrufer im September 22 beteiligt. Der „weniger e.V.“ organisiert die Aktion mit.
Viele engagierte Bürgerinnen und Bürger haben sich am letzten Ruhr Clean-up am Wittener Ruhrufer im September 22 beteiligt. Der „weniger e.V.“ organisiert die Aktion mit. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Aktion für Grundschulen soll auf viele Städte des Ruhrgebiets ausgerollt werden

Was 2018 ganz klein begann, ist heute das größte und bekannteste Projekt des Vereins. Und gab den Anstoß für dessen Gründung. Denn in Witten und Bochum wurde das Angebot bislang so gut angenommen, dass Schulz es gerne auch auf weitere Ruhrgebietsstädte ausrollen will – am besten auf alle Kommunen der Metropole Ruhr. Doch das wäre zu viel für einen einzigen Ehrenamtlichen.

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So entstand die Idee, das Projekt an verschiedenen Standorten von unterschiedlichen Trägern auf die Beine stellen zu lassen – unter dem Dach von „weniger“. Also ein Franchising wie man es aus der Wirtschaft kennt, aber im sozialen Bereich. Die neuen Ausgründungen können dabei auf das bestehende Konzept von „Deine Stadt bolzt“, wie das Projekt nun heißt, zurückgreifen. Der Verein übernimmt Tätigkeiten wie die Antragsstellung für Fördergelder, Buchhaltung und Abrechnung. Zum Start hat der Verein als Unterstützung ab sofort auch eine Teilzeitkraft und vier Mini-Jobber angestellt, die das Projekt vorantreiben.

Weitere Projekte des „weniger e.V.“

Zwei weitere Projekte haben sich Anfang 2023 der „weniger“-Familie angeschlossen: „Papierlos Glücklich“, das den enormen Papierverbrauch Deutschlands reduzieren will – ganz einfach, indem „Keine Werbung“-Sticker für Briefkästen verteilt (und hoffentlich angebracht) werden. Und „Die Radgeberin“, ein Start-up, das unter anderem eine offene Fahrradwerkstatt in den Räumen des Unikat an der Bahnhofstraße anbietet.

„Weniger ist die Antwort auf viele Fragen“, sagt Hodgkinson. Denn Müll sei nur ein Symptom unserer Gesellschaft, das zeige, dass wir nicht nachhaltig leben. Durch Konsumverzicht könne es gelingen, aus dem „Hamsterrad“ auszusteigen, das sich um Geld verdienen und den ständigen Erwerb neuer Produkte drehe. Patrick Schulz hat es vorgemacht: Er lebte drei Jahre lang in einem Van – und fand dabei zu sich selbst.

>>> Mehr Informationen zum Verein und seinen Projekten finden sich auf der Homepage des Vereins unter wenigerev.de.