Witten. Immer wieder wird die Thyssen-Deponie in Witten-Annen als mögliches Gewerbegebiet gehandelt. Doch warum liegt das Gelände seit 18 Jahren brach?

Seit Jahren wird um die ehemalige Thyssen-Deponie in Witten-Annen gerungen. 2005 gab es auf der Fläche zwischen dem Wittener Technologiepark und Ostermann sogar einen symbolischen Spatenstich, entstehen sollte ein Fahrsicherheitszentrum. Doch die Pläne zerschlugen sich. Ganze 18 Jahre später hat sich dort immer noch nichts getan, dabei könnte hier über 80.000 Quadratmeter an dringend benötigter Gewerbefläche entstehen.

Der federführende EN-Kreis hält sich auf mehrmalige Nachfrage bedeckt und verweist lediglich auf eine komplexe rechtliche Gemengelage, ohne Einzelheiten nennen zu wollen. Dagegen hofft der Eigentümer der Fläche, die FSZ Verwaltungs- und Grundbesitz GmbH, auf eine Einigung bis zum Sommer. „Eigentlich geht es nur noch um die letzten paar Kilo Erde, die ausgehandelt werden müssen“, sagt deren Geschäftsführer Heinz Hetschold.

Sanierungsunternehmen und Käufer für Thyssen-Deponie sollen gefunden sein

Auch ein Sanierungsunternehmen stehe schon bereit, um die Fläche der ehemaligen Thyssen-Deponie und das angrenzende Werkserweiterungsgelände fit für neues Gewerbe zu machen. „Und wir haben auch schon einen Käufer, der das Gelände im Anschluss kaufen und bebauen möchte“, so der 78-Jährige. Dabei handle es sich um eine weltweit tätige Holding mit Milliarden-Umsätzen. Die entstehenden Hallen sollen dann vermietet werden.

Die Pläne der FSZ hatten bereits 2016 für einigen Wirbel gesorgt. Rund 600.000 Tonnen sogenannte Bauersatzstoffe wollte das Unternehmen auf der Fläche abladen. Ein von der Stadt bestellter Gutachter kam aber zu dem Ergebnis, dass eine Aufschüttung in diesem Umfang nicht nötig sei.

Aufschüttung mit Ersatzbaustoffen aus bestehenden Deponien

Zu den schärfsten Kritikern des Mammut-Projekts gehörte damals wie auch heute der Vorsitzende der Wittener Bürger Gemeinschaft und frühere FSZ-Gesellschafter Siegmut Brömmelsiek: „Man muss sich fragen, was ist nötig, was ist reiner Profit?“ Denn das Geschäft mit Abfall ist lukrativ. Rund 20 Euro würde ein Unternehmen für eine Tonne abgenommenes Schüttmaterial erhalten, hier gehe es also um Millionen. Hetschold hingegen spricht von einem „Obolus“, den man pro Tonne erhalte. Ob es sich am Ende rechne, hänge von der Menge ab.

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Die Pläne für die Sanierung der Fläche sehen vor, die mehr als zehn Hektar große Fläche mit Ersatzbaustoffen, die aus bestehenden Deponien entnommen werden, aufzuschütten. Die Liste der für solche Zwecke zugelassenen Ersatzbaustoffe habe sich während der Planungen verändert, dies habe für erhebliche Verzögerungen gesorgt, sagt Hetschold. Auch wären zusätzliche Nachweise nötig geworden.

Bentonit-Matte schützt das Grundwasser

Eine sogenannte Bentonit-Matte soll künftig das Grundwasser schützen und verhindern, das Giftstoffe aus dem verunreinigten Boden des Deponiegeländes ausgespült werden. Darunter und darüber sollen Tragschichten aufgeschüttet werden. Auf dieses Vorgehen hatte man sich 2019 nach einem langen Vermittlungsprozess mit Kreis und Stadt geeinigt. Um eine gewisse Standfestigkeit des Bodens zu gewährleisten, brauche es eine gewisse „Mächtigkeit“, so der ehemalige Architekt.

Die Zufahrt unter der Bahntrasse hindurch, hier von der Straße Im Rohr bzw. von der Friedrich-Ebert-Straße aus gesehen, hat nur eine lichte Höhe von 2,90 Metern. Sie ist somit das Nadelöhr bei der Erschließung des potenziellen Deponieareals.
Die Zufahrt unter der Bahntrasse hindurch, hier von der Straße Im Rohr bzw. von der Friedrich-Ebert-Straße aus gesehen, hat nur eine lichte Höhe von 2,90 Metern. Sie ist somit das Nadelöhr bei der Erschließung des potenziellen Deponieareals. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Man müsse sich das Gelände überspitzt formuliert wie einen Pudding vorstellen, auf dem man ein Haus bauen wolle. Erst eine gewisse Menge an Material gebe genug Halt. Die Fläche werde nach der Aufschüttung deutlich höher sein als jetzt, so Hetschold. Wie hoch genau, das müsse aber noch zwischen Kreis und FSZ abgestimmt werden. Und genau da scheint es zu haken.

Besitzerin der FSZ trägt gleichen Nachnamen wie Sanierungsunternehmen

Doch wer steckt eigentlich hinter der FSZ? Ein Auszug aus dem Unternehmensregister zeigt aktuell zwei Eigentümer, die beide je zur Hälfte an der Firma beteiligt sind. Die Gesellschafter haben aber im Laufe der Zeit fleißig gewechselt. Einst hielten auch Brömmelsiek und Hetschold Anteile, als der Zweck der Firma noch war, ein Fahrsicherheitszentrum zu errichten. Auch ein Mann aus Bottrop hielt Anteile bis 2012. Dieser soll sich zurückgezogen haben, um Schaden von der FSZ fernzuhalten. Denn eine Firma gleichen Namens, die Industrieabfälle entsorgt, war in verschiedene Umweltskandale verwickelt.

Ein riesiges, ungenutztes Areal: Das Luftbild zeigt die Brachfläche zwischen Stockumer Straße, Im Rohr und Fredi-Ostermann-Straße in Witten.
Ein riesiges, ungenutztes Areal: Das Luftbild zeigt die Brachfläche zwischen Stockumer Straße, Im Rohr und Fredi-Ostermann-Straße in Witten. © Hans Blossey

Heute gehört die Hälfte der FSZ einer Frau, die den gleichen Familiennamen trägt. Auch die Sanierung des Geländes soll von einer Unternehmensgruppe gleichen Namens ausgeführt werden. Geschäftsführer Hetschold versichert aber, dass zwar familiäre Beziehungen bestehen würden, die beauftragte Firmengruppe aber wirtschaftlich nichts mit der in Verruf geratenen Firma zu tun habe.

Problem der Zufahrt

Mit einer Genehmigung seines Sanierungsplanes rechnet Heinz Hetschold nicht vor den Sommerferien. Sollte diese erteilt werden, würde die Sanierung zwei bis drei Jahre dauern, schätzt der 78-Jährige. Denn bevor es richtig losgehen kann, muss zunächst eine neue Zuwegung auf das Gelände gebaut werden. Über eine Rampe sollen Lkw von der Fredi-Ostermann-Straße aus auf das Gelände gelangen. Die Pläne sehen auch vor, eine Verlängerung bis zur Straße Im Rohr zu bauen. Dies könnte dann eine Ortsumgehung für den Verkehr in Annen werden.

Doch hier wartet das nächste Problem. Stefan Scheve, Geschäftsführer des angrenzenden Technologieparksan der Stockumer Straße, hält nach eigenen Angaben Wegerechte auf dem Thyssen-Gelände. Ohne seine Zustimmung sei der Plan in seiner jetzigen Form also nicht machbar, sagt er. „Und mit mir geredet hat noch niemand.“